Ein Dokument der Weltgeschichte: Anne Frank-Ausstellung in der Kronstädter Synagoge eröffnet

Tiberiu Roth, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Kronstadt, bei der Ausstellungseröffnung
Foto: Elise Wilk

"Ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod“. Das schrieb Anne Frank im April 1944 in ihr Tagebuch. Ein Jahr später starb sie im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Sie wurde keine 16 Jahre alt. Ihr großer Wunsch ging aber in Erfüllung. Heute haben Millionen von Menschen auf der ganzen Welt diese Zeilen gelesen. Ihr Tagebuch wurde zum Symbol für den Völkermord an den Juden durch die Nationalsozialisten und Dokument der Lebensgeschichte eines jungen Mädchens. In der Kronstädter Synagoge wurde am 24. März die Ausstellung „Anne Frank - eine Geschichte für die Gegenwart“ eröffnet. Anhand 32 Infotafeln mit Fotos und Dokumenten wird das kurze Leben des jüdischen Mädchens erzählt. Die Ausstellung ist ein Projekt des Tikvah-Vereins aus  Großwardein/Oradea,  mit Unterstützung der  Niederländischen Botschaft in Bukarest, und tourt zur Zeit durch Rumänien. 

Ins Weltkulturerbe aufgenommen

„Anne Frank war nur 13 Jahre alt, als sie anfing, Tagebuch zu halten. Sie schrieb darin über den Schmerz eines Kindes, den es fühlen musste, weil es als Jude geboren wurde. Anne ist eins der 1,5 Millionen Kinder die während des Holocaust ihr Ende gefunden haben. Wir wollen, dass die Menschen von heute sich dieser Tragödie bewusst sind und alles dafür tun werden, dass sich so etwas nie mehr ereignet“, sagte Tiberiu Roth, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Kronstadt am Tag der Eröffnung.

Anne Frank wurde 1929 in Frankfurt am Main geboren. Im Dezember 1933 emigrierte sie  zusammen mit ihrer Familie nach Amsterdam. 1942, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Niederlande, wurde ein Versteck in einem Hinterhaus zum Zufluchtsort. Anne Frank begann dort ihr Tagebuch an ihrem Geburtstag am 12. Juni 1942 und führte es bis zum Sommer 1944, als die Familie entdeckt wurde und ins Konzentrationslager deportiert wurde. Im März 1945 starb Anne Frank im KZ Bergen-Belsen. Nur wenige Wochen später befreiten britische Truppen das Lager. Ihr Tagebuch wurde nach Verhaftung der Familie Frank von deren Helferin Miep Gies vom Zugriff der Gestapo befreit. Sie übergab es nach dem Krieg an Annes Vater, Otto Frank, der als einziger seiner Familie den Krieg überlebt hatte. Dieser veröffentlichte die Aufzeichnungen. Das Tagebuch wurde in 70 Sprachen übersetzt und von der UNESCO in das immaterielle Weltkulturerbe aufgenommen.

Das Ideal einer freien Welt

„Diese Ausstellung muss die jungen Leute zum Nachdenken anregen. Ihr müsst nachdenken, was die Vorurteile, die stereotypen Denkweisen, die Diskriminierung und der Hass gegenüber jemandem, der anderes ist, bedeuten und wie weit das führen kann“, sagte Emilia Teszler, die Leiterin des Tikvah-Vereines aus Großwardein.  Tezler, deren Mutter das Konzentrationslager aus Bergen-Belsen überlebt hat und sich zur gleichen Zeit wie Anne Frank dort befunden hat, erinnert sich, dass diese nie darüber reden wollte. „Sie hatte eine Nummer auf dem Arm tätowiert. Ich habe immer nachgefragt, was diese Nummer bedeutet. Als sie mir zum ersten Mal über den Holocaust erzählt hat, war ich schon ein Teenager. Meine erste Frage war: „Was haben Eure Nachbarn und Freunde getan, als ihr abgeschleppt wurdet?“ Sie erzählte mir, dass es einige Freunde gab, die helfen wollten. Die meisten haben aber passiv zugeschaut. Seid keine passiven Zuschauer von Diskriminierung!“.

Bei der Ausstellungseröffnung war auch der niederländische Botschafter Mattjos van Bonzel anwesend. „Die Geschichte der Anne Frank ist auch heute relevant. Es ist ein Buch, das voll von Idealen und Emotionen ist, jeder sollte es lesen. Anne hatte nie die Chance, die Ideale, von denen sie schreibt, wirklich zu erleben: eine  freie Welt, eine Welt ohne Diskriminierung. Heute können wir diese Welt schaffen“, sagte der Botschafter in seiner Eröffnungsrede. „Das ist das Schwierige in dieser Zeit: Ideale, Träume, schöne Erwartungen kommen nicht auf, oder sie werden von der grauenhaftesten Wirklichkeit getroffen und vollständig zerstört. Es ist ein Wunder, dass ich nicht alle Erwartungen aufgegeben habe, denn sie scheinen absurd und unausführbar.

Trotzdem halte ich an ihnen fest, trotz allem, weil ich noch immer an das innere Gute im Menschen glaube“, schrieb Anne am 15 Juli 1944, kurz vor ihrer Deportation ins KZ. Dieser Tagebucheintrag kann auch auf einer der Infotafeln der Ausstellung gesehen werden. Die Ausstellung „Anne Frank – Eine Geschichte für die Gegenwart“ ist von einem 30 minütigen Dokumentarfilm begleitet. Sie kann bis  10. April in der jüdischen Synagoge (Waisenhausgasse/str. Poarta Schei nr. 29) besucht werden.