„Diese schöne, einfache deutsche Ordnung hat mich immer beeindruckt“

ADZ-Gespräch mit Elisabeth Ochsenfeld, bildende Künstlerin aus Temeswar

Elisabeth Ochsenfeld in ihrem „Arthouse“.

„My Home Was My Castle“. Aufnahme während der Veranstaltung.
Fotos: Zoltan Bereczki

Elisabeth Ochsenfelds „Arthouse“ in Wolfsberg beherbergte Anfang Juli das internationale Symposium der bildenden Künste „My Home Was My Castle“. Die während der Woche entstandenen Kunstwerke wurden am Wochenende, von Jazz- und Renaissancemusik begleitet, dem Publikum präsentiert. Künstlerin Elisabeth Ochsenfeld lebt in Heidelberg, kommt aber jedes Jahr nach Rumänien, um Ausstellungen und Symposien zu veranstalten. In ihrem „Kunsthaus“ in Wolfsberg erzählte sie der ADZ-Redakteurin Marion Kräutner, wie es zu dem Projekt „Arthouse“ gekommen ist.


Sie sind eine Künstlerin aus Temeswar. Was hat Sie nach Deutschland gezogen?

Ich bin 1986 mit meiner Familie ausgewandert. Alle Verwandten meines Mannes waren in Deutschland. Wir haben sechs Jahre gewartet und dann irgendwann sind wir weg, denn das war der Traum unserer Generation. Als Künstler sowieso. Man hat viele Bücher gelesen, aber man hat sehr wenig von der Welt gesehen, es war also eine enorme Sehnsucht.

Wir haben eine schöne Zeit als Studenten erlebt und wir sprechen sehr oft darüber. Ich habe noch die Chance gehabt, in Temeswar zu studieren, bevor diese ganzen Einengungen stattfanden, das bedeutet, wir haben noch eine tolle Studentenzeit erlebt und ich bin eigentlich sehr dankbar dafür. Ich habe auch tolle Professoren gehabt, aber die Auswanderung war für mich persönlich eine Notwendigkeit. Im ersten Studienjahr hat uns ein Verwandter, der im Zweiten Weltkrieg verschollen war – so wie viele andere ebenfalls – durch bestimmte Institutionen aus Bukarest gefunden. Er war Professor an der Universität in Kalifornien, er war kinderlos und wollte mich adoptieren. Meine Eltern waren damit einverstanden, denn es war für mich eine Chance wegzukommen. Nachdem er alle Unterlagen vorbereitet hatte und bevor er nach Rumänien kommen wollte, hat er einen ganz schweren Herzinfarkt gelitten und ist gestorben. Ein Traum ist für mich geplatzt. Aber ich bin mit dieser Sehnsucht geblieben und habe mir nachher, selber sozusagen, meine Zukunft aufgebaut.

Denken sie manchmal daran, nach Rumänien rückzusiedeln?

Nein, nicht ganz. Ich komme sowieso oft nach Wolfsberg. Ich bin auch Kuratorin und organisiere sehr viele Ausstellungen: in Deutschland, für rumänische Künstler, sowie in Rumänien. Gruppenausstellungen habe ich nicht nur in Wolfsberg und Temeswar organisiert, sondern auch in anderen Städten, zum Beispiel in Aiud und Bukarest. Aber das „Kunsthaus“ hier ist das einzige. Ich habe es 1991 gekauft. Damals war ich frisch geschieden und ich dachte mir, es sei ein guter Ort, an den ich mich zurückziehen kann.

Warum Wolfsberg?

Weil ich in Wolfsberg auch als junger Mensch oft gewesen bin und ich hier immer sehr glücklich war. Es ist diese Ruhe…Nicht nur die Ruhe, sondern auch diese schöne einfache deutsche Ordnung, die mich immer beeindruckt hat. Diese Einfachheit, ohne Protz, die schönen einfachen Häuser. Darum habe ich auch die Fassade dieses Hauses so behalten, so wie sie bei den ehemaligen Eigentümern war. Außerhalb habe ich nichts verschönert, um das Bild des Dorfes nicht zu verschandeln. Allein im Inneren habe ich einige Kleinigkeiten gemacht, um besser leben zu können.

Sie haben die Zeiten vor dem Gărâna Jazz-Fest erlebt. Hat sich Wolfsberg seitdem viel geändert?

Ja, es ist anders, die meisten Bewohner sind Zugewanderte, so wie ich. Außerdem hat sich die Gegend stark entwickelt. Es gibt jetzt nicht nur das Jazz-Festival, sondern auch ein Folk-Festival, Sportveranstaltungen und vieles mehr. Es ist enorm, was in Wolfsberg und im benachbarten Weidenthal alles passiert. Die meisten kennen nur das Jazz-Festival, weil das ja eine andere Dimension hat, aber es geschieht viel mehr. So sind auch sehr viele Pensionen entstanden, Gasthäuser, das ganze Bild des Dorfes hat sich verändert. Es sind nur noch ungefähr 20 deutsche, böhmische Bewohner geblieben, der Rest wohnt im Ausland oder in Temeswar, manche in Reschitza. Jetzt kommen sie auch im Winter nach Wolfsberg, denn seit Kurzem gibt es hier auch eine Skipiste. Leider war in diesem Winter kein Schnee.

Welche ist die Geschichte des „Arthouse“?

Die Geschichte des „Arthouse“ ist eigentlich eine ganz einfache. Meine Sehnsüchte haben mich innerlich gezwungen, das Haus so zu nennen. Am Anfang habe ich es als mein Großelternhaus gesehen, weil ich vorher keines hatte. In so einem Haus kannst du wann immer alleine sein und alleine für dich arbeiten, aber es ist von Zeit zu Zeit wunderbar, mit anderen zusammenzusein. Als Künstlerin habe ich immer gerne in Gemeinschaften gearbeitet und ich hatte schon immer Gäste aus der Kulturwelt, aber jetzt mache ich es organisiert.

Seit wann haben Sie angefangen, diese Treffen zu organisieren?

Seit fünf Jahren. Mit offiziell geladenen Gästen und allem was dazu gehört. Ich veranstalte Symposien für bildende Künste, für Literatur und auch für Oper – die Mezzosopranistin Aura Twarowska war hier und hielt einen Opern-Workshop. Das war Klasse. Als ich mein jetziges Atelier, den ehemaligen Stall, einweihte, verbrachten wir hier den letzten Abend eines Theaterworkshops, der im Dorf stattfand. Es war eine traumhafte Einweihung. Schauspieler und Professoren von der Columbia-University, New York, waren auch mit dabei und wir sind dann auch in Freundschaft geblieben.

Sie leben in Heidelberg. Wie funktioniert die Verwaltung des „Arthouse“ von dort aus?

Wenn ich in Deutschland bin, weiß ich, was für ein Thema ich angehen will, und suche mir demnach die Künstler im Internet aus. Jedes Jahr habe ich ein Thema, so wie es dieses Jahr die Architektur ist – „My Home Was My Castle“. Im letzten Jahr hatten wir den Garten als Thema. Vor zwei Jahren hatten wir Paraphernalia (Gegenstände mit denen man lebt). Nächstes Jahr wird es „der Wolf“ sein. Ich bereite schon in Deutschland die Liste der Künstler, die Plakate und Einladungen vor und erwarte nachher die Bestätigungen. Ich organisiere das ganze allein.

Wie lange dauert so eine Veranstaltung?

Wir machen das eine Woche, immer wenn das Jazz-Festival stattfindet, denn dann haben wir auch Publikum. Oft organisieren wir auch Ausstellungen im Rahmen des Festivals. Letztes Jahr habe ich dort eine tolle Ausstellung, dem Musiker Charles Lloyd gewidmet, veranstaltet. Er war total begeistert. Auch für Jan Garbarek haben wir eine Ausstellung gemacht, genauso auch welche mit einfachen Jazz-Porträts.

Sind alle Künstler, die an den Symposien in Wolfsberg teilnehmen, Rumänen?

Nein, wir haben auch Ausländer – dieses Jahr waren zwei Amerikanerinnen und ein Australier, der Schriftsteller ist, mit dabei. Die Veranstaltung ist total international. Wir haben Amerikaner immer gehabt. Sie kommen von weither, um hier eine Woche zu verbringen. Gut, sie verbinden es sicher mit einer anderen Reise, aber die Leute kommen.

Wie oft kommen Sie nach Wolfsberg?

Jetzt öfters, weil ich in Rente bin. Aber früher bin ich hierhergekommen, nur um das Symposium zu organisieren, wenn ich ein bisschen Zeit hatte, im Sommer.

Ist es für Sie ein Hobby?

Nein, das ist Beruf. Ich habe ja Kunst studiert. Es kann kein Hobby sein, weil es so viel Zeit nimmt und man muss richtig viel von seiner Zeit opfern, um so etwas zu organisieren. Es ist eine unbezahlte Zeit, nichts Profitables, aber es ist etwas, was mit Leidenschaft zu tun hat, mit dieser Freude, mit anderen zusammenzusein. Nicht zuletzt: Ich werde es solange machen, wie es mir Spaß macht, ich Kraft dazu habe und gesund bleibe.