„Die Unterstützung der Anliegen unserer Landsleute in Rumänien steht ganz oben auf meiner Agenda“

ADZ-Gespräch mit Dr. Bernd Fabritius, Mitglied des Deutschen Bundestages und Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland

Bisher war er Jurist, Honorarprofessor und in den letzten Jahren vor allem Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland sowie Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen – nun hat Dr. Bernd Fabritius (48) ein neues, weit mehr im Zeichen der Politik stehendes Kapitel seines Lebens aufgeschlagen, nämlich als Abgeordneter. Gemeinsam mit weiteren 630 Parlamentariern zog der gebürtige Agnethler am 22. Oktober im 18. Deutschen Bundestag ein; Forumsvertreter, Landsmannschaften und auch die rumänische Presse feierten seinen Wahlerfolg als kleine Sensation, da es mit ihm immerhin erstmals ein Aussiedler aus Rumänien in den Bundestag schaffte. Mit dem frischgebackenen MdB sprach ADZ-Redakteurin Lilo Millitz-Stoica über seine Prioritäten.


Eingangs herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Einzug in den Deutschen Bundestag. Wie schwierig ist eigentlich ein Wahlkampf, in dem man sowohl die eigenen Landsleute aus Siebenbürgen als auch die gebürtigen Bundesbürger ansprechen will und muss? Schließlich decken sich die Interessen der Wählergruppen ja nicht in allen Punkten zu hundert Prozent ...

Es gibt da keine wesentlichen Unterschiede. Sowohl meine Landsleute aus Siebenbürgen als auch die gebürtigen Bundesbürger, für die ich angetreten bin, sind einer modernen und gleichzeitig werteorientierten sowie auf guten Traditionen beruhenden Gestaltung unserer Gemeinschaft gegenüber aufgeschlossen. Eine 100-prozentige Deckungsgleichheit ist bei uns nicht erforderlich. Wir haben in unserer bald hundertjährigen Geschichte ausreichend oft Konsensfähigkeit unter Beweis gestellt.

Sie kandidierten seitens der Union der Vetriebenen und Aussiedler (UdV) auf den Wahllisten der CSU, die sich bekanntlich für Härte gegen die sogenannten Armutseinwanderer aus Rumänien und Bulgarien einsetzt. Inwiefern setzt diese Parteipolitik für Sie einen Spagat voraus, um Pauschalisierungen über „Bettelrumänen“ und „Sozialschmarotzer“ entgegentreten zu können?

Gar nicht. Sowohl die CSU als auch – und im Besonderen – die UdV sind gegen und nicht für Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen. Ich sehe auch keine Härte gegen die Personen, die unverschuldet nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, wenn man auf Einhaltung gültiger Regeln besteht. Hier ist Rumänien gefordert, die anstehenden sozialen Probleme im Lande zu lösen.

Gegenüber der rumänischen Presse erklärten Sie, im Deutschen Bundestag sowohl ein „Sprachrohr“ der Siebenbürger Sachsen als auch der rumänischen Diaspora sein zu wollen. Inwiefern sind Anliegen und Probleme der beiden Segmente die gleichen und wo gehen sie auseinander?

Es gibt ähnliche und unterschiedliche Anliegen. Unterschiede beruhen in erster Linie auf den grundsätzlich verschiedenen Ausgangssituationen. Wir sind als Deutsche aus Rumänen in der glücklichen Lage, nicht in einen fremden Kulturkreis gekommen zu sein. Zugewanderte Rumänen müssen oft noch Sprachdefizite und manchmal auch Mentalitätsunterschiede überwinden. Auch ergeben sich aus diesen unterschiedlichen Ausgangsgrundlagen unterschiedliche Rahmenbedingungen. Für uns Deutsche aus Rumänien gibt es aus der Natur der Sache heraus spezielles Eingliederungsrecht, das sich z. B. bei der Zeugnisanerkennung, bei der sozialen und kulturellen Integration auswirkt. Einzelheiten sind im Bundesvertriebenenrecht geregelt. Für zugewanderte Rumänen gelten hingegen die Regeln des Europarechtes und des allgemeinen Ausländerrechtes. Auf einzelne Aspekte einzugehen, würde der Rahmen eines Interviews sprengen.

In welchen Punkten und Themenbereichen werden Sie sich grenzüberschreitend einbringen können?

Die Unterstützung der Anliegen unserer Landsleute in Rumänien steht ganz oben auf meiner Agenda. Dazu zählt etwa die Fortführung der mit viel Aufwand und ausgezeichnetem Erfolg geschaffenen Sozialstrukturen, etwa die Altenheime für unsere betagten Landsleute, eine Sicherung des muttersprachlichen Unterrichtes in deutscher Sprache als wesentlichen Teil unserer kulturellen Identität oder eine gute grenzüberschreitende Jugendarbeit. Ich möchte in enger Abstimmung mit dem DFDR und unserer Heimatkirche immer dann tätig werden, wenn dieses im Konsens für notwendig erachtet wird.

Gleichzeitig bemühe ich mich um eine Verstärkung der interparlamentarischen Beziehungen. Ich denke, dass Austausch auf einer solchen Plattform zu gegenseitigem Verständnis führen und auch so manches Missverständnis auf beiden Seiten klären kann.

Das Parlament in Bukarest hat im Sommer bekanntlich ein recht umstrittenes Entschädigungsrecht verabschiedet, Sie selbst sind als Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen seither bemüht, die gröbsten Mankos des Gesetzes 211/2013 mittels der anstehenden Anwendungsverordnungen auszuräumen und die Regelungen zudem möglichst zu vereinfachen. Welches ist der aktuelle Stand der Dinge – was wurde erreicht, wo gilt es noch nachzuhaken?

Das im Sommer verabschiedete Gesetz 211/2013 soll lediglich die Einbeziehung der im Ausland lebenden Opfer von Deportation und anderem politischem Unrecht, die mit der Auswanderung auch die rumänische Staatsangehörigkeit verloren hatten, in das schon seit 1990 bestehende Entschädigungsrecht (Dekret 118/1990) herbeiführen. So war dieses Gesetz gedacht. Das Gesetz ist kurz und knapp und aus meiner Sicht fehlerfrei. Mit unerklärlichen und unhaltbaren Argumenten hat die untergeordnete Verwaltungsebene immer neue und im Gesetz gerade nicht vorgesehene Hürden aufgebaut. So wurde von einigen Kreisbehörden erwartet, dass Betroffene zur Antragstellung persönlich nach Rumänien reisen müssten, andere haben nach 23 Jahren anderer Anwendungspraxis plötzlich gemeint, die Verschleppung nach Russland zur Zwangsarbeit sei kein Entschädigungstatbestand laut Gesetz 118/1990. Nach zwei Gesprächen mit den zuständigen nationalen Behörden und einem Gespräch mit dem Premierminister scheint hier nun Klarheit geschaffen zu sein, dass derartige Fehlauslegungen zu unterbleiben haben.

Wie verlaufen denn, ungeschönt, die Verhandlungen mit den rumänischen Behörden?

Leider meist zäh, wobei ernsthafte Bemühungen zur Lösung aufgezeigter Probleme durchaus festzustellen sind. Problematisch bleibt, dass es den in sehr vorgerücktem Alter befindlichen Betroffenen nicht zugemutet werden kann, weitere Monate auf die Anwendung des bereits vor Monaten verabschiedeten Gesetzes zu warten. Dieses habe ich in allen Gesprächen mit Nachdruck betont.

Wie werten Sie als Kenner Rumäniens die aktuelle Entwicklung des Landes – sehen Sie Rückschritte, Fortschritte oder einen Stillstand?

Ich sehe in einigen Punkten Fortschritte, in anderen Stillstand. Wenn ich als Beispiel die uns betreffende Restitutionspolitik nennen würde, dann ist es ein Fortschritt, in dem neuen Restitutionsrecht die Priorität der Naturalrestitution und nur wenn diese nicht möglich sein soll, eine Entschädigung nach Marktwert festzulegen. Ich sehe aber auch Stillstand, wenn ich beispielsweise die um Jahre aufgeschobene Umsetzung sehe. Ich fände es wichtig, dass die betroffenen Personen eine Restitution noch selbst erleben und nicht nur deren Erben.

Sie haben gegenüber der rumänischen Presse wiederholt auf das leider prekäre Image des Landes im Westen hingewiesen. Welche Mankos erachten Sie als besonders gravierend und wo sehen Sie Nachholbedarf seitens der Behörden in Bukarest?

Hier sehe ich zuerst ein Problem medialer Berichterstattung. Das Image Rumäniens wird von einer auf Polarisierung und Effekt konzentrierten Berichterstattung geprägt. Die Verallgemeinerung von Auswüchsen hatten Sie selbst schon angesprochen. Hier wäre es wünschenswert, wenn die Medien etwas realistischer berichten und positive Nachrichten nicht systematisch ausklammern würden.

Rumänische Behörden könnten mehr Vertrauen in das System vermitteln, wenn diese bei der ihnen obliegenden Rechtsanwendung vorhersehbarer und stringenter vorgehen würden. Wichtig ist auch die Einhaltung aller demokratischen Spielregeln zwischen den obersten Staatsorganen. Da gab es in den letzten Jahren einige Missverständnisse, die meines Wissens ausgeräumt werden konnten. Zukünftig gilt es, derartige Verunsicherungen politischer Partner besser zu vermeiden.

Die Regierung unter Ministerpräsident Ponta setzt fast ausschließlich auf sozialstaatliche Maßnahmen und kaum auf welche zur Stützung oder gar Förderung der Wirtschaft. Ist der Standort Rumänien daher für deutsche Investoren noch attraktiv?

Um Ihre Feststellung kommentieren zu können, fehlt mir noch der Einblick in jede Einzelheit der politischen Verhältnisse in Rumänien. Allgemein betrachtet, sehe ich den Standort Rumänien auch für deutsche Investoren nach wie vor als attraktiv an. Das schließe ich aus den Erfolgen, die dort tätige Investoren regelmäßig aufweisen können.

Wie ist es Ihrer Meinung nach derzeit um Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung in Rumänien bestellt? Noch vor wenigen Monaten hat EU-Energiekommissar Oettinger das Land ja immerhin als „Sanierungsfall“ und, zusammen mit Bulgarien und Italien, als „kaum regierbar“ erachtet …

Diese Meinungen teile ich nicht. Bestehende Bedenken gegen eine Rechtsstaatlichkeit, die besonders einigen Konflikten im Jahre 2012 zugeschrieben worden sind, sehe ich ausgeräumt. Bezüglich der Korruptionsbekämpfung bin ich auf die öffentliche Berichterstattung angewiesen. Dieser sind einige relevanten Verurteilungen zu entnehmen. Jedenfalls ist es eine Aufgabe, die im ständigen Augenmerk der Regierung bleiben muss.

Wie bewerten Sie die Minderheitenpolitik des rumänischen Staates im Allgemeinen und gegenüber der deutschen Minderheit im Besonderen? Alles „paletti“ oder in einzelnen Punkten durchaus noch optimierbar?

Meiner Wahrnehmung nach ist die Minderheitenpolitik Rumäniens im Vergleich mit anderen Nachbarländern sehr gut. Den Minderheiten wird eine Beteiligung an der Regierung eingeräumt, sie haben die Möglichkeit, unter erleichterten Bedingungen im Parlament vertreten zu sein und werden auch finanziell gefördert. Das übertrifft europäisches Mittelmaß.

Die konstituierende Sitzung des Bundestags fand am 22. Oktober statt, Sie sind nunmehr für vier Jahre Abgeordneter des Deutschen Bundestags. Welches sind Ihre persönlichen Kriterien und „benchmarks“, um nach vier Jahren die eigene Amtszeit als erfolgreich einstufen zu können?

Ich hoffe, viel von den vorher genannten Anliegen und Zielen umsetzen zu können. Sollte mir dieses gelingen, würde ich das als Erfolg betrachten.

Besten Dank für Ihre Ausführungen.