Ein Auftrag in letzter Stunde

Wort zum Karfreitag

Symbolfoto: pixabay.com

Heute wäre unser Platz eigentlich unter dem Kreuz. Das sieht man auch in den Nachrichten, dass sich heute viele Menschen in der ganzen Welt den Karfreitagsprozessionen anschließen. Die einen tragen ein einfaches Kreuz durch die Via Dolorosa in Jerusalem, die anderen geißeln sich blutig, um das Leiden und Sterben live zu erleben. Sie gehen singend zu den Pilgerstätten und sprechen die Worte des Heilands. In Sitte und Brauchtum ist der Karfreitag in aller Welt verankert, weil er der größte Gedenktag der Christen ist.

Ich kann mir denken, dass dieser Brauch auch in unseren Dörfern zu Karfreitag üblich gewesen ist. Wenn auch nicht in dieser Form, so hat man doch das Kreuz als Symbol zumindest einmal um die Kirche in der Prozession getragen. Eines der bekanntesten Worte für diesen Tag war das Wort Jesu: „Es ist vollbracht!“ Es war jedoch keineswegs vollbracht im Sinne der Pharisäer und auch gar nicht im Sinne der Römer. Die Römer brauchen keine Revolte und die Juden brauchen keinen Christus.

Doch was hat die Hohepriester bewegt, das Urteil zu beschleunigen? Sie hatten eigentlich erreicht, was sie wollten. Der lästige Prediger Jesus war unschädlich gemacht worden. Eigentlich hätten sie sich jetzt zufriedengeben können, um ganz ruhig zu sein. Stattdessen werden sie bei Pilatus vorstellig und beschweren sich, dass er in drei Sprachen schreiben ließ: INRI. Alle Welt wird nun erfahren, wer dieser Verurteilte eigentlich ist. Aber Pilatus lässt sich nicht manipulieren. Er lässt sie stehen mit den Worten: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben“.

Damit hat hier Pilatus den ersten Schritt in die Mission getan. Denn er ist nicht mehr der, der Jesus verurteilt, sondern er ist der, der ohne zu wollen, den ersten Schritt zur Verkündigung tut. Denn genau durch ihn erfährt die Welt, dass Jesus der wahre König der Juden ist. Gott nimmt ihn in seinen Dienst, um zu zeigen, dass nicht der Kaiser von Rom das Leben diktiert, sondern Gott selber, in seinem Sohn Jesus Christus. Jesus wird Herrscher sein und nicht der Kaiser von Rom.

Bei der Kreuzigung sammeln sich viele Personen. Die einen kennen Jesus nicht und die anderen verbindet viel mit ihm. Es sind auch drei Frauen darunter, die ihm besonders nahestanden und alles mit ansehen müssen, mit diesen auch der Lieblingsjünger Johannes. Er war nicht geflüchtet und hatte sich nicht versteckt. Es schmerzt ihn genau so sehr, wie auch die drei Frauen, was mit Jesus geschieht. Aber Jesus braucht kein Mitleid. Jesus will nicht bemitleidet werden, denn er hat einen Auftrag, den führt er bis zum bitteren Ende ganz alleine durch.

Doch seine Gedanken gehen in letzter Stunde auch weiter. Er will die Gemeinschaft, die er zurücklässt, nicht verloren wissen, so wie sich ein Verein auflöst, wenn der Leiter nicht mehr vorhanden ist. Sondern Jesus gibt noch einen zusätzlichen Auftrag, an die Frauen und an Johannes. Er sagt: „Johannes, siehe, das ist deine Mutter“ und zu seiner Mutter sagt er: „Siehe, das ist dein Sohn“. Jesus bestimmt hier, dass die Gemeinschaft der Christen wachsen soll, von der engsten Familie zu dem erweiterten Kreis der Verwandten, der Bekannten und der Befreundeten, ein Beweis des Reiches Gottes auf Erden.

Denn zu Beginn des Christentums wurden alle Sorgen, Nöte und Probleme der Christen gemeinsam getragen. Ab hier feierte man gemeinsame Gottesdienste, mit Gebet und auch einem gemeinsamen Essen, einem Abendmahl, aber nicht in dem Sinne, wie wir es heute feiern. Sondern sie waren gemeinsam im Brotbrechen. Erst später bekam das gemeinsame Abendmahl eine geistliche Bedeutung. Es wurde Erinnerungsmahl, Versöhnungsmahl und auch Gedächtnismahl zugleich.

So hat Jesus Christus in letzter Stunde diejenigen, die ihm am Liebsten waren, einander zugewiesen. Dann erst konnte er seinem eigenen Tod zustimmen. Nun wusste er, dass sie auch ohne ihn zurechtkommen werden. Er konnte loslassen und den Willen seines himmlischen Vaters befolgen.

Das ist die menschliche Seite unseres Heilands. Denn auch uns, wenn wir spüren, dass wir sterben müssen, fällt es schwer loszulassen, solange wir nicht alles versorgt und versöhnt wissen. Dann erst kommt der Abschied. Oft möchten wir hier ehrenhafte Versprechen hören, füreinander zu sorgen und anderes mehr. Erst wenn wir diese Dinge in Ordnung wissen, können wir uns endgültig verabschieden.

So ist es auch bei Jesus geschehen, bevor er dann sagen konnte: „Es ist vollbracht“.
Jesus hängt nun einsam und verlassen am Kreuz und stirbt. Obwohl er stirbt, siegt er über den Tod. Nicht sein Leben ist zu Ende, sondern der Tod hat ein Ende genommen. Diesen Sieg über Sünde und Tod hat er für uns errungen.

Dafür steht das Symbol des Kreuzes. Und unter diesem Kreuz sammeln sich seither Generationen, um ihr Bekenntnis abzulegen und im Sinne Christi ihr Leben zu führen. Sie tun es in einer neuen Lebenseinstellung und zum Lobe Gottes.