Ein Beitrag zur Geschichte von Großsanktnikolaus

Virtueller Rundgang auf dem Friedhof der Deutschgemeinde möglich

Luftaufnahme des Friedhofs der Deutschgemeinde Großsanktnikolaus
Foto: privat

Die erste Etappe des Projekts „Friedhof der Deutschgemeinde Großsanktnikolaus“ ist vor Kurzem erfolgreich zu Ende gegangen. Über zwei Jahre lang hat Dietlinde Huhn, die Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare, gemeinsam mit ihrem Bruder, Otmar Huhn, daran gearbeitet. Das Resultat lässt sich sehen. Auf der Internetseite des deutschen Ortsforums, www.dfdb-grosssanktnikolaus.ro, kann die Friedhof-Seite abgerufen und ein virtueller Rundgang durch den Friedhof der Deutschgemeinde unternommen werden.

Es mag vielleicht etwas ungewohnt klingen, aber: Der Friedhof der Deutschgemeinde Großsanktnikolaus ist online gegangen. D.h. man kann ihn übers Internet besuchen, erfahren, wer dort begraben liegt, nach den eigenen Vorfahren suchen und gewiss auch Neues dazu erfahren. „Der Friedhof der Deutschgemeinde wurde in den letzten Jahren verständlicher Weise vernachlässigt, dadurch, dass viele Deutsche ausgewandert sind. Der Friedhof hatte ein bedrückendes Aussehen. Es war an der Zeit, eine sogenannte Inventur aller Gräber vorzunehmen“, sagt Dietlinde Huhn. „Auch die Friedhofskultur ist Teil einer Identität. Was auf den Grabsteinen steht – die deutschen Namen, die Jahreszahlen, die Inschriften – das sind Fakten, die man nicht hinterfragen muss“, fügt sie hinzu. Das Unterfangen von Dietlinde und Otmar Huhn ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Temescher Kleinstadt und insbesondere zur deutschen Ortsgeschichte.

„Vor mehr als zwei Jahren habe ich mit einer sehr beherzten Frau, die heute in Deutschland lebt, Frau Eva Peter, geborene Kappel, einen Rundgang durch den Friedhof unternommen. Sie kannte fast jedes Grab und viele Namen. Wir haben damals schon die Gräber erfasst, aber noch ohne einen Plan zu haben“, erzählt Dietlinde Huhn, wie das Projekt „Friedhof der Deutschgemeinde Großsanktnikolaus“ geboren wurde. Die Unternehmerin Andreea Kremm, die ihre Kindheit in Großsanktnikolaus verbracht hatte, machte ein halbes Jahr später Drohnenaufnahmen des Friedhofs, Otmar Huhn erstellte anschließend einen realitätsgetreuen Friedhofsplan und die Webpräsenz, Dietlinde Huhn fotografierte alle Gräber aus drei Perspektiven, notierte sich die Namen der Begrabenen und das, was auf den Grabsteinen geschrieben stand. „Wir haben nur das hochgeladen, was auf den Gräbern heute noch zu lesen ist“, erklärt die Initiatorin des Projekts.

Es war keine leichte Arbeit, die Inventur aller Gräber vorzunehmen, denn nicht alle Inschriften waren noch klar erkennbar. „Hinzu kommt, dass viele in gotischer Schrift geschrieben sind. Nachdem mein Großvater mir immer gotische Briefe geschrieben hat, dachte ich, ich kann das ohne Weiteres lesen. Ich habe aber feststellen müssen, dass es auch im Gotischen viele Schriftarten gibt“, sagt Dietlinde Huhn. Erleichternd war jedoch, dass sie die Namen im Ort kannte und so viele unklare Namen auf den Grabsteinen erraten konnte. Einen Trick verrät Dietlinde Huhn: Damit die Inschriften lesbar wurden, rieb sie die Daten auf den Grabsteinen mit Kreide ein und fotografierte sie so. „Dann erscheinen die Buchstaben und Zahlen wieder und man beschädigt den Grabstein nicht“, erklärt sie. „Ich fühle mich an die Genugtuung der Archäologen, die etwas entdecken, erinnert“, fügt sie hinzu. Faszinierend findet sie die Sprüche, die die Leute auf die Gräber geschrieben haben, sowie die Bilder, die auf manchen Gräbern sind. „Man stellt sich bei jedem Grab die Frage nach der Familiengeschichte. Dahinter steckt immer etwas Trauriges“, sagt die Forumsvorsitzende. Bei ihrem Unterfangen stieß sie auch auf viele Namen, die sie von Großsanktnikolaus nicht gekannt hatte. „Man fragt sich schon, wo diese Leute hergekommen sind, ob die Familie ausgestorben ist, u.Ä“, sagt sie. Hilfreich waren auch die Ergänzungen, die bisher schon von einigen Interessierten eingegangen sind, wie z.B. jene von Robert Lenhardt, Hans Haas u.a. Gefreut haben sich die Geschwister auch über die Anfragen aus den USA seitens einiger Nachkommen von ehemaligen Großsanktnikolausern.

Das Friedhofs-Internetprojekt wendet sich in erster Linie an die Großsanktnikolauser, die in diesem Friedhof ihre Vorfahren begraben haben - sowohl an jene, die noch hier leben, aber auch an die Ausgewanderten. „Mit der Zeit wird dieser Friedhof seine typisch deutsche Prägung verlieren. Ich finde das aber nicht tragisch. Der Friedhof darf kein toter Ort bleiben – die Leute sollen hier ein- und ausgehen“, sagt Dietlinde Huhn. Der Friedhof der Deutschgemeinde sieht heute viel besser und gepflegter als vor einigen Jahren aus, weiß sie. „Zwar nicht so wie früher, als man das Grab und alles drum herum gepflegt hat, aber der Gesamtaspekt ist schon positiv“, sagt die Forumsvorsitzende.

Ob das auch stimmt, kann man leicht im Internet, auf der Friedhof-Seite, nachprüfen. Eine Anmeldung ist aller-dings erforderlich. „Es sind zwar öffentliche Informationen, aber aus Respekt vor den hier Begrabenen sollte die Seite nicht für jeden zugänglich sein“, erklärt Dietlinde Huhn. Jeder Benutzer hat die Möglichkeit, im Blog Kommentare mit Ergänzungen zu veröffentlichen. Das Friedhof-Projekt soll künftig fortgesetzt werden, denn es ist beabsichtigt, auch die Daten von den verwaisten Grabsteinen zu erfassen. Auch kommen immer wieder neue Gräber hinzu, die ebenfalls digital festgehalten werden sollen. Ausgehend von den gesammelten Daten soll künftig auch ein Buch entstehen.