Die Rumpelkammer entrümpelt

In Temeswar öffnete das erste Museum des kommunistischen Konsumenten aus Osteuropa

Blick zurück ohne Zorn: Erste Besucher im Temeswarer Museum des kommunistischen Konsumenten
Foto: Zoltán Pázmány

Es ist sozusagen der letzte Schrei in Sachen Tourismusangebot der alten Begastadt, aber auch ein Beitrag, so einfach wie außergewöhnlich, aus den Reihen der Zivilgesellschaft in dem offiziellen und bisher nicht gerade erfolgreichen Wettbewerb um den begehrten Titel einer europäischen Kulturhauptstadt: Ohne viel Werbung wurde kürzlich im Temeswarer alten Stadtviertel Elisabethstadt, ganz versteckt und bescheiden, im Keller eines Altbaus der Straße Architekt László Szekely Nr. 1 das Museum des kommunistischen Konsumenten eröffnet. Das erste dieser Art in Osteuropa. Und das Museum – das private Kulturprojekt geht auf eine vor fünf Jahren lancierte Initiative seines rührigen Gründers, Ovidiu Mihăiţă, zurück – hielt auf Anhieb und wörtlich, was dessen offensichtliche ironische Benennung versprach: Bei der Eröffnung am späten Samstagnachmittag sorgte Stromversorger ENEL gleich zweimal hintereinander für die perfekte Szenerie der Goldenen Epoche bzw. eine Strompanne im Doppelpack. Und der Blackout wurde von den zahlreichen Erstbesuchern (nicht nur die ehemaligen Augenzeugen älteren Semesters sondern überraschend Vertreter aller Generationen, Großeltern, Eltern , Kinder und Enkel), nicht wie erwartet, amüsiert wahrgenommen.

Dieses Museum hat nichts mit den üblichen von den ehemaligen sozialistischen Staaten aus Osteuropa und deren Regierungen nach der Wende gegründeten amtlichen Museen des Kommunismus zu tun. Hier sind einige dieser Museen zu nennen: KGB-Museum in Vilnius, Haus des Terrors in Budapest, Museum des Kommunismus in Prag, Berlin Hohenschoenhausen Memorial. Bekanntlich funktionieren seit Jahren hierzulande die Forschungs- und Gedenkstätte Sighet sowie das Revolutionsmemorial in Temeswar. Leider waren alle Versuche der letzten Jahre, ein Museum des Kommunismus in unserem Land zu eröffnen, zum Großteil wegen des fehlenden politischen Willens bisher gescheitert. In nächster Zukunft könnte sich da etwas ändern: Im Dezember 2014, zum Anlass der 25 Jahre seit der Dezemberrevolution 1989, hat sich Staatspräsident Klaus Johannis als starker Befürworter dieses verschleppten Projekts zur Einrichtung eines Nationalmuseums des Kommunismus gezeigt und es als wichtiges Vorhaben seines Präsidentschaftsmandats ausgegeben.

„Es ging mir von Anfang an nicht um die Nostalgie nach der Goldenen Epoche, obwohl es auch diese noch immer und schon wieder gibt“, bekennt der Initiator Mih²i]². Dieses Museum wurde als eine gelungene Nachbildung einer typischen Wohnung aus der Zeit des Kommunismus, mit Wohnzimmer, Kinderzimmer, Badezimmer, Küche und Abstellraum eingerichtet. Im gleichen Gebäude eröffnete vor zehn Jahren das erste unabhängige Theater der Stadt, „Auăleu“, das unterdessen zum beliebtesten Underground-Theater in Temeswar wurde. Das Museum des kommunistischen Konsumenten soll, laut Mihăiţă, auch in unserer schnellen Wegwerfgesellschaft von heute nicht mehr bewirken, als die versunkenen Erinnerungen, das kollektive Gedächtnis dieser Epoche konkret mittels typischen Gegenständen des sozialistischen Alltags aufzufrischen, zu verarbeiten aber auch den jungen Generationen als Vergleichsmaßstäbe dienen.

In den wegen der alten Gegenstände muffigen Räumen (mit typischen Möbelstücken jener Zeit) hat sich vieles angesammelt, das von dem Gründer und seinen zahlreichen Helfern vor der Mülltonne gerettet wurde, aber auch etliches aus den privaten Schenkungen am laufenden Band: die berüchtigten Raphia-Einkaufstüten für das Schlangestehen, Flaschen jeder Art, von den alten Milchflaschen bis zu den vielen Alkoholflaschen ( Murfatlar, Drobeta, Perinitza, Select, Bachus), Citro-Flaschen und bauchige Sodawasserflaschen, Amiral- und Carpa]i-Zigaretten, alte Fernseher (gar das erste Modell „Cosmos“ , 1963), Plattenspieler, Platten (erste Jazz-Platte von Jancsi Körössi, auch „Patriotische Lieder“) Bücher, Plakate, Radios, Turist-Trinkgläser, Larex-Schampoo, Cheia-Seife, Kleidung (gar die berüchtigte unförmige Lederjacke der Parteiaktivisten), zahlreiche der so beliebten Arădeanca-Puppen und, nicht zu vergessen, etliche Verkaufsschlager vom Schwarzmarkt (Waren aus Jugoslawien) jener Jahre.

Im „Kinderzimmer“ kann eine rote Broschüre über die revolutionäre Jugend des Genossen Nicolae Ceau{escu durchgeblättert werden, zudem kann einer der typischen mit Bleistift geschriebenen Schüleraufsätze der Ceauşescu-Ära nachgelesen werden: „Ich sage mit Stolz: Rumänien. Und ich sage mit Liebe: Das ist mein Land!“
Ovidiu Mihăiţă erwartet mit seinem Slogan „Leute, entrümpelt eure Rumpelkammer!“ weiterhin neue Schenkungen von Privatleuten. Dieses Museum soll, wie angekündigt, weiterhin ein lebendiges, interaktives bleiben: Die Besucher können sich wie zu Hause fühlen, alte Bücher, Almanache und Zeitungen durchblättern, die heute zum Großteil kurios wirkenden patriotischen Lieder der versunkenen Zeit hören („Poporul, Ceauşescu, România“), Kinder können nach Belieben mit der Unmenge von Spielzeug, u. a. mit dem heißbegehrten ONT-Bus, spielen. Die Besucher können zum Abschied sogar ein paar kommunistische Souvenirs erhalten.

Das Museum ist einen Monat lang täglich geöffnet, danach kann es nach Anmeldung besucht werden. Um den künftigen Erfolg macht man sich hier keinerlei Sorgen: Derartiger Kulturtourismus befindet sich hierzulande wohl noch in den Kinderschuhen, doch im westlichen Ausland ist er in, wie es heißt. Und wirklich: Angekündigt haben sich bisher schon zahlreiche Einzeltouristen aus Europa und gar Touristengruppen aus Amerika und Japan.