„Die steigende Anzahl der Schüler versetzt uns in Sorge“

Direktorin Cristina Popa über das deutsche Goethe-Kolleg in Bukarest

Die Direktorin des Deutschen Goethe-Kollegs, Cristina Popa, setzt auf Qualität.

Das Goethe-Kolleg verfügt nun in der einstigen Französischen Schule in der Christian-Tell-Straße 22 über zusätzliche Klassenräume.
Fotos: Aida Ivan

Es ist nachmittags, zwanzig nach sechs. Vor der matten Glastür zum Büro der Direktorin im Goethe-Kolleg warten immer noch Mütter, auch wenn Cristina Popa nur bis halb fünf Sprechstunde hat. „In den letzten vier Jahren ist die Anzahl der Schüler ständig gestiegen. Dieses Wachstum beunruhigt uns. Es freut uns natürlich, aber diese große Schülerzahl bringt auch Probleme. Große Klassen lassen sich schwierig organisieren, den Lehrkräften fällt es nicht leicht, mit ihnen zu arbeiten, es gibt nicht genügend Raum“, erläutert Frau Popa die jetzige Lage der Schule, an der mehr als 2000 Schüler lernen.

Das neue Gebäude

An diesem Problem wird gerade gearbeitet: Das deutsche Goethe-Kolleg in der Hauptstadt verfügt ab Mitte September über ein zusätzliches Schulgebäude in der Christian-Tell-Straße. Die Direktorin erklärt die Rolle des zweiten Gebäudes, das sich in der Nähe des Hauptgebäudes in der Cihoschi-Straße befindet. Der Kindergarten mit der Vorschulklasse und die erste Klasse sind alle zusammen untergebracht. Die kleinen Schüler kommen alle morgens in die Schule. „Für sie ist der Morgenunterricht sehr wichtig und gesund. Wir sind eine der Schulen, die allgemein Morgenunterricht anbieten. Ich bin Absolventin dieser Schule und ich weiß nicht, ob man hier je in allen Klassen morgens in die Schule kam. Es ist tatsächlich zum ersten Mal, dass die allermeisten Klassen morgens zum Unterricht kommen, und das ist eine Leistung. Das ist nur deshalb zustande gekommen, weil wir das neue Gebäude haben“, erklärt die Direktorin. Dieses wurde vom Bukarester Bürgermeisteramt für drei Jahre gemietet. Danach soll ein neues Gebäude für das Goethe-Kolleg in der Cihoschi-Straße gebaut werden – zwei Sporthallen, eine Kantine und weitere 20 Klassenzimmer.

„Das Projekt ist sehr schön, aber dafür muss das Bürgermeisteramt die finanziellen Mittel haben“, meint Frau Popa vorsichtig. „Die Nachfrage für Deutsch ist extrem groß und das ist eine staatliche Schule. Wir wünschen uns in erster Linie Qualität. In einer deutschen Schule kann man keine Qualität mit einer solchen Quantität erzielen“, fügt sie hinzu. Entschieden wurde, dass mehreren Kindern die Möglichkeit geboten werden soll, hier zu lernen. Die Anzahl der Schüler in der Grundstufe ist schon größer als die Anzahl der Schüler im Sekundarzyklus. „Wir wissen nicht, was wir machen werden. Es gibt sechs fünfte Klassen. In der achten Klasse kann es sein, dass die Kinder einem Test unterzogen werden, damit ihre Zahl kleiner wird“, meint die Direktorin. Es gibt auch andere Schulen in Bukarest, wo in deutscher Sprache unterrichtet wird.

Die Schule investiert in ihre Lehrkräfte

Am Goethe-Kolleg unterrichten in Kindergarten, Vorschulklassen und Schulklassen zurzeit ungefähr 120 Lehrer und Erzieher. Für die Spezialabteilung ab der neunten Klasse, wo die Schüler das deutsche Abitur ablegen, gibt es ein Team, das aus fünf Lehrern besteht. Diese wurden aus Deutschland entsandt, damit sie die Schüler in den Hauptfächern betreuen: Geschichte, Deutsch und Mathematik. Ein anderer deutscher Muttersprachler bereitet die Schüler von den anderen Abteilungen für das Sprachdiplom vor.

Konfrontiert wird die deutsche Schule in der Hauptstadt mit einem anderen Problem, das überall im  staatlichen Schulwesen auftaucht: Der Mangel an Lehrern. Die jungen Leute steigen immer seltener ins Schulwesen ein. Das Goethe-Kolleg ist keine Ausnahme, dieser Aspekt wird hier sogar doppelt problematisch, da nicht nur gute Lehrer erwünscht sind, sondern auch welche, die gut Deutsch sprechen. „Es ist nicht einfach. Es gibt Lehrstühle, bei denen nur ein oder zwei deutschsprachige Lehrer geblieben sind“, erzählt die Direktorin. Damit sich diese Situation ändert, wurden schon Maßnahmen getroffen: Dabei geht es um ein langfristiges Projekt – eine Partnerschaft mit dem Goethe-Institut, durch die Stipendien angeboten werden. Die neuesten Lehrer am Goethe-Kolleg werden verpflichtet, Deutschkurse am Goethe-Institut zu besuchen. Drei Viertel der Kosten eines Moduls werden vom Institut und ein Viertel von der Schule übernommen. „Die Resultate kann man erst in drei Jahren sehen, wenn diese Lehrer ihr Fach in deutscher Sprache unterrichten können“, meint die Direktorin.

Es ist wesentlich, die Verbindung zu Deutsch als Muttersprache aufrechtzuerhalten, denn die meisten Kinder sprechen zu Hause nicht Deutsch. Die Zusammenarbeit mit der internationalen Organisation für Volontäre „Kulturweit“ trägt auch dazu bei: Die Praktikanten, die von verschiedenen deutschen Universitäten kommen, verbringen mehrere Monate mit den Schülern und nehmen an der didaktischen Tätigkeit teil. Sie unterrichten nicht, sondern organisieren Zirkel für verschiedene Klassen. „Wir haben Comenius-, Erasmus Plus-Partnerschaften und andere Austauschprogramme – zum Beispiel mit einem Gymnasium in Ulm seit sieben Jahren. Daran nehmen immer die Schüler der zehnten Klassen teil. Auch Schüler aus Deutschland kommen hierher als Gasthörer“, erklärt Frau Popa.

Transparenz. Korrektheit. Disziplin

Das Goethe-Kolleg ist die erste Bukarester Schule, wo ein elektronischer Katalog eingeführt wurde. Es war eine sehr große Investition. Schon seit drei Jahren funktioniert dieses System, das unter den Eltern sehr beliebt ist. „In jedem Klassenzimmer gibt es einen Computer, der nicht nur als elektronischer Katalog fungiert. Man hat Zugang zum Internet und kann beispiels-weise mit Powerpoint-Präsentationen arbeiten“, erläutert Frau Popa.

Die Eltern haben da-durch Zugang zu den Ergebnissen ihrer Kinder und können überprüfen, ob ihr Nachwuchs in der Schule anwesend ist. Die Noten können nicht verändert oder gelöscht werden. Übrigens können die Eltern direkt von den Lehrern Nachrichten bekommen. Die Schüler betrachteten ursprünglich den elektronischen Katalog als eine Form der Kontrolle. Inzwischen  sehen sie das mit anderen Augen: Das System zeigt ihnen die Klassenhierarchie und wie sie sich verändert. „Für die Schüler ist das wie ein Spiel. Heute sieht einer, dass er der Erste in der Klasse ist, morgen ist er der Dritte. Das motiviert sie. Das System funktioniert sehr gut in der Schule, ist aber nicht verpflichtend für die Eltern“, erklärt die Direktorin, die für mehr Transparenz und Disziplin eintritt.