E wie Essen

Glutamat, Chlorhühnchen und GMO

Oft sind die Einkaufskörbe voll mit „Junk Food“: Chips und Softdrinks.

Die Regale quellen über, aber finden wir auch etwas Gesundes?

So sah mein Korb zuletzt aus. Ich muss zugeben: ich habe nicht alle gesunden Waren nach Hause geschleppt!
Fotos: Zoltan Pázmány (2), die Verfasserin (1)

Heute mache ich ein Experiment. Heute gehe ich mit dem Vorhaben in den Supermarkt, nur Gesundes zu kaufen, ohne auf den Geldbeutel zu schauen, einfach nur dem Prinzip folgend. Die erste Regalreihe ist den Konserven reserviert. Die sind nicht auf der Liste. Konservierungsmittel oder Pasteurisierungsprozesse, die ein ansonsten leicht verderbliches Produkt, zum Beispiel Fisch, über sieben oder acht Jahre genießbar machen, sind ein bisschen unheimlich. Überhaupt, die traditionellen Arten zu konservieren (Zucker, Salz oder Rauch) sind längst von der Chemie ersetzt worden. Da hat man das Natriumchlorid (also Salz) durch komplizierter klingende (und ungesündere) chemische Substanzen ersetzt oder diese hinzugefügt. Statt Rauch aus der Holzverbrennung gibt es nur ein Raucharoma zur Vertröstung und als Erinnerung an „natürlichere“ Zeiten. Und überall schwelgt das Glutamat: der trendige Geschmacksverstärker.

Wenn man ein Kleinkind oder aber eine kranke Person im nahen Umfeld hat, selber von den Ärzten auf Diät gesetzt wurde oder einfach anders leben will als es einem heute von der Lebensmittelindustrie diktiert wird, hat man die Qual, überhaupt etwas zu finden, was noch ins Bild einer natürlichen und sorgenfreien Ernährung passt. Der Supermarkt ist voll, die Waren quellen einfach von den Regalen. Aber werde ich überhaupt finden, was ich suche?

Ich versuche es mit der zweiten Reihe von Regalen: Pasta und Pasta-Soßen. Pasta gibt es in allen Formen und Varianten, ist nicht schlecht, aber besser als das „Granum Durum“ sind die Vollkornteigwaren. Davon gibt es lediglich zwei Sortiments und etwas teurer sind sie auch (bis zu 1 Leu pro Packung), aber ich habe mir von Anfang an versprochen, jetzt nicht auf das Geld zu schauen. Pasta-Soßen aus der Dose – Hände weg davon, aus dem Glas – passabel. Ich entscheide mich für eine Packung Vollkornteigwaren.

Kleine Packung, hoher Preis

Es folgen Essig, Öle, Senf, Ketchup, Zitronenextrakt. Essig ist auch nicht schlecht, aus Bioäpfeln soll er sogar sehr gesund sein oder aus Wein wenigstens seinem Aroma gerecht. Aber hier stehen regalweise Essigsorten, die man lieber vermeidet. Dann lieber Zitronenextrakt nehmen, aber da fehlt auch oft die Zitrone und man hat nur eine im Labor hergestellte Zitronensäure im Plastikfläschchen. Das Öl, das literweise auf den Regalen steht, ist raffiniert, das heißt also, nicht von der besten Qualität, ja sogar von Ernährungsberatern als ungesund verpönt. Kalt gepresst sollte es sein! Olivenöl, aber auch andere Öle, kommen in Frage: Sonnenblumenöl, Rapsöl, Weizenkeimöl oder die „exotischeren“ wie Leinsamenöl und Walnussöl. Die Preise steigen, während die Flaschen schrumpfen.

Bei Ketchup und Co. hat man auf der Suche nach der gesunden Biovariante, die keinerlei Zusätze hat, fast keine Aussicht. Vor allem, Plastik wie auch Metalldosen sollte man vermeiden, wenn es um Tomatenmark geht, heißt es. Da kann ich mich noch ganz gut an eine Umfrage unter Lebensmittelchemikern und Ärzten erinnern, in der es um die Frage ging: Was würden Sie auf jeden Fall beim Essen vermeiden? Tomatenmark in der Metalldose stand da ganz oft und ganz oben auf der Liste. Also wandert eine Flasche Olivenöl in den Korb. Nur so viel.
Die nächste Haltestelle: Nüsse, Kerne, Chips. Chips kann man sowieso liegen lassen. Nüsse, ja, die landen in den Korb, aber keine Erdnüsse. Die sind gebraten, gesalzen und aromatisiert.

Einkaufen geht aber schnell, wenn es heißt von der Liste das zu streichen, was einem die Medien und die Ärzte oder auch die showmäßige Mittelvariante zwischen den beiden – siehe die beliebte Dr. Oz-Show – als ungesund einpaukt!

Es folgen die Metzgereiprodukte. Dort begebe ich mich erst gar nicht hin, denn ich weiß vom letzten Besuch, dass alle Produkte, alle, durch die Bank, oder sagen wir, durch das Regal, Nitrite und Nitrate enthalten, selbst solche, die für Kinder gedacht sind. Also heißt es: Finger weg davon, denn das sind – bewiesene Sache – krebserregende Substanzen. Ich beziehe mich da nicht nur auf aufklärerische Zeitungsartikel, sondern auch auf den Bestseller eines Doktors der Chemie: Robert L. Wolke, Professor an der Universität Pittsburgh, ist der Autor des Buches „Was Einstein seinem Koch erzählte: Naturwissenschaft in der Küche“. Darin werden Mythen rund um Lebensmittel bestätigt oder zerschlagen. Außerdem stehen auf den Wurstwaren manchmal komisch klingende Slogans wie: „aus rein mechanisch entferntem Fleisch“. Komisch, weil man sich nicht vorstellt, dass es auch auf chemische Art und Weise geht. Was eine chemische Belastung für den Körper zur Folge hat. Plus einige ebenfalls komische Hinweise wie etwa „laktose- und glutenfrei“, was jemandem auch zu bedenken gibt: Was sollten überhaupt Laktose (eine Hauptkomponente der Milch) oder Gluten (aus Getreide) in dem Schinken oder der Wurst? Kinderfreundlich bleibt eigentlich nur die Verpackung. Oder ist diese Plastikfolie auch nicht ganz benutzerfreundlich (lies Bisphenol-frei)?

Milch – von der Kuh oder vom Reis?

Ich freue mich auf das Käseregal, weil ich hier viel Gesundes erwarte. Aller-dings nennen die Ärzte nur den Frischkäse gesund, Hartkäse kommt nur in wenigen Varianten in Frage, verteufelt wird allgemein der Schmelzkäse. Die Hälfte des Regals ist voll mit Schmelzkäse, die andere mit Hartkäse. Frischkäse gibt es in drei Varianten. Überhaupt alles ist in Plastik (den man vermeiden sollte, warnen die Ärzte) verpackt. Nein, da liege ich falsch. Also hier ist eine neue Firma, die in kleinen Gläsern verpackt: Joghurt, Käse und Co. Zum doppelten Preis pro 100 Gramm je Produkt.

Zwei Frauen vor dem Milchregal unterhalten sich: „Ich werde meinem Kind doch um Gottes Willen keine Kuhmilch kaufen!“ Die Aussage weckt in mir das Gefühl, dass ich eine Rabenmutter sei. „Soja auch nicht!“ meckert die anscheinend gesundheitsorientiert einkaufende Mutter neben ihr mit. „Aber es gibt ja so viele Varianten etwa Reis-, Korn- oder Mandelmilch“. Wer sich vorstellt, dass durch irgendwelche Verfahren Milch aus Reis gepresst wird, liegt natürlich falsch, vielmehr ist der milchähnliche Drink ein Gemenge aus Reismehl, Wasser und irgendwelchen anderen Ingredienzien (zum Beispiel Zucker oder ein Süßungsmittel). Außerdem gibt es zwischen einer fettarmen (lies 1.5% fettigen) UHT-Milch aus dem Tetra Pak und der Reismilch fast keinen Geschmacksunterschied mehr.

Da stutzen die Geschmackspapillen eher bei Soja-, Mandel- oder Hafermilch. Kuhmilch ist übrigens in einigen Studien verteufelt worden (soll bei Frauen Brustkrebs erregen) und sollte einigen Forschern zufolge nur von Kindern (keinen Babies aber!) nur bis zu einem gewissen Alter getrunken werden. Ersetzen sollte man sie durch andere milchähnliche Produkte, eben wie die oben aufgezählten. Wohingegen auch Soja in der letzten Zeit in Verruf geraten ist. Vor zirka fünfzehn Jahren schwuren alle auf die mirakulöse Asienbohne, heute weiß man, dass sie in den Hormonhaushalt eingreift und das ist unerwünscht!

Andere Spezialisten hingegen schwören auf pure Kuhmilch und weisen darauf hin, dass nur der Kauf direkt vom Bauernhof die Qualität des Produktes garantiert. Eine dritte Kategorie ersetzt die Kuhmilch mit Ziegenmilch. Wer sich traut, bekommt „einen ganz besonderen Geschmack zu spüren, mehr Vitamine und leichter assimilierbare Proteine und Lipide“. So das Versprechen auf der Packung, die ich in der Hand halte. Es ist fast so, als ob man sich daran gesund lesen könnte!

Ich entscheide mich letztendlich für ein Tetra Pak Kuhmilch, allerdings Bio, eine Packung Mandelmilch sowie einem Ziegenkäseaufstrich. Außerdem kaufe ich auch eine Packung Butter, und zwar eine mit hohem Fettgehalt (82%), das ist normal, wenn man tatsächlich Butter kaufen will (und kein Butter-Margarine-Gemisch) und ich finde, normal ist auch gesund. Außerdem sollte die Butter nicht ganz aus der Diät gestrichen werden, denn das Fett kommt den grauen Zellen zu Gute – wieder eine Kehrtwende in den Erkenntnissen der Forschung!
Und ich komme zu einem ganz besonderen Kapitel: Süßes – eigentlich das Paradies, weil ich einen extra großen Supermarkt für den Test ausgewählt habe. Doch es ist – wie denn sonst – ungesund! Erst vor wenigen Tagen hat die Weltgesundheitsorganisation den Warnhinweis gegeben, dass man den Konsum von Zucker halbieren sollte. Die Regale ächzen unter der Last, und die Verpackungen sind bunter und verführerischer als alle anderen. Wenn man sich die Liste der Ingredienzien anschaut sieht man, wie wenig die heute als Schokolade verkaufte Süßigkeit mit dem Original aus Mittelamerika vor Jahrhunderten zu tun hat. Von allen Schokoladensorten sticht mir eine besonders ins Auge: Schokolade mit Bonbons und Gelees gefüllt – der absolute Lebensmittelkitsch, der aber wohl die meisten Kinderherzen höher schlagen lässt! In den Korb müsste jetzt eine Tafel schwarzer Schokolade aus Biokakao landen, aber ich will mich nicht extra peinigen!

Also mache ich kehrt. Wenn es jetzt um das geht, was hierzulande als Grundlebensmittel bezeichnet wird, wie Mehl oder Zucker, bin ich überrascht und erleichtert, dass dieser Supermarkt nicht nur das weiße Weizenmehl verkauft, sondern auch Mischmehl und andere Sorten, zum Beispiel Roggen- oder Reismehl (wie es eine Bekannte, die eine Gluten-Allergie hat, benötigt). Hier gilt dieselbe Regel wie beim Öl: die Preise steigen, während die Packungen schrum-pfen und der Name des Mehls klingt exotischer . Und Zucker? Zucker bekamen die Kinder in der Zwischenkriegszeit - daran erinnert sich mein Vater noch genau - löffelweise wie den Lebertran, denn es hieß damals, dass der Zucker die Knochen stärkt! So kann sich die Mode ändern!

„Superfood“

Fleisch – hier schwimmen in einem Becken die Fische, das Fleisch in den Kühltruhen stammt aus der eigenen Metzgerei sowie von Lieferanten.

Fisch ist gesund! Aber Fisch ist nicht gleich Fisch. Nur der Lachs ist auf der „Superfood“-Liste (neben Broccoli, Blaubeeren und Putenfleisch). Außerdem gehen die Meinungen auseinander, ob der Fang oder die Aquakultur den gesünderen Fisch liefern. Ich würde auf den ersten tippen. Aber ich kenne Leute, die behaupten seit Fukushima keine Fangfische mehr zu essen, die Meere und Ozeane seien sehr verpestet! Also kaufe ich keinen Fisch.

Vom Schweinefleisch heißt es Hände weg, also kommt das Hühnerfleisch in Frage. Ich muss mir keine Sorgen machen, es  sind keine Chlorhühnchen, auch wenn das Fleisch suspekt weißlich ist – das kommt davon, dass die Hühner nicht glücklich im Freien gepickt haben! (Übrigens war das „Chlorhühnchen“ monatelang DAS Thema in den deutschen Medien, wenn es um das Freihandelsabkommen der EU mit den USA ging. Das Hühnerfleisch wird nämlich regelrecht desinfiziert, damit ja auch keine Erreger auf der Hühnerhaut bleiben. )

Die Hühnerfleischpackung ist groß beschriftet: hormonfrei! Mit einem Sternchen: laut EU-Verordnungen. In den EU-Institutionen, die vor kurzem auch grünes Licht für Gentechnik in der Landwirtschaft gegeben haben, gibt es zurzeit in den zuständigen Ausschüssen Anhörungen zur Zucht von geklonten Tieren. „Hormonfrei“ wird in Zukunft wohl auch von anderen Labels flankiert sein!

„Lifting“ für Äpfel

In der nächsten Abteilung hängen überall Plakate: „Der Mensch muss täglich fünf Portionen Obst und Gemüse essen!“. Hier werde ich die Auswahl nach dem Kriterium treffen, Lokales vorziehen. Die Äpfel stammen aus zwei Ortschaften nahe von Temeswar, passen somit perfekt ins Bild. „Wie kommt es, dass Ihre Äpfel im Februar noch so frisch aussehen?“ Die Antwort, die vom Lieferanten kommt, rüttelt mich auf: „Wir haben spezielle Lagerräume, denen der Sauerstoff entzogen und in die Stickstoff eingeführt wird. Die Äpfel können dort fünf Jahre lang gelagert werden!“ Willkommen im 21. Jahrhundert!

Aber einiges muss doch im Korb landen! Ich wähle drei frische (oder frisch aussehende) Gemüse- und Obstsorten (Orangen und Avocado aus nicht so nahen Gebieten, rote Beete aus Rumänien) und zwei aus der Tiefkühltruhe – da sollten die Vitamine angeblich noch erhalten sein.

Der Einkauf ist geschafft! Mein Korb ist nur zu einem Drittel voll. Jetzt heißt es noch, damit kochen (zu lernen) und das gesunde Essen der Familie auch als lecker zu verkaufen! Mein Fazit: es gibt wenige Waren, die als gesund gelten können. Außerdem muss man mehr Geld dafür hinblättern. Positiv ist jedoch: Wenn man erst die Waren kennt und weiß, auf welchen Regalen sie zu finden sind, dann verkürzt sich die Zeit für die Einkäufe, denn viele Regale bleiben tabu.