„Die rumänischen Brüder haben sich einen hoch geachteten Stellenwert erarbeitet“

Prof. Dr. Rüdiger Templin, geboren 1940 in Pommern, seit 2009 Großmeister der Vereinigten Großlogen von Deutschland – Bruderschaft der Freimaurer, war Gründer und Leiter des Nierentransplantationszentrums und Direktor für Forschung der Urologischen Universitätsklinik in Rostock bis 1997 sowie Direktor der Klinik für Rehabilitation bis zum Rentenantritt. Als Mitglied zahlreicher deutschen und ausländischen Fachgesellschaften gehört Prof. Dr. Templin zu den angesehenen Vertretern seines Berufs. Der Großmeister leitet den Dachverband der fünf regulären Großlogen, mit rund 14.000 Brüdern, gegliedert in 470 Logen in Deutschland. Seine Tätigkeit hat auf internationaler Ebene Vorbildcharakter und widerspiegelt die Vorreiterrolle der Freimaurerei in der gegenwärtigen Gesellschaft, wo selbst die Politik an einer immer stärkeren Verdrossenheit leidet. Indem er den Lesern unserer Zeitung auch über die Hintergründe der Vergabe des Weltkongresses der Großmeister für 2014 an Rumänien erzählt und über seine Freundschaft mit dem rumänischen Großmeister Radu Bălănescu, selbst ein geschätzter Kinderarzt, spricht, erlaubt der deutsche Großmeister einen überraschenden Einblick hinter die Kulissen in eine uns allen meist verborgene Welt.
Das Exklusivgespräch mit dem deutschen Großmeister führte für die ADZ Dr. Alex Todericiu.

Wer sind die Freimaurer und womit beschäftigen sie sich in der heutigen Welt? Was sind Ziel und Zweck dieses Vereines?

Freimaurer sind Männer, die sich im Gespräch untereinander eine bessere Haltung zu modernen Fragen des Lebens, des besseren Umgangs miteinander und zur Selbsterziehung im Sinne einer verbesserten Persönlichkeitsbildung antrainieren. Diese Besinnung auf sich selbst, das Nachdenken über freimaurerische Ideale und ethische Werte, wie Humanität, Brüderlichkeit, Toleranz, Freiheitlichkeit sind Ziele dieser Persönlichkeitsbildung, damit jeder an seinem Ort in der Gesellschaft diese Haltung nach außen demonstrieren und auch verwirklichen kann.
Freimaurer agieren nach außen niemals als Vertreter einer freimaurerischen Organisation, sondern als Personen mit einer ethisch-humanistischen Haltung. 

Welche Rolle versucht heute die Freimaurerei in Europa zu spielen? Ist sie sich auch ihrer Rolle in der Welt bewusst? Was unternimmt dieser Bund, um z. B. die Weltwirtschaftskrise zu bekämpfen?

Aus dem eben Gesagten geht klar hervor, dass die Freimaurerei als Organisation kein missionarisches Verhalten an den Tag legt. Dennoch versuchen einzelne Freimaurer sich in der Gesellschaft mit den von ihnen vertretenen Werten einzubringen und für die Gesellschaft nutzbar zu machen, gerade in der heutigen Gesellschaft, mit ihrem Verfall moralischer Werte, ist eine solche Haltung mutig und auch wünschenswert.
Ich denke dabei an die vielen bekannt gewordenen Vorfälle der Korruption, des Missverhältnisses von Einkommen arbeitender Bürger zu dem von unmoralisch hohen Managergehältern und Bonuszahlungen, ich denke an Hilfe beim sozialen Ausgleich und einer verbesserten Integration von Benachteiligten.

Informelle Treffen der Freimaurer auf höchster EU-Ebene, um sich mit dem Thema der Armutsbekämpfung zu beschäftigen, haben wiederholt stattgefunden. Ist dazu mehr zu sagen?

Derartige Treffen mit den höchsten Vertretern der Europäischen Union hatten zum Ziel, Meinungen und Statements zu derartigen Themen, wie schon erwähnt, von humanistischen Vereinigungen vorgetragen zu bekommen. Eine derartige Politik ist in Paragraph 17 der EU-Verträge von Lissabon den Verantwortlichen der Europäischen Union vorgeschrieben. Daher werden solche Veranstaltungen jährlich vom amtierenden Kommissionspräsidenten Barroso mit Vertretern von europäischen kirchlichen und nicht kirchlichen Organisationen durchgeführt. Obwohl es uns nicht gestattet ist, als Vertreter einer freimaurerischen Organisation in politische Belange aktiv einzugreifen, ist es doch angemessen, wenn politische Führer der Europäischen Union sich nach der Haltung dieser Organisationen erkundigen. Ist es doch das Anliegen der freimaurerischen Erziehung, unsere ethischen Werte nicht nur theoretisch zu behandeln, sondern auch zur Verbesserung des Gemeinwohls in die Gesellschaft zu tragen.

Im Herbst 2012 feiern die deutschen Freimaurer 275 Jahre seit der Gründung der hanseatischen Loge. Der rumänische Großmeister Radu Bălănescu, vom Beruf Kinderarzt, ist auch als einer der drei Festredner eingeladen. Eine große Ehre für die rumänische Bruderschaft. Pflegen Sie enge Beziehungen zu der rumänischen Großloge MLNR?

Mein rumänischer Partner im Amt ist nach meiner Einschätzung bestens geeignet, die stabile, reguläre Freimaurerei in Rumänien weiter auszubauen und mit ihr internationale Aufgaben und Verpflichtungen zu übernehmen. Diese Bemühungen in Rumänien werden international anerkannt und haben dazu geführt, dass der Weltkongress der Großmeister für 2014 an Rumänien vergeben wurde. Unsere persönliche berufliche und ethische Nähe hat ein besonders enges Zusammenwachsen zwischen der rumänischen und deutschen Freimaurerei ergeben, was wir auch pflegen. Ich habe deshalb den Großmeister der Nationalen Großloge von Rumänien MLNR gebeten, auf der Großveranstaltung zum 275-jährigen Bestehen der deutschen Freimaurerei im September dieses Jahres in Hamburg ein Grußwort zu sprechen.

Welche Gemeinsamkeiten verbinden die Vereinigten Großlogen von Deutschland und die rumänische MLNR? Gibt es da regelmäßige gegenseitige Besuche, sind da Freundschaften, vielleicht gemeinsame Unternehmungen unter den Brüdern entstanden?

Durch die bereits erwähnten besonderen Beziehungen zwischen den beiden Repräsentanten unserer Organisationen sind intensive Beziehungen auch zu anderen Vertretern in Deutschland und in Rumänien entstanden. Gegenseitige Besuche von Brüdern beider Länder in dem jeweiligen Gastland sind zur Normalität geworden. Auch meine persönlichen Beziehungen zu Rumänien reichen schon in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück, als ich die Ehre hatte, der ersten Bürgerin aus Rumänien mit einer Nierentransplantation bei uns an der Universität in Rostock helfen zu können, was dieser rumänischen Bürgerin über 20 Jahre ein lebenswertes Leben mit einem deutschen Transplantat ermöglichte. Sie war in der jüngeren Vergangenheit anlässlich dieses historischen Ereignisses vom Gesundheitsministerium in Rumänien geehrt worden. 

2014 wird in Bukarest die freimaurerische Weltkonferenz stattfinden. Vor kurzer Zeit gab es einen Privatbesuch des Cousins der Königin Elisabeth, des Duke of Kent, in Rumänien. Somit gibt es in Rumänien ein reges freimaurerisches Leben. Welche Rolle spielt heute Rumänien in der Weltkette der Freimaurer? Was hat sich da in den letzten Jahren verändert?

Wie bereits ausgeführt, ist durch die Nominierung von Bukarest für die Weltkonferenz klar geworden, dass die rumänischen Brüder sich in der Weltbruderkette – wie wir sagen – einen hoch geachteten Stellenwert erarbeitet haben. So ist auch der Besuch des Großmeisters der Vereinigten Großloge von England, des Duke of Kent, in Rumänien Anfang des Monats Mai als eine besondere Geste gegenüber den rumänischen Brüdern zu werten. Wir haben auf der vergangenen Weltkonferenz in Cartagena in Kolumbien den Wunsch unterstützt, dass Bukarest den Zuschlag für diese Konferenz 2014 erhielt.
Die bereits erwähnte berufliche Nähe zwischen uns beiden als Vertreter der Freimaurerei in Rumänien und Deutschland haben Radu Bălănescu als Kinderchirurg und mich als Urologen und Transplantationschirurg auch fachlich eng zusammengeführt und wir genießen gegenseitig eine hohe Wertschätzung für unsere Fachgebiete in dem jeweils anderen Land. Schließlich ist unsere Tätigkeit praktizierte Humanität!

Die Freimaurer verpflichten sich, die moralischen Prinzipien, das Wort der Freimaurerei in die Tat umzusetzen, Toleranz und Brüderlichkeit walten zu lassen. Was ist darunter genau zu verstehen?

Die hinterfragten freimaurerischen Ideale in die Gesellschaft zu tragen, ist Aufgabe und Verpflichtung eines jeden einzelnen Freimaurers. Hier ist die menschliche Reife, die Innovation und die Eigeninitiative eines jeden Bruders gefragt, um in seinem sozialen Umfeld sich als Vertreter unserer Lebensphilosophie deutlich durch seine Taten erkennen zu geben. Um zwei berühmte Zeitgenossen zu zitieren: Mit Martin Luther King und Präsident Obama möchte ich sagen, wir handeln nach dem Motto: Give peace a chance, give tolerance a chance – yes we can!

Das Wort ist frei, die Tat ist stumm. Welche Rolle spielt die Öffentlichkeitsarbeit für die Freimaurerei heute, im Zeitalter der vernetzten Welt?

Dies ist eine entscheidende, eine zeitgemäße Frage. Während meiner Amtszeit vertrete ich in Deutschland die Haltung, dass sich Freimaurerei speziell unter unseren historischen Bedingungen hier, in Mitteleuropa, mehr der Gesellschaft öffnen muss. Das Internet, mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, gibt uns hier ein Medium in die Hand, mit dem es heute besser denn je gelingt, die breite Öffentlichkeit auf den Sinn und Zweck unserer Vereinigung aufmerksam zu machen. So ist es uns auch gelungen, breiten Raum in der Kultur, in der Geisteswissenschaft, in der wissenschaftlich-technischen Intelligenz zu gewinnen und bei Leistungsträgern der Gesellschaft das Interesse zu wecken, wir haben Freunde, ja auch Mitglieder gewonnen. Nach meinem Kenntnisstand ist dies auch in Rumänien in ähnlicher Weise in den letzten Jahren realisiert worden.

Sind die deutschen Freimaurer mit ihrer Arbeit zufrieden?

Natürlich sind wir bei Weitem noch nicht mit dem Zustand zufrieden, wenn wir bedenken, welche Rolle einmal die Freimaurerei in der Gesellschaft des 18., 19. und des frühen 20. Jahrhunderts gespielt hat. Aber ich glaube, dass die oben angeführten Überzeugungen und auch Maßnahmen uns die Möglichkeit bieten, um bei den Bürgern, bei der Jugend mit geeigneten Mitteln und mit Beharrlichkeit das verschobene Wertebild in unserer Gesellschaft ein wenig gerade zu rücken.