Ehrung für Banater Persönlichkeiten

Erinnerung an drei große Söhne der Gemeinde Nitzkydorf

Die neue Gedenktafel an der Nitzkydorfer katholischen Pfarrkirche
Foto: Zoltán Pázmány

„230 Jahre sind eine kurze Zeit für die Geschichte“, betonte Dr. Hella Gerber, Vorsitzende der HOG Nitzkydorf zum Anlass des 230. Geburtstags der ehemaligen banatschwäbischen Heckengemeinde Nitzkydorf am 3.-4. August, „doch für Nitzkydorf und seine Bewohner war es eine lange, ereignisreiche Zeit“. Und so sollte diese 230-Jahrfeier auch nicht nur zu einem gewöhnlichen Kulturereignis mit Kirchweihfest, Trachtenumzug und flotter Blasmusik werden. Im Rahmen eines gemeinsamen Festes der ehemaligen Bewohner und der derzeitigen rumänischen Mehrheitsbevölkerung, vor Jahren noch schwerlich denkbar, wurden die bleibenden Werte der Gemeinschaft zur Geltung gebracht und die Weichen für eine zukünftige Gemeinsamkeit über alle Grenzen gestellt.

Ein sichtlich beeindruckter Ehrengast aus Deutschland, Mdb Hartmut Koschyk, Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und soziale Minderheiten, machte kein Hehl aus seiner Anteilnahme und Begeisterung: „Ich habe hier viele symbolische Elemente feststellen können, die mich sehr bewegt haben, die rumänische und die deutsche Hymne, Kirchweihpaare aus Deutschland und Rumänien, vereint in der orthodoxen und katholischen Pfarrkirche, ein wunderschönes Gemeinschaftsbild unter der Europafahne.“

Peter-Dietmar Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Deutschland, wies auf den „guten Weg“ hin, den wir gemeinsam gehen könnten, und hob das Engagement der HOG, der Gemeindeverwaltung und der Dorfschule und ihr lobenswertes gemeinsames Bestreben hervor, die geschichtlichen Werte der Gemeinde zu bewahren und für die Nachkommen zur Geltung zu bringen.
Die neuesten Bemühungen in Nitzkydorf gehen somit weit über das in den ehemaligen Banater schwäbischen Ortschaften heute übliche Bewahren bzw. Instandhaltung der Pfarrkirche und Pflege der Ahnengräber hinaus. Im Rahmen der Veranstaltungen wurde durch das Wirken des rührigen Rumänischlehrers Tiberiu Buhnă-Dariciuc das neue Schulmuseum mit etlichen wertvollen Dokumenten über die Nitzkydorfer Schwaben, nicht zuletzt über die Schulzeit der Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller, eröffnet. Im Rahmen des Symposiums „Nitzkydorf im Spiegel der Literatur“ wurde eine Monographie der Allgemeinschule Nitzkydorf (1785-2015) vorgestellt und eine entsprechende Gedenktafel am Schuleingang eingeweiht. Der aus Nitzkydorf gebürtige Schriftsteller Balthasar Waitz las Texte über die urwüchsige Lebenswelt der Nitzkydorfer in deutscher und rumänischer Sprache.

Dreimal der Name Kräuter

Nitzkydorf an der Poganisch - als deutsche Ansiedlung in der Josephinischen Siedlungsperiode, dem sogenannten III. Schwabenzug, von Grund auf neuangelegt, mit deutschen Ansiedlern aus Lothringen, der Pfalz, Trier, aus dem Elsass und Luxemburg, sogar aus Schlesien - war im Laufe seiner Geschichte wohl zu einer blühenden deutschen Gemeinde geworden, aber auch stets immer etwas abgelegen im Banat geblieben. Durch seine Nobelpreisträgerin Herta Müller fand die Gemeinde dann gar 2009 ihren Einzug in die Weltöffentlichkeit und in die Weltliteratur. Nun werden neue Zeichen gesetzt, die Gemeinschaft erinnert sich anderer Elemente ihres Kulturerbes, anderer großer Persönlichkeiten des Dorfes. Zum Anlass der 230-Jahrfeier wurde an der alten, sanierten katholischen Pfarrkirche eine Gedenktafel für drei Nitzkydorfer, die einen entscheidenden Beitrag im Werdegang dieser Gemeinschaft und der Banater Schwaben geleistet haben, eingeweiht.

Geehrt wurden damit Msgr. Sebastian Kräuter (1922-2008), erster Bischof der Diözese Temeswar nach der Wende, dessen Bruder Dr. theol. Franz Kräuter (1920-1986) und Dr. phil. Franz Kräuter (1885-1969), Politiker, Philologe und Lehrer.

Die Brüder Sebastian und Franz Kräuter wurden beide in Nitzkydorf geboren, ihre Vorfahren stammen aus dem pfälzischen Hauenstein. Beide besuchten die deutsche Volksschule im Heimatort, das Knabenlyzeum der Banatiat und das Priesterseminar in Temeswar. Beide Priester blieben als Seelsorger von Jahrmarkt/Giarmata  unvergesslich im Herzen der dortigen schwäbischen Gemeinde. In der Pfarrkirche zeugt heute ein von der Gemeinde für die beliebten Pfarrer errichteter Seitenaltar davon. Franz Kräuter war über viele Jahre Archivar des Bistums Temeswar und starb 1986. Sein Bruder Sebastian sorgte als Herausgeber für die Veröffentlichung seines Buches „Erinnerungen an Bischof Pacha“ (ADZ-Verlag 1995). Sebastian Kräuter, 1983-1990 Ordinarius des Bistums, wurde am 28. April 1990 von Papst Johannes Paul II. als der 92. Nachfolger des Hl. Gerhardus zum Bischof ernannt. 1999 überreichte er nach seinem altersbedingten Rücktritt den Hirtenstab direkt an seinen Nachfolger Martin Roos. Er starb 2008 und wurde in der Krypta des Temeswarer Doms wie sein Vorgänger, der Märtyrerbischof Augustin Pacha, beigesetzt.

Dr. phil. Franz Kräuter wurde als Sohn eines Nitzkydorfer Kleinbauern im Nachbarort Vucova 1885 geboren. Er besuchte das Gymnasium in Temeswar und Lugosch, darauf die Universität in Budapest, promovierte 1907 dort zum Doktor der Philologie. Als Lehrer leistete er dann nach dem Ersten Weltkrieg einen wertvollen Beitrag zur Schaffung und Bewahrung deutscher katholischer Schulen im Banat.1920 wurde er ins rumänische Abgeordnetenhaus gewählt und darauf achtmal bestätigt. Unter Bischof Pacha war er dessen Berater in Schulfragen. 1939 wurde er zum Generalinspektor des deutschen Schulwesens ernannt. Da er nicht mit den Nationalsozialisten kollaborieren wollte, trat er 1940 zurück.1951 wurde Franz Kräuter verhaftet, nach Augustin Pacha und Joseph Nischbach. Wegen Hochverrats bzw. der Spionage für den Vatikan wurde er 1952 zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Haft setzte er bis zu seiner Entlassung aus gesundheitlichen Gründen 1959 in den Gefängnissen Jilava, Aiud, Ocnele Mari, Pite{ti und Fogarasch/Făgăraş fort. Nach Verhandlungen zwischen der Volksrepublik Rumänien und der BRD wurde er gemeinsam mit den Ordensschwestern Giuldegardis Wulff und Patricia Zimmermann für zwei rumänische Spione ausgetauscht. Bis zu seinem Tod 1969 lebte er darauf in Freiburg am Breisgau.