Die unabgeschlossene Deportation

69 Jahre nach der Aushebung bleiben die Schrecken von einst unvergessen

ADA TEUTSCH, die man 17-jährig in den Donbass verschleppte, setzte sich nach der politischen Wende engagiert für die Anerkennung und Entschädigung der Russlanddeportierten im Kreis Kronstadt ein. In den von ihr sorgsam geführten Karteikästen ist das Schicksal der Russlanddeportierten aus Kronstadt und Umgebung hundertfach dokumentiert.

Hildegard Soroceanu-Eberlein (93) trug bei der Aushebung ihr Trauerkleid – und tauschte es, als sie das erste Ungeziefer darin entdeckte, sofort gegen Lebensmittel ein.

Ilse Horvath (93) reiste trotz ihrer schrecklichen Erfahrungen später als Touristin in die Sowjetunion. Noch heute schwärmt sie von den Kunstschätzen der Eremitage.

„Als man uns zum Bahnhof in Fogarasch führte, spielte die Kapelle auf, und wir wurden in Viehwaggons geladen“, erinnert sich Anna Haidenfelder (88).
Fotos: Anna Brixa

Im Oktober 2009 überschlugen sich die Stimmen der deutschen Radiosprecher und Fernsehmoderatoren – denn was sie bekannt gaben, war eine mittlere Sensation: Der Literaturnobelpreis werde, so hieß es, in diesem Jahr einer Autorin zugesprochen, die mit ihrem Werk „Landschaften der Heimatlosigkeit“ geschaffen habe. Und nur wenigen in Deutschland ein wirklicher Begriff war: Herta Müller. Fortan reisten Journalistenteams in ihren ehemaligen Heimatort nach Rumänien, berichteten über Müllers Leben während des Ceau{escu-Regimes, ihre Freundschaft zu Oskar Pastior und vor allem über den Inhalt ihres Romans „Atemschaukel“: die Deportation der Rumäniendeutschen in sowjetische Arbeitslager. Dieser Umstand war vielen Lesern bis dato ebenso unbekannt gewesen wie die zarte, wortgewaltig verwobene Prosa der einstigen Außenseiterin des Literaturbetriebs.

Auch in Rumänien selbst wurde das Leid der Russlanddeportierten jahrzehntelang nicht öffentlich thematisiert, sondern im Gegenteil tabuisiert und bestenfalls hinter vorgehaltener Hand angesprochen. Erst nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft kam es zunehmend zur Publikation von Zeitzeugenberichten, literarischen Werken und – mit der Öffnung der Archive – auch zu einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dieser Form von erzwungener Heimatlosigkeit. Neben der Aufarbeitung von Dokumenten und historischen Fakten besteht heute noch die große Chance, die letzten Zeitzeugen der damaligen Ereignisse nach ihren subjektiven Erinnerungen zu befragen, um diese für die kommenden Generationen zu bewahren und somit auch in einem positiven, konstruktiven Sinne unvergessen zu machen.

Im evangelischen Altenheim Blumenau in Kronstadt haben sich drei Bewohnerinnen bereit erklärt, über ihre Erlebnisse während der Russlanddeportation zu sprechen. Die Stenotypistin Ilse Horvath (93) und ihre Freundin Hilde Soroceanu-Eberlein (93), die bei der Schwarzen Kirche angestellt gewesen war, wurden als junge Frauen gemeinsam deportiert. Auch während der Schreckenszeiten im Lager Almasna hielten sie zusammen, bis Soroceanu-Eberlein wegen einer Armverletzung nach dreieinhalb Jahren vorzeitig entlassen wurde. Horvath blieb, ebenso wie meine dritte Gesprächspartnerin, die ehemalige Landwirtin Anna Haidenfelder (88), ganze fünf Jahre im heute zur Ukraine gehörenden Donbass-Gebiet. Im Interview berichten die drei Frauen von traumatischen, bisweilen auch kuriosen und sogar heiteren Erlebnissen – und davon, wie das erlittene Unrecht ihren Lebenslauf nachhaltig geprägt hat.
 

Was sind Ihre ersten Gedanken, wenn Sie heute an die Aushebung zurückdenken?

Soroceanu-Eberlein: Wir denken nicht mehr gerne daran.
Horvath: Die ersten Gedanken sind, dass man uns aufgeladen hat damals, und weggefahren. Erst wurden Listen gemacht, und man wusste nicht, wofür… dann, des Nachts, hat man uns aufgeweckt, wir sollen was zusammenpacken. Man hat uns aufgeladen auf Wagen und zur Sammelstelle gebracht. Ich weiß nicht mehr genau, wie viele Tage wir da waren…

Soroceanu-Eberlein: In der Sammelstelle waren wir nur eine Nacht!
Haidenfelder: Man hat uns nicht einmal gesagt, dass wir so lange wegfahren. Nur, dass man sich feste und warme Sachen anziehen und Lebensmittel einpacken soll, die sich halten – Speck und solche Sachen. Dann hat man  uns nach Fogarasch geführt, auf den Bahnhof… dort hat die Kapelle gespielt, und man hat uns in Viehwaggons hineingepfercht. Da haben wir gedacht: Das ist kein gutes Spiel. Man hat uns angelogen. Sie hatten ja gesagt, wir fahren nur zu einem Arbeitseinsatz.
Horvath: In große Waggons für 90 Personen wurden wir geladen… können Sie sich das vorstellen, dass jemand fünf Jahre unterwegs war, ohne jegliche hygienische Mittel, keine Zahncreme, keine Seife, nichts…?

Und wie stand es mit Post?

Horvath: Es gab … solche Postkarten… in fünf Jahren vielleicht einmal, zweimal.
Soroceanu-Eberlein: Unsere gingen nicht ab, und die, die kamen, wurden uns nicht ausgehändigt. Wir waren insgesamt 14 Tage unterwegs damals. Am 11. hat man ausgehoben, am 12. sind wir abgefahren und am 26. angekommen. In einem Pferdestall! Da war nichts vorbereitet. Dort haben wir geschlafen, mit dem Koffer am Kopf… manche auf der Erde… Das war die Sammelstelle in Lubowka. Von dort hat man uns weggeschafft nach Almasna.
Horvath: So haben wir also dort gelegen und einige Tage geschlafen, bis die Männer losgeschickt wurden zum Holz machen, um Pritschen zu bauen, damit wir im Trockenen liegen können.

Zu welchen Arbeiten wurden Sie eingeteilt?

Horvath: Im Schacht. Teilweise.
Soroceanu-Eberlein: Am Anfang haben wir nur Schnee geschaufelt. Es hat wahnsinnig viel geschneit…
Haidenfelder: Ich habe fünf Jahre im Minenbergwerk gearbeitet. Es war ein schweres Leben.

Hatten Sie auch Familienmitglieder oder Freunde im Lager?

Horvath: Bekannte aus Kronstadt. Aus einem Unternehmen waren ganze zehn Personen da.
Soroceanu-Eberlein: Wir haben uns dann dort miteinander angefreundet. Man hatte ja nichts. Es kam eine Zeit, da gaben sie uns so dicke wattierte Kleider mit großen Galoschen, da mussten wir Fetzen drum wickeln, damit wir sie anziehen konnten…
Haidenfelder: Und wir hatten uns Decken mitgebracht, jeder eine Decke, damit wir was zum Schlafen haben.
Horvath: Ich hab´ nur zehn Minuten Zeit gehabt, um einen Rucksack zusammenzupacken. Da hab´ ich gar nichts mitgenommen.
Soroceanu-Eberlein: Die waren ja in der Nacht gekommen mit dem Gewehr, als ob wir Verbrecher wären. Ich konnte noch in den Keller gehen, um mir ein, zwei Marmeladen einpacken…und die Soldaten haben mich dann in die Mitte genommen, damit ich nicht durchbrenne.

Als die Listen gemacht wurden, gab es aber doch schon Gerüchte?

Soroceanu-Eberlein: Man hatte es schon gehört, das hat aber niemand geglaubt. Manche haben sich auch versteckt…
Horvath: Aber wir waren ja blöd! Wir haben uns auch nicht getraut, durchzubrennen. An einer Station stand der Zug stundenlang mit offenen Türen… wir haben gedacht: Wozu abhauen? Kommen wir nach Hause, heben sie uns wieder aus. Hier waren wir wenigstens unter Bekannten.
Haidenfelder: Wenn wir damals aus dem Schacht gekommen sind, haben wir immer gesungen: „Wo sind die schönen jungen Tage geblieben? In Russland, im Bergwerk…“
Soroceanu-Eberlein: Wir haben nicht gesungen.

Und gab es auch ein bisschen Freizeit?

Horvath: Na, wir haben doch jeden Samstagabend getanzt!
Soroceanu-Eberlein: Wir haben sogar Instrumente bekommen, die Russen haben sie uns beschafft… aber später erst, das war schon nach zwei, drei Jahren. Als wir uns gewöhnt hatten an die ganze Sache. Die jedenfalls, die jung waren und Lust hatten, zu leben… wir hatten ein Akkordeon… die Russen haben dann am Gitterzaun gestanden und zugehört…

Wie war der Kontakt zu den sowjetischen Bürgern?

Soroceanu-Eberlein: Verschieden. Die Jugend war nicht gut zu sprechen auf uns. Einmal hat mich ein junger Mann angespuckt… die älteren Männer, die im Krieg waren, waren freundlicher. Die haben verstanden, was das heißt. Wir waren ja verzweifelt.
Haidenfelder: Bei uns auf dem Transport waren kranke Mädchen. Die sind dann auch gestorben.
Soroceanu-Eberlein: Bei uns hat sich ein Herr aufgehängt. Der wollte nicht in Russland bleiben… er dachte, er weiß, was auf uns zukommt.
Horvath: Ich mein´, man kann sich das nicht vorstellen.
Soroceanu-Eberlein: Wir hatten ja keine Kraft, waren nicht an eine solche Arbeit gewöhnt. Dann haben wir etwas umgekippt, und die Russen haben geschimpft, weil wir so schwach waren… manchmal durfte man, wenn man nicht mehr konnte, im Lager bleiben und da waschen. Das war nicht so anstrengend, bei der großen Kälte.

Haben Sie auch Russisch gelernt?

Soroceanu-Eberlein: Wir haben einzelne Worte gesprochen, aber heute habe ich alles vergessen. Nur einzelne weiß ich noch. Dawai, dawai…
Horvath: Ukrainisch, auch russisch…
Haidenfelder: Und dann haben die Russinnen auch noch über uns gespottet. Der Krieg war ja noch nicht aus…
Soroceanu-Eberlein: Das war politisch.
 
Welche Situationen sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Haidenfelder: Wir sind einmal durch ein großes Schlachtfeld gegangen. Und dort gingen noch Minen hoch… wie viele von uns sind damals in die Luft geflogen…
Soroceanu-Eberlein: Am Anfang in Almasna, kann ich mich jetzt erinnern, sind wir wie die Tiere im Kreis gelaufen. Um Steine aus dem Schacht herauszuziehen, immer mit vier Personen.
Horvath: Und wir durften uns unser Essen selbst bezahlen.
Soroceanu-Eberlein: Aber erst nach zwei, drei Jahren haben wir Geld dafür bekommen. Und die Kleider mussten wir auch bezahlen, das wurde verrechnet…
Horvath (lacht): Die haben wir Hundert Mal bezahlt! Und Brot haben wir noch bekommen für die Arbeit. Ein Kilo.
Soroceanu-Eberlein: Aber das war so wenig… denn es war ja so schwer! Es hieß immer „Antreten zum Brot“… und die Suppe haben wir auch einmal am Tag bekommen. Ob das Nacht war oder Mittag, das war egal. Aus einer abgeschabten Badewanne wurde die geschöpft. Später hat man eine Stolowaja gemacht, eine Kantine… aber der Anfang war sehr schlimm.
 
Sie sagen, Sie denken nicht so gerne daran… wie oft denken Sie denn noch an die Jahre der Deportation?

Soroceanu-Eberlein: Überhaupt nicht.
Haidenfelder: Bei uns haben die Zigeuner uns hinterhergerufen: „Gut, dass ihr weggeht! Ihr sollt dort bleiben, wohin ihr fahrt!“
Soroceanu-Eberlein: Bei uns hat man nichts gerufen. Es war Nacht, als man uns aus den Betten holte.
Haidenfelder: Bei uns gab es viele, die sich versteckt haben. Aber dann haben sie die Eltern genommen! Und da sind sie doch herausgekommen… in vielen Orten haben sie gleich alle auf einmal mitgenommen, weil die Zahl stimmen musste.
Soroceanu-Eberlein: Sie haben Leute genommen mit deutschen Namen, die konnten kein Wort Deutsch! Zwei Männer wollten durchbrennen, die mussten in den Karzer… eine Woche oder zwei, im Dunkeln, hat man sie eingesperrt… das ist nicht schön, davon zu erzählen. Man schreibt ja viel über diese Sachen, immer wieder neue Artikel… wir sind ja nur noch so wenige. Am Anfang hatten wir immer eine Zusammenkunft von Russlanddeportierten.

Aber ist es nicht auch wichtig, davon zu erzählen, darüber zu schreiben – und damit auch Ihre Geschichte zu bewahren?

Soroceanu-Eberlein: Ja… aber die Jungen, die jetzt geboren werden, die glauben einem das ja nicht mehr. Das, was geschehen ist.
Haidenfelder: Beim Transport zurück haben sie uns gefragt: Willst du nach Hause oder nach Deutschland? Und dann sind später so viele nach Deutschland gegangen. Ganze Familien sind ausgewandert…

Waren Sie später noch einmal in der Sowjetunion?

Horvath: Ich war noch zwei Mal in Moskau. Und in Leningrad… in Riga… in Kiew… über eine rumänische Reisegesellschaft, mit meinem Mann damals. Aber es war wirklich schön! Es gab viel zu sehen! Das war viele Jahre nach dem Krieg. 1970 und ´72. Zum Beispiel die Eremitage ist ja etwas Unbeschreibliches! Da brauchte man tagelang, um einmal durchzulaufen.
Soroceanu-Eberlein: Ich bin lieber nach Deutschland gefahren. Ich hatte keine Sehnsucht nach Russland!

Haben Sie manchmal auch ein Gefühl der Wut? Auf die Russen – oder auch auf den rumänischen Staat, der die Listen für die Aushebung angefertigt hat?

Soroceanu-Eberlein: Das russische Volk war sehr anständig. Die alten Leute haben uns etwas zu essen gebracht, auch wenn sie selbst nichts hatten. Eine Tomate, oder ein Stückchen Brot… denn ihre Kinder waren ja von den Deutschen verschleppt worden. Eine Russin kam jeden Tag zu mir, als ich mit gebrochenem Arm im Spital lag, und hat mir Essen gebracht. Ich habe ihr meine Ohrringe dagelassen. Sie hat gesagt, sie hat ihre Tochter in Deutschland, und wenn die nach Hause kommt, dann will sie ihr ein Geschenk machen. Sie hat mir Zwiebeln und Milch gebracht, und so habe ich dort überlebt.
Horvath: Als sie 1947 den Rubel eingewechselt haben gegen neues Geld, haben wir uns ein ganzes Brot gekauft! Und gesagt: Einmal satt essen! Noch heute freut man sich über jedes Stück Brot.
Soroceanu-Eberlein: Ich kann heute keinen Gerstenbrei mehr sehen. Den haben wir dort bekommen. Als ich Geburtstag hatte, habe ich eine Woche lang immer ein Löffelchen aufgehoben, damit ich mich einmal sattessen konnte. Das habe ich dann alles auf einmal gegessen und gleich wieder erbrochen. Das war dann mein Geburtstagsessen (sie lacht).

Konnten Sie sich manchmal eine Extra-Mahlzeit organisieren?

Horvath: Wir haben die ganzen Sachen, die wir mithatten, verkauft, weil wir nichts zu essen hatten.
Soroceanu-Eberlein: Ich habe damals mein schwarzes Trauerkleid getragen, denn meine Mutter war zehn Tage vor der Aushebung gestorben. Als ich die erste Laus fand im Kleid, habe ich es gleich verkauft! Wenn wir ins Lager gingen, kamen wir am Basar vorbei und konnten dort verhandeln. Aber immer mit dem Gewehr im Rücken… und dann sind wir noch in die Felder gelaufen und haben Maiskolben gestohlen.
Haidenfelder: Wir sind auch stehlen gegangen. Wir haben uns auf den Feldern Mais genommen, und die Männer haben Katzen eingefangen, im Hof ein Feuer gemacht und sie dort gebraten.
Horvath: Auch Hunde wurden gegessen.
Soroceanu-Eberlein: Wir haben im Lager darum gebettelt, sie sollen uns doch um Gotteswillen ein Hendl überlassen! Wir wussten ja nicht einmal mehr, wie so ein Hendl schmeckt…

Haben Sie einmal darüber nachgedacht, zu fliehen?

Haidenfelder: Bei uns haben drei Männer versucht, aus dem Lager wegzulaufen. Und da haben sie uns alle – wir waren ein großes Lager – aufgestellt. Wir sollten sehen, wie es denen ergeht, die versuchen, über die Grenze zu gehen. Dann hat man sie direkt vor uns erschossen. Wir hatten so einen schlechten „Kapitan“, einen Russen, der war so ein grober Mensch… es war ein schlechtes Leben.
Soroceanu-Eberlein: Die schönste Zeit war, als wir mit deutschen Kriegsgefangenen zusammenkamen. Da haben wir im Kreis gesessen, Sonnenblumenkerne ausgeklopft und gesungen… die haben sich auch gefreut, dass sie einmal deutsche Mädel sehen…
Horvath: Es hat aber damals auch komische Leute gegeben. Die Tochter unserer Nachbarin war in Russland. Die hat sich dort mit einem Mann verbandelt und kam hochschwanger nach Hause. Ihre Mutter hat ihr die Tür nicht aufgemacht! „Das ist nicht meine Tochter.“ Anstatt dass sie sich freut, dass sie überhaupt wieder nach Hause gekommen ist…
Soroceanu-Eberlein: Mein Nachbar ist einfach mit seiner Tochter mitgegangen ins Lager. Damit sie nicht alleine ist, und er sieht, was mit ihr passiert… ja, es waren verschiedene Schicksale. Aber wir haben dann doch noch 60 Jahre lang gelebt!
Horvath: Und heute müssen wir ein Dankeschön sagen, dass wir dieses Geld zum Leben haben.

Sind Sie im Rückblick trotz der schlimmen Jahre zufrieden mit Ihrem Leben?

Soroceanu-Eberlein: Nein, denn wir hatten ein miserables Leben. Die ganze kommunistische Zeit war ja eine Schweinerei.
Horvath: Wir haben viel mitgemacht, auch die Bombardierungen, alles… Erdbeben… alles haben wir mitgemacht.
Soroceanu-Eberlein: Und dann diese ganze Zeit, als die Kommunisten gewirtschaftet haben… man konnte nicht vorwärtskommen. Jetzt sind diejenigen glücklich, die nach Deutschland ausgewandert sind, die ganze Familie… dort geht es ihnen gut…
Haidenfelder: Teilweise sehnen sie sich zurück.
Soroceanu-Eberlein: Ja gut, die Sehnsucht bleibt. Die Sehnsucht bleibt immer. Als sich die Deutschen damals zurückgezogen haben, haben sie gerufen: „Kommt, Mädels, aufs Auto!“ Aber nein, wir mussten ja bei den Eltern bleiben. Und dann kamen die Russen und haben uns weggeschleppt.
Horvath: Ich war ja auch schon am Auto, ich sollte mitfahren! Da habe ich gesagt, ich kann doch meine Mutter nicht alleine lassen…
Haidenfelder: Der Krieg hat viele Menschenleben gekostet. Ich glaube, jede Familie hat jemanden verloren. Wir waren fünf Geschwister: Zwei Brüder sind im rumänischen Militär gefallen, einer bei Odessa und einer bei Stalingrad. Meine Schwester war in Hermannstadt, die hat man von dort weggeholt, und mich von zu Hause. Meine Mutter ist sehr früh gestorben, unsere Großmutter hat uns aufgezogen – und die hat immer darauf gewartet, dass wir zurückkommen aus Russland. Es sind damals auch viele Kinder ohne Eltern zurückgeblieben, die hat man irgendwie aufgeteilt auf die Verwandtschaft…
Soroceanu-Eberlein: Sie wollten das Deutschtum kaputt machen. Aber das haben sie nicht geschafft.