„Du bist ein Nichtsnutz“

Emotionale Misshandlung von Kindern führt zu Depressionen und Ängsten

Viele Kinder in unserem Land leiden darunter, dass ihre Eltern im Ausland leben. Ihre schulische Leistung kann davon betroffen sein.

Worte können verletzen. Das wissen die Erwachsenen, trotzdem sind sie sich nur selten dessen bewusst, dass sie einen falschen Ton im Gespräch mit ihren Kindern angeschlagen haben. Aussagen wie „Du bist ein Nichtsnutz“ oder „Ich wünsche, du wärest nie geboren“ haben einen negativen Einfluss auf die Kinder. Diese fühlen, dass sie kein vollwertiges Familienmitglied sind, sie fühlen sich weggestoßen und ungeliebt. Die emotionale Misshandlung von Kindern kann unterschiedliche Formen annehmen. Die Kleinen können zurückgewiesen, ignoriert oder sogar terrorisiert werden. Nicht nur die eigene Familie, sondern auch Dritte, wie zum Beispiel Erzieher oder Lehrer, können die Kinder emotional misshandeln.

Vom Lehrer beschimpft:  Selbstwertgefühl sinkt

„Der emotionale Missbrauch von Kindern kommt am häufigsten im Bildungsumfeld vor. Kinder werden eingeschüchtert, erniedrigt, bestraft, gedemütigt und kontrolliert“, sagt die Psychologin Iuliana Fülaş aus Konstanza/Constanţa. Die Psychologin findet, dass in den meisten rumänischen Schulen die emotionale Misshandlung von Kindern als „Bildungsinstrument“ eingesetzt wird, was das kreative Denken zerstört und zu verschiedenen Ängsten führen kann. „Ich habe viele Kinder getroffen, die in den Schulen – von ihren Lehrern und den Schulkollegen – emotional missbraucht wurden. Die meisten haben Angst, ihre Erfahrungen zu schildern, und beginnen erst dann zu erzählen, nachdem wir ihnen mitteilen, dass sie anonym bleiben“, sagt Iuliana Fülaş. Auch die Eltern lehnen oft diese Probleme der Kinder ab. Meist mit der Aussage: „Wenn ihn der Lehrer bestraft hat, hat er sicher etwas getan“.

Die Medien berichteten in den vergangenen Jahren von Lehrkräften, die die Kinder vor der Klasse blamierten. Der Fall der Klausenburger Lehrerin, die die Erstklässler beschimpfte – sie wurde dabei aufgenommen –, schlug Anfang April hohe Wellen in den Medien. Heutzutage ist es leichter, solche Fälle aufzudecken, zumal viele Kinder Smartphones besitzen, mit denen sie die Lehrer filmen können. „Aussagen wie `Ich lasse dich sitzen´, `Du bist dumm und behindert´, `Ich würde mich mit so einem Kind wie du schämen´, zerstören das Selbstwertgefühl der Kinder. Wenn du ein Kind beleidigst, erniedrigst oder bedrohst, dann hast du sein Scheitern schon vorprogrammiert“, warnt Psychologin Fülaş. Nach einer emotionalen Misshandlung kann ein Kind in Depressionen verfallen. Es hat kein Selbstvertrauen mehr. „Es lernt, was Respektlosigkeit ihm selbst sowie den Lehrern gegenüber bedeutet. Wenn es das Lyzeumsalter erreicht, kann es den Lehrkräftengegenüber sogar  aggressiv werden“, sagt Iuliana Fülaş, die auch die Meinung vertritt, dass ein Lyzeumsschüler das Produkt seiner Grundschullehrer ist.

Eltern im Ausland: Kinder leiden darunter

Weitere Formen des emotionalen Missbrauchs von Kindern sind deren Vernachlässigung und mangelnde Aufmerksamkeit. Das ist oft der Fall bei Kindern, deren Eltern im Ausland arbeiten. Die Kleinen werden praktisch von anderen Familienmitgliedern betreut, sie leiden allerdings stark darunter. Viele dieser Kinder erbringen eine schwache schulische Leistung, sie werden depressiv oder gar aggressiv. Die rumänische Regierung hat vor Kurzem einen Beschluss genehmigt zur genaueren Überprüfung der Art und Weise, wie diese Kinder betreut werden. Dadurch sollen die Kinder, deren Eltern im Ausland leben oder nach einem mindestens zwölfmonatigen Auslandsaufenthalt nach Rumänien zurückgekehrt sind, leichter identifiziert und unterstützt werden können, heißt es im Anfang August verabschiedeten Regierungsbeschluss.

Laut Beschluss wird das Kinderschutzamt von den jeweiligen Bildungseinrichtungen in jedem Schuljahr eine Übersicht über diese Schüler verlangen. Die Vertreter des Kinderschutzamtes müssen die schulischen Leistungen dieser Kinder unter die Lupe nehmen und Unterstützung von einem Psychologen oder einem anderen Fachmann verlangen, sollte festgestellt werden, dass die Leistung abgenommen oder sich der Gefühlszustand des Kindes verändert hat. Wenn die schulische Leistung des Kindes sinkt, so kommen auch die schulischen Berater zum Einsatz. Eine landesweite Statistik vom 30. September 2014 besagt, dass in Rumänien ungefähr 83.000 Kinder leben, bei denen zumindest ein Elternteil im Ausland lebt und arbeitet. Nicht offiziellen Daten zufolge soll die Zahl dieser Kinder 100.000 überschreiten. Eine aktuelle Statistik bleibt vorläufig aus, die rumänische Regierung hofft jedoch, durch die neue Regelung eine bessere Übersicht über die Situation dieser Kinder zu bekommen.