„Die Zukunft baut jeder Mensch auf“

Michael Schmidt engagiert sich für die deutsche Minderheit

Michael Schmidt

Sachsentreffen in Dinkelsbühl: Die Verbindung zur alten Heimat war immer sehr stark und hat vor allem für die in Rumänien geborene Generation kaum an Intensität verloren, erklärt Michael Schmidt.

Anita Hartig, Liana Iunesch, Antonia Binder, Eginald Schlattner, Michael Schmidt, Werner Braun, Klaus Birthler, Daniel Zikeli, Paul Binder und Konrad Gündisch: Das sind die zehn Persönlichkeiten, die die Kampagne „Deutsche Minderheit. 10 Schicksale in 100 Jahren modernes Rumänien“ vorstellt.

Hochkarätige Teilnehmer sind auf der Kulturwoche Haferland immer anwesend, zum Beispiel Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und DFDR-Abgeordneter Ovidiu Ganț, hier im Hof der evangelischen Kirche in Deutschkreuz. Fotos: MSS (2), die Verfasserin (2)

„Ich glaube, dass ich einer der Ersten war, die nach Rumänien zurückkamen. 1990 haben alle mich für verrückt erklärt, weil ich Deutschland verlassen habe und nach Rumänien kam, wo die meisten weg wollten. Ich habe damals das Dorf ignoriert, ich wollte es in Erinnerung halten, so wie es 1981 war, als ich auswanderte,“ sagt Michael Schmidt im Rahmen der Kampagne „Deutsche Minderheit. 10 Schicksale in 100 Jahren modernes Rumänien“. „Der größte Erfolg wäre, wenn von diesen 3 Millionen Menschen, die ausgewandert sind, Leute zurückkommen würden. Das, was sie im Ausland gelernt haben, wäre ein unmessbarer Wert für dieses Land“, fährt er fort. 

Das Projekt wurde Ende letztes Jahres gestartet und beinhaltet zehn Kurzfilme, die je eine rumäniendeutsche Persönlichkeit porträtieren, darunter bekannte Namen wie Dr. Daniel Zikeli, Eginald Schlattner und Konrad Gündisch. Jede Person nannte dann weitere neun Angehörige der deutschen Minderheit aus verschiedenen Bereichen, wie Literatur, Wirtschaft oder solche, die sich für ein idealistisches Ziel einsetzen. Zweck der Kampagne ist, die Rolle der deutschen Minderheit bei der Entwicklung eines modernen Rumänien hervorzuheben. Die Kurzfilme können unter dem Link www.fundatia-michael-schmidt.org/100deetnicigermani abgerufen werden.
Die Kampagne stellt das neueste Projekt der Michael Schmidt Stiftung (MSS) dar, deren Gründer der Inhaber von Automobile Bavaria Group, Michael Schmidt, ist.

Der gebürtige Deutsch-Kreuzer ist 1981 mit seiner Familie nach Deutschland ausgewandert. Er hat an der Technischen Universität in München studiert, wo er sich auch im Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. engagiert hat. Den Schritt zurück nach Rumänien machte er nach seinem Studium. 1994 hat er hier Automobile Bavaria Group gegründet. Die MSS hat er vor acht Jahren ins Leben gerufen, als er 50 Jahre alt wurde.

„Ich glaube, es ist für jedes Volk wichtig, dass es seine eigene Geschichte kennt, denn das hilft, uns zu verstehen, wer wir sind und woher wir kommen. Gleichzeitig ist es wichtig, nicht die ganze Zeit in den Rückspiegel zu sehen, sondern aus der Vergangenheit zu lernen, indem wir in der Gegenwart leben und die Zukunft aufbauen. Deshalb ist die Aufbewahrung des Kulturerbes wesentlich, damit die zukünftigen Generationen die Vergangenheit und ihre eigene Identität kennen“, so Schmidt.

Die Geschichte einer Stiftung

Zwei Jahre später startet Schmidt ein neues Projekt mit dem Sänger Peter Maffay: Die Kulturwoche Haferland findet in verschiedenen Ortschaften des sogenannten Haferlandes in Siebenbürgen statt und möchte Besucher für eine Region sensibilisieren, wo die Vergangenheit hat tiefe Spuren hinterlassen hat. „Es gab viele Herausforderungen, die die Siebenbürger Sachsen im Laufe der Zeit durchgemacht haben, von harten Verfolgungen, Beschlagnahme der Grundstücke und Eigentümer, dem Verlust des Stimmrechts und vieles andere. Nun würden manche zurück nach Rumänien kehren, aber zu wem? Durch die Auswanderung nach Deutschland haben sich viele Gemeinschaften gelöst und einige Traditionen sind verschwunden“, sagt Schmidt.

Die Stiftung erzielt nicht nur die Aufrechterhaltung des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes durch kulturelle Projekte und Restaurierungen, sondern unterstützt auch Initiativen, die das Bildungswesen in deutscher Sprache fördern und setzt sich für die deutsch-rumänische Zusammenarbeit ein. Zu den Aufgaben der NGO zählen auch die Unterstützung der lokalen Gemeinschaften und die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden und Stiftungen.

Zum Beirat der Stiftung gehört u.a. Dr. Bernd Fabritius, ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages und Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Er hält soziales Engagement von Leistungsträgern der Wirtschaft für wichtig und hat aus diesem Grund die Einladung angenommen, im Beirat der Stiftung aktiv zu sein. Die Ziele der Stiftung, sich für den Erhalt von siebenbürgisch-sächsischem Kulturerbe und Bildungsarbeit einzusetzen, seien auch seine eigenen, steht auf der Webseite der MSS.

Einem MSS-Jahresbericht zufolge wurden allein 2016 ungefähr 300.000 Euro in Projekte investiert, wobei sich der größte Teil der Aktivität auf Restaurierungsprojekte konzentriert. „Es wird versucht, Probleme zu lösen, indem man sich auf die Gegenwart und auf die Zukunft konzentriert, durch die Aufrechterhaltung dessen, was geblieben ist aus dem materiellen und immateriellen Kulturerbe, der Siebenbürger Burgen und Wehrkirchen, der noch vorhandenen Traditionen, und die Bewahrung des Unterrichts auf Deutsch als Muttersprache. Außerdem gibt es ein Anliegen in der Gemeinschaft sowohl in Deutschland als auch in Rumänien bezüglich des Weitergebens dieser Werte an neue und zukünftige Generationen“, erklärt Michael Schmidt die heutige Situation der Gemeinschaft. „Die Gemeinschaft in Rumänien ist – auch wenn sie sehr aktiv ist – der machtlose Augenzeuge der Verringerung ihrer Mitglieder. Das beeinflusst alle Bereiche, wo die Gemeinschaft einen wichtigen Beitrag hatte - das Schulwesen, den Kultur- und kirchlichen Bereich“, meint er. Studenten des Lehrgangs Pädagogik der Primär- und Sekundarschulbildung an der Lucian Blaga-Universität Hermannstadt/Sibiu sowie Studenten des Instituts für Evangelische Theologie in deutscher Sprache haben Stipendien von der MSS erhalten. Die Organisation hat unter anderem auch dem Kindergarten des deutschen Forums in Hermannstadt und dem Deutschen Goethe-Kolleg Bukarest Unterrichtsmaterialien gespendet.

Die Brückenfunktion

Ein weiteres Ziel der Stiftung ist es, die deutsch-rumänische Zusammenarbeit zu fördern, wie in einem Jahresbericht der Organisation bekannt gegeben wird. Die Brückenfunktion der Rumäniendeutschen ist ein Konzept, das immer wieder auftaucht. Was man sich darunter konkret vorstellen soll? „Das kann man als Symbol der Gemeinschaft betrachten, durch die man versucht, nicht nur Verständnis und Zusammenarbeit nicht nur zwischen den Sachsen aus der ganzen Welt, sondern auch zwischen den Institutionen aus Rumänien und Deutschland zu schaffen. Die Siebenbürger Sachsen tragen durch ihre Erfahrung in Rumänien in großem Maße zur Entwicklung von deutsch-rumänischen Partnerschaften, Beziehungen und Projekten und dadurch zu einem gemeinsamen Wechselspiel über die Grenzen hinaus bei“, sagt Michael Schmidt.

Eine neue Initiative

Vor zwei Jahren wurde das rumänisch-deutsche Forum für bilaterale Zusammenarbeit auf die Beine gestellt, um einen ständigen Dialog mit staatlichen und privaten Einrichtungen in den beiden Ländern zu schaffen. Gründungsmitglieder sind Prof. Dr. Andrei Pleșu, ehemaliger Kulturminister und ehemaliger Außenminister sowie Gründer des Instituts New Europe College, Cord Meier-Klodt, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, und Michael Schmidt. Das Forum hat sich zahlreiche Ziele gesetzt, darunter die Förderung des kulturellen, sozialen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Austauschs zwischen den beiden Ländern, die Förderung der Integration rumänischer und deutscher Bürger in die europäische Gesellschaft und die Förderung der kulturellen Identität der in Deutschland lebenden rumänischen Bürger und der in Rumänien lebenden deutschen Bürger. „Die deutsche Minderheit hat schon seit den ersten Jahrhunderten ihrer Niederlassung in Rumänien die Entwicklung der rumänischen Gesellschaft vorangetrieben. Vom Bildungswesen bis zur Entwicklung der Ortschaften, der besondere Beitrag der deutschen Minderheit brachte eine dynamische Entwicklung auf allen Ebenen und hat wesentliche Spuren in einem wichtigen Teil des Landes hinterlassen. Heute ist die deutsche Minderheit einer der aktivsten Botschafter im Kontext der bilateralen Beziehungen im Kultur- , Sozial- und Bildungsbereich – durch die Durchführung von gemeinsamen Projekten, Förderaktionen und akademische Austausche“, so Schmidt.

Der 58-Jährige wurde für sein erfolgreiches und unermüdliches Engagement zugunsten der deutsch-rumänischen Beziehungen und für den tatkräftig geförderten Erhalt des Kulturerbes der Siebenbürger Sachsen und auch des deutschsprachigen Bildungswesens in Rumänien geehrt: Vor drei Jahren wurde er mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. „Die Zukunft baut jeder Mensch auf. In Deutschland sind Sachsen, die zurückhaltend sind in Bezug auf die Zukunft der sächsischen Kultur und die glauben, dass die Traditionen nicht mehr existieren werden, wenn sie nicht mehr da sind. Wir sind verantwortlich für die Bewahrung und das Weitergeben der Kultur an die zukünftigen Generationen und wollen diese weiter bewahren“, sagt Schmidt.


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Dieser Artikel ist im Rahmen des Programms Europäische Journalisten-Fellowships der Freien Universität Berlin entstanden.