Ein Film voller Klischees

Günter Czernetzky stellte neue DVD „Oh Jammer und Sehnsucht im Harbachtal“ vor

Filmemacher Günter Czernetzky (li.) ließ sich von der Kritik am Film nicht beirren.
Foto: Holger Wermke

Hermannstadt - Wieviel Elend dürfen Journalisten zeigen, wenn es um die Situation in den einst sächsischen Dörfern des Harbachtals/Valea Hârtibaciului geht? An dieser Frage entzündeten sich bei den Hermannstädter Gesprächen die Gemüter. Elfmal Elend bei zwölf filmischen „Ortsporträts“ war den meisten Besuchern dann doch zuviel.

Tendenziös seien die Kurzfilme und nur auf Effekthascherei aus, so lauteten die Vorwürfe an Filmemacher Günter Czernetzky, der am Dienstag im Forum die DVD seiner Reihe „Siebenbürgische Dorfportraits“ vorstellte. „Oh Jammer im Harbachtal. Fetzen und Farben“ wurde das Projekt übertitelt, das wie die Vorgängerfilme in Zusammenarbeit mit der Journalistik-Fakultät der Lucian-Blaga-Universität entstand. Unter Anleitung von Czernetzky und Dr. Ioana Creţu besuchten Studenten zwölf Dörfer im Harbachtal, um dort auf Spurensuche zu gehen.

An sich ein positiver Gedanke, doch die Herangehensweise fand nicht viel Zustimmung an diesem Abend. In nahezu jedem Film werden dem Zuschauer holzschnittartig altbekannte Klischees serviert: Die porträtierten Sommersachsen erinnern sich verklärend an die früheren Zeiten, als es nur Sachsen gab (Familie Gottschling in Henndorf/Brădeni). Ion Sava aus Kirchberg/Chirpăr erinnert sich ebenfalls wehmütig an seine sächsischen Nachbarn, die organisiert, diszipliniert und arbeitsam waren. Selbst die porträtierten Zigeuner trauern den Sachsen hinterher. Dabei werden gerade sie sowohl von Sachsen als auch Rumänen im Film als Synonym für den in vielen Orten – tatsächlich existierenden – Niedergang präsentiert.

Beim Zuschauer habe sich der Eindruck aufgedrängt, als ob mit den Sachsen die einzig (leistungs-)fähigen Bewohner der Dörfer im Harbachtal verschwunden wären, so Jochen Cotaru aus Holzmengen/Hosman. Wer die Gegend kennt, weiß, dass es neben Elend jedoch auch viele positive Ansätze gibt, beispielsweise das Dorfprojekt der Stiftung Austria Pro Romania in Probstdorf/Stejărişu. Der hier gedrehte Film bleibt der einzige mit einer positiven Konnotation.

Die Studenten sollten gezielt nach Elendsbildern suchen, bestätigte Czernetzky einen Vorwurf von Dr. Barbara Schöfnagel, Mit-Initiatorin des Probstdorf-Projektes. Er habe sie die in den 1960er Jahren entwickelte Methode des Cinema verité verwenden lassen, sprich, sie sollten das Leben, die Wirklichkeit erfassen, „so wie sie uns entgegen schaut“. Ob damit nun realistische Dorfporträts gezeichnet wurden, darf bezweifelt werden. Die angehenden Journalisten bleiben mit ihren Beiträgen an der für jeden sichtbaren Oberfläche. Positive Ansätze in den Dörfern werden konsequent ausgeblendet, kritische Nachfragen an heutige und ausgewanderte Bewohner der Dörfer unterbleiben. Die durchaus interessanten Gesprächspartner hätten als Beispiele für relevante Themen dienen können, beispielsweise das aufopferungsvolle Engagement der letzten sächsischen Kuratoren oder die Arbeitsemigration abertausender Rumänen.  

Filmemacher Günter Czernetzky lässt die Studenten jedoch in der Tradition früherer Produktionen ein Bild zeichnen, dass die in der rumänischen Gesellschaft vorhandenen Klischees bedient ebenso wie jene vieler ausgewanderter Siebenbürger Sachsen. Es wäre wünschenswert gewesen, die künftigen Journalisten zu mehr Neugier und Recherchelust anzuregen.

Die DVD enthält Filme aus 12 Ortschaften: Alzen/Alţâna, Bekokten/Bărcuţ, Henndorf, Kirchberg, Schönberg/Dealu Frumos, Hundertbücheln/Movile, Jakobsdorf/Jacobeni, Neithausen/Netuş, Leschkirch/Nocrich, Roseln/Ruja, Probstdorf und Zied/Veseud. Als Bonus fügte Czernetzky zwei seiner frühen Produktion hinzu, nämlich „Auf den Spuren eines Pfarrers“ (1992) über Pfr. Edmund Graeser (1897-1961) und „Hochzeit in Jakobsdorf“, sowie Filmmaterial von Frieder Schuller vom letzten sächsischen Agnethler Urzellauf aus dem Jahr 1990. Von der DVD existiert bislang nur eine rumänische Fassung, eine deutsche soll folgen.

Das Projekt wird vom Haus des Deutschen Ostens und des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in München finanziell unterstützt.