Ein Festival der Leidenschaft

Eindrücke von der 25. Ausgabe des Internationalen Theaterfestivals Hermannstadt

Ein Requiem für die verstorbenen Eltern tanzte „Kibbutz Contemporary Dance Company”.
Foto: Dragoș Dumitru

Feuer und Wasser. Das waren die Elemente der diesjährigen Veranstaltungen an den drei ersten Abenden des Internationalen Theaterfestivals Hermannstadt/Sibiu (FITS) im Stadtzentrum. Wie erwartet, haben zunächst „Cie Carabosse“ mit ihren Feuerinstallationen Zehntausende in die Innenstadt gelockt. Am Großen Ring hingen die lodernden Töpfe an Riesenreifen, im Harteneck-Park faszinierten die erleuchteten Unterhemden und flammenden Kugeln, die von Bäumen baumelten, und im Astra-Park stand u. a. eine faszinierende Feuer speiende Wassermühle. Am Sonntagabend sprudelten die Farben wechselnden Wasserfontänen, ab und zu von Flammen begleitet, auf Musik vor der römisch-katholischen Kirche und zeitgleich schwebte eine Elfe an einem Ballonkonglomerat durch die Luft. Voller Leidenschaft wartete am Boden ein Kavalier auf sie, gemeinsam tanzten sie ein paar Takte, ehe sie erneut davonschwebte.

Leidenschaft. Das ist das Thema des diesjährigen 25. Festivals, d. h. es ist eine Jubiläumsausgabe. Dass es eine solche ist, wird auf den Bannern, Plakaten und Drucksachen mittels einer großen, roten Zahl 25 angezeigt, ansonsten verläuft das Festival wie sonst. Als Zuschauer ist man froh, keine leeren Floskeln, verkrampften Feierlichkeiten und Bauchpinseleien vorgesetzt zu bekommen. Das Festival ist grandios, die Atmosphäre in der Stadt, die Qualität des Großteils der Veranstaltungen, die Massen an kulturfreudigen Menschen sprechen für sich. Mit Leidenschaft wurde auch das diesjährige Festival organisiert, Leidenschaft bringen die Künstler in ihren Darbietungen rüber, mit Leidenschaft ist das zahlreiche Publikum dabei, sei es bei den Vorstellungen in den verschiedenen Sälen oder bei jenen auf Straßen und Plätzen. Aus dem sehr großen Angebot kann jeder und jede nach eigenem Geschmack (und Budget) herausklauben, was als sehens-, hörens- oder erlebenswert betrachtet wird.

Erleben wollten sehr viele Victor Rebengiuc als König Behringer in Eugène Ionescos Klassiker „Der König stirbt“ und waren begeistert von der Meisterleistung der beiden Hauptdarsteller. Das Verlegen der Vorstellung in die ehemalige Industriehalle erwies sich als Nachteil für die Qualität der Vorstellung, denn bei der schlechten Akustik wurden die leiser gesprochenen Sätze verschluckt. Mehr noch als Rebengiuc hat mich Denis O’Hare in der zusammen mit der Regisseurin Lisa Peterson verfassten „Ilias“ begeistert. In einem fast zweistündigen Monolog, begleitet von einem großartigen Kontrabassisten, mit einem Koffer, Tisch und Stuhl als Bühnenausstattung, ohne jedwelchen technischen Schnickschnack, aber in stetiger Kommunikation mit dem Publikum, hat es der amerikanische Schauspieler vermocht, das verstrickte Geschehen der Homerschen Saga spannend, bildhaft, verständlich und mit Vergleichen aus der jüngeren Geschichte und der Gegenwart darzustellen. Ja, ja, seit den Trojanischen Kriegen hat sich leider wenig verändert.

Sehr aktuell und ebenfalls großartig inszeniert – diesmal, zum Thema passend, mit zeitgenössischen Mitteln – war das Stück „Pulverizare“ der in Frankreich lebenden Dramatikerin Alexandra Badea, das nach Inszenierungen in mehreren westeuropäischen Staaten nun auch von „Apollo 111“ in Bukarest aufgenommen worden ist. Thematisiert wird die Welt in der Globalisierung, in der alles in den Dienst der Leistung gestellt wird und in der für das Privatleben weder Zeit noch Raum übrig bleiben.

Eine große Fan-Gemeinschaft hat der zeitgenössische Tanz in Hermannstadt, seit dieses Genre insbeson-dere 2007 auf seine Bühnen kam. Zu den quasi Dauergästen des Theaterfestivals gehören die Ensembles aus Israel, von wo heuer erneut „Kibbutz Contemporary Dance Company“ sowie „Kolben Dance Company“ kamen. Wie sehr die Handschrift der großen Choreografen im Konzept und der Umsetzung einer Idee zu erkennen ist, konnte man an den Aufführungen dieser beiden im Vergleich zum kanadischen „Les Ballets Jazz de Montréal“ erkennen: Rami Be’er (Kibbutz Contemporary Dance Company) fasziniert durch wunderschöne, warme Bilder und einfühlsamen, perfekten Tanz. Seine diesmal getanzte Kreation „Mother’s Milk” („Die Milch der Mutter“ – die in den kommenden Tagen übrigens in Paris gastiert) ist ein Requiem für seine Eltern, beide Holocaust-Überlebende, die kürzlich verstarben. Armin Kolben setzt im Ensemble, das seinen Namen trägt, auf Energie, Dynamik sowie Ausgefallenheit und veranschaulichte in „On the Edge“ („An der Kante“) Grenzerfahrungen. Drei kurze Tänze bot die Truppe aus Kanada, wobei insbesondere das Duett „Mono Lisa“ sowie „O Balcao de Amor“, beide des Choreografen Itzik Galili, so virtuos getanzt wurden, dass der Applaus nicht enden wollte.

Diese ersten Eindrücke wurden nach den ersten fünf der insgesamt zehn Festivaltage geschrieben. Zufrieden mit der getroffenen Auswahl an Events bedauere ich bereits, einige verpasst zu haben. Und erwarte weitere Highlights.