Die Schlossherrin von Mogoşoaia

Wie Doina Mândru den verlassenen Brâncoveanu-Palast zum blühenden Kulturzentrum erhob

Doina Mândru gibt Ausblicke auf das „Brâncoveanu Jahr 2014“.

Der Brâncoveanu-Palast war zuletzt im Besitz von Martha Bibescu, die ihn vor ihrer Flucht vor den Kommunisten zum Kulturerbe erklärte.

Zauberhafte Kulisse: das Labyrinth am Seeufer

Die Fresken des Klosters Văcăreşti, hier noch im Kellergewölbe, übersiedeln bald in neue Ausstellungsräume.

Kostbare Stücke aus der Sammlung von Dan Nasta

Im Obergeschoss des Palasts
Fotos: George Dumitriu

„Eigentlich hätte ich Ärztin werden sollen, wie fast alle Mitglieder aus der Familie meines Vaters – mit meinen Cousins und Neffen könnte man ein Krankenhaus eröffnen “, gesteht Doina Mândru lachend. Ihr Glück war, dass sie im Schulunterricht bei der Sektion eines Frosches in Ohnmacht fiel. „Wenn Biologie schon so hart ist, wie wird dann erst Anatomie?“ fragte sie sich mit Grausen und widersetzte sich fortan  dem Druck der Eltern zum Medizinstudium. „Doch ich hatte ein As im Ärmel“, verrät die heutige Kunsthistorikerin und Direktorin des Kulturzentrums der Brâncoveanu-Paläste. „Ich wusste, dass die Monumente dieses Landes mein Schicksal sein würden...“

In ihrem kühlen Büro sitzen wir uns gegenüber – einem stilvollen, luftigen alten  Häuschen im Schlosspark von Mogoşoaia. Durch das geöffnete Fenster dringt das Rauschen uralter Bäume. Mein Blick folgt dem schmalen Pfad, der an üppig blühenden Magnolien vorbei schnurgerade zu der schmiedeeisernen Pforte in der Backsteinmauer führt. Hoch auf dem Wachturm darüber flattert die rumänische Flagge im Wind. Davor eine winzige Kirche, vor deren weißen Mauern bemooste steinerne Kreuze sich einander sanft zuneigen, im weichen Grund einsinkend - als würden sie sich flüsternd über die allerletzten Neuigkeiten der vergangenen Jahrhunderte austauschen.

Nur ein Schritt durch diese eiserne Pforte... Sie ist die Schranke zu einer anderen Welt: Weiße Schotterwege vor tiefroten Mauern, marmorne Säulen, Arkaden und filigrane Balustraden. Eine Oase der Stille, nur 15 Kilometer von der brodelnden Hauptstadt entfernt. Aus einem Meer aus blauen Iris ragt das rote Schloss mit den zierlichen venezianischen Fenstern wie eine trutzige Insel. Dahinter ein Labyrinth aus Hecken vor einer wogenden Piniengruppe, marmorne flache Treppen, die von der weitläufigen Terrasse zu einem glitzernden See führen. Eine zartgrüne Weide lässt ihre Äste anmutig im Wind spielen. Verträumt blickt ein steinerner Löwe über die spiegelglatte Wasserfläche. Da! - War das nicht der Schatten von Prinzessin Martha Bibescu hinter den filigran verzierten Fenstergittern?

Ihre Stimme holt mich in die Realität zurück. „2001 eröffnete das Museum. Damals kamen nur die Vögel des Himmels und vielleicht ein verirrter Tourist an diesen gottverlassenen Ort“, erinnert sich Doina Mândru. „Doch ich war fest entschlossen, diesem extrem romantischen Schloss neues Leben einzuhauchen.“  

Eine moderne Martha Bibescu

13 Jahre sind seiher vergangen. Das Museum für Brâncoveanu-Kunst in Mogoşoaia,  zwischen 1956 und 1977   Teil des  Nationalen Kunstmuseums  Bukarest, konnte dank der großzügigen Spende des Sammlers Dan Nasta, mit dem die Kunsthistorikerin bereits seit Jahren zusammengearbeitet hatte, 2001 wieder eröffnet werden, mit Doina Mândru als Direktorin. Von da an begann sich das verwahrloste, von einem verwilderten Park umgebene Gemäuer zu einem  beliebten Kulturzentrum zu mausern.  Das Innere des Schlosses wirkt heute, als hätten  die Prinzen und Prinzessinnen der Vergangenheit nur mal eben kurz den Raum verlassen. Ob Keramik, persische Stickerei, antike Möbel, Landkarten aus dem 16 bis 18 Jahrhundert oder alte rumänische  Webteppich – mit Absicht  gibt es keine Schilder an den über 240 kostbaren Stücken aus der Nasta-Kollektion und den 60 später erworbenen Exponaten. „Es sollte wirken, als ob jede der sechs Generationen, die hier einmal wohnten, etwas hinterlassen hätte“, erklärt Doina Mândru.

Aber auch die über 300 Ausstellungen bekannter oder debütierender Künstler, die seither im Schloss und den Nebengebäuden stattgefunden hatten, verhalfen dem Museum zu einer beachtlichen Kollektion. „Wir baten fast jeden, uns ein Exponat zu hinterlassen“, erklärt die Direktorin. So hat sich  eine repräsentative Auswahl  an Werken der bedeutendsten zeitgenössischen rumänischen Künstler angesammelt.

„Meine Vision war, alte und moderne Kunst, Musik, Malerei, Kulturerbe, Traditionelles und Neues miteinander zu verbinden“, erklärt sie den Erfolg des Museums trotz seiner von der Kulturwelt der Hauptstadt isolierten Lage. So gehörten  sonntägliche Bastelworkshops für Kinder im Schlosspark ebenso zum Repertoire wie etwa „Jazz- und Poesie“-Abende , eine Ausstellung alter Rezepte aus der Zeit Brâncoveanus bis Carol I.,  kulinarische Kostproben inbegriffen, oder die dauerhaft ausgestellten Fresken des von Ceauşescu demolierten Bukarester Klosters Văcăreşti im Kellergewölbe. „Jeden Monat wird eine neue Ausstellung vernissiert, um die Öffentlichkeit, die von der Wiedergeburt des Museums umfassend Kenntnis genommen hatte, ständig in Atem zu halten“, betont Doina Mândru. „Die bedeutendsten Kritiker beehrten uns und sorgten für weitere Aufmerksamkeit: Pavel Şuşară, Erwin Kessler...“ Bewusst suchte sie den Ideenaustausch mit anderen Kuratoren und bekam viele Anregungen. Ein weiterer Meilenstein war die Kooperation mit dem Radio, die 2007 begann.

Unter dem Motto „Musik in den Brâncoveanu-Palästen“ fanden seither jeden Sommer  sonntägliche Konzertabende statt. Zusammen mit dem rumänischen Kulturinstitut veranstaltete sie außerdem Workshops für Übersetzer rumänischer Literatur aus Ländern aller Welt.  Sie verwandelten das Anwesen für zwei Monate im Jahr in eine Art internationales Ferienlager. Als Tutoren traten Größen wie der Dichter Florin Bican oder der Literaturprofessor Paul Cernat in Erscheinung. „Es gefiel ihnen, auch am Abend noch lange zu bleiben, sich mit den ausländischen Teilnehmern zu unterhalten und gemeinsam zu kochen, nach Rezepten aus ihren verschiedenen Heimatländern“, schwelgt sie in Erinnerungen. „Alle waren sie verliebt in Mogoşoaia und gaben am Ende ein gemeinsames Buch heraus: ‚I got my Mogoşoaia working‘, mit  Anekdoten und Erinnerungen aus dieser turbulenten Zeit. Eine fanstastische Atmosphäre!“ schwärmt Doina Mândru.

Ob sie die historischen Vorbilder, die an dieser Stätte vor ihr gewirkt hatten, inspirierten? Verlegen lacht die Museumsdirektorin über meinen verwegenenVergleich mit Martha Bibescu auf. Auch sie hatte seinerzeit den verlassenen, verfallenden Palastkomplex aus  der Zeit Brâncoveanus restauriert und durch gesellschaftliche Veranstaltungen mit neuem Leben erfüllt. Kaiser Wilhelm III., der Schriftsteller Antoine de Saint Exupéry oder die Luftfahrtminister von 32 Ländern, die hier 1939 auf Einladung von George Valentin Bibescu als Präsident der internationalen Aeronautenliga zusammentrafen, zählten zu den prominentesten Gästen. „Ich habe zumindest versucht, ihren Intentionen nicht zu widersprechen“, gibt sie schließlich zu. Auch ungewöhnliche zeitgenössische Ausstellungen –  etwa  „Autopsie“ des ungarischen Künstlers Zsolt Berszan – betrachtete sie in diesem Sinne als Fortsetzung der von Martha Bibescu begonnenen Idee, auch moderne Kunst in den Palast Brâncoveanus zu bringen.

Harter Kampf für das Schöne

Die Welt der schönen Künste ist beileibe nicht immer eine heile. Nicht nur, dass sich die Bürgermeisterei  von Mogoşoaia 13 Hektar des zum Schloss gehörigen Parks einfach „angeeignet“ hatte  und aus dem einst würdigen englischen Garten einen „billigen Vergnügungspark“ mit Imbissbuden machte, wie sich Doina Mândru empört. Weil die Museumsverwaltung bis heute darauf nicht verzichten will, wurden die Genehmigungen zur Restaurierung immer wieder verzögert. Auch das Damoklesschwert der Rückerstattung schwebt über dem Palast. „Noch ist nichts entschieden“, meint Doina hoffnungsvoll in Bezug auf den zur Diskussion stehenden Kauf durch den Staat. Und freut sich: „Denn dann wird zumindest auch die Sache mit dem Park neu aufgerollt werden müssen....“.

„Monumente sind mein Schicksal“

Zwei starken Frauen und einem Frosch verdanken wir also das heutige Kulturzentrum von Mogo{oaia. Doch wie kam das erwähnte As in den Ärmel der so entschlossenen jungen Doina? „In der sechtsten Klasse gewann ich einen Wettbewerb zum Thema ‘Die Monumente Rumäniens’“, lächelt die heutige Kunsthistorikerin. „Hierfür las ich die Bücher der besten Historiker des Landes – und eine neue Welt öffnete sich!“

Noch zu Schulzeiten besuchte sie Kurse und Vorträge für Jugendliche an der Volkshochschule Dalles und im Bukarester Stadtmuseum, die von bekannten Gelehrten abgehalten wurden. So bereitete sie sich auf ihr Studium der Kunstgeschichte vor, wofür sie mit Kandidaten aus dem ganzen Land um  sieben Plätze konkurrieren musste.

„Monumente sind mein Schicksal“, das hat sie immer wieder gespürt, ob bei der Restauration von Schloss Pele{ oder von Kloster Probota. „Die Schönheit erobert dich einfach“, schwärmt sie aus ihrer Zeit in Probota, „und schafft weitere Schicksale“, wie sie verrät:  Mädchen aus der Bukowina, als Küchenhilfen für das Restaurationslager angeworben, hatten sich später begeistert zum Studium einschrieben und sind heute Teil der Elite der Restaurateure.

Als sie 2000 die Chance erhielt, das Schicksal eines  Monuments selbst in die Hand zu nehmen, griff sie zu. Die Prinzessin, die den Frosch verschmähte, hat doch ihr Schloss bekommen...