Ein historisches Ereignis

ADZ-Gespräch mit Ovidiu Ganţ, dem Abgeordneten des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien

Am 2. Februar nimmt das Parlament seine legislative Tätigkeit nach den Winterferien wieder auf. Der Termin bietet sich an, um mit dem DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganţ einen Rückblick auf 2014 zu werfen und auf 2015 zu blicken. Das Gespräch mit Ovidiu Ganţ führte HanneloreBaier.

Es liegt nahe, zunächst nach den wichtigsten Ereignissen des vorigen Jahres zu fragen, wobei das wichtigste wohl die Wahl von Klaus Johannis zum Staatspräsidenten war. Wie schätzen Sie diese heute ein, nachdem die erste Überraschung und Euphorie vorbei sind?

Ich glaube, die Wahl von Klaus Johannis zum Staatspräsidenten von Rumänien ist nicht das Ereignis des Jahres 2014, sondern das wahrscheinlich wichtigste Ereignis in der neueren Geschichte der deutschen Minderheit in Rumänien. Wer hätte – spekulativ denkend – 1918 und 1919 anzunehmen gewagt, als sich die deutschen Siedlergruppen in den verschiedenen Landesteilen dafür ausgesprochen haben, Teil des rumänischen Staates sein zu wollen, dass ein Deutscher, ein Siebenbürger Sachse, je das Staatsoberhaupt des rumänischen Staates werden wird? Von den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg mal ganz abzusehen. Die Wahl erfolgte paradoxerweise jetzt, wenn wir nur noch knappe 40.000 und nicht fast 800.000 sind, wie 1930. Wenn man diese Dimension vor Augen hat, ist es verständlich, dass wir mit Stolz – aber ohne überheblich zu sein – aussprechen dürfen: „Wir sind Präsident“. Klaus Johannis ist unser Freund, war unser Vorsitzender, ist einer von uns, und dementsprechend bedeutet diese Aussage nur, dass wir alle äußerst froh und stolz auf dieses Wahlergebnis sind.

Natürlich nehmen wir dieses Ereignis – wie immer und wie alles – mit Bescheidenheit auf. Und wir werden uns auch nicht irgendwelche Nutzen politischer oder sonstiger Art erhoffen, sondern im Gegenteil. Doch sollte es das Anliegen jedes Einzelnen in seiner Arbeit sein, das Beste zu tun – ich werde dies auf jeden Fall – um ihn zu unterstützen, damit er sein Mandat – und hoffentlich Mandate – mit großem Erfolg zu Ende führen kann. Was die Euphorie anbelangt, die hat sich in der Vertrauensquote in den Umfragen niedergeschlagen und diese beinhaltet eine enorme Erwartungshaltung in der rumänischen Bevölkerung allgemein. Sie ist sehr hoch und es wird sich zeigen, inwiefern er nicht allein bleibt, sondern auch der Rest der politischen Klasse Rumäniens die Chance begreift, gemeinsam etwas für dieses Land zu tun, angefangen von der Verfassungsnovellierung, der Regionalisierung und der Änderung des Wahlgesetzes bis hin zu sonstigen Reformen, die nötig sind. Ich will hoffen, dass sogar die Dâmboviţa-Politik durch die Wahl von Johannis zur Raison gebracht wurde und wird.

Wird sich etwas – und was – durch dieses Wahlergebnis für das Deutsche Forum verändern?

Weder die Aufgaben des Landesvorstandes, noch jene des Vorsitzenden und des Abgeordneten, noch die Art und Weise unseres Handelns werden sich ändern. Das DFDR wird sich am öffentlichen Leben Rumäniens in bekannter Manier auch weiterhin beteiligen. Was mich angeht, so werde ich zusammen mit den Vertretern der anderen Minderheiten in der Fraktion darauf achten, dass unsere Interessen gewahrt werden. Aus meiner Sicht ist das wichtigste politische Projekt des Forums heuer die Kommunalwahl in Hermannstadt/Sibiu und die Bestätigung von Astrid Fodor als Nachfolgerin im Amt von Klaus Johannis durch die Stimmen der Wähler. Ansonsten werden wir alle unsere Projekte umsetzen, wie bisher auch. Es könnte aber gut sein, dass wir, die deutsche Minderheit, etwas mehr im Rampenlicht stehen werden.

Ausländische, aber auch rumänische Medien haben uns wieder entdeckt oder überhaupt erst entdeckt. Ich vernehme teilweise amüsiert, teilweise bestürzt, wie überrascht manche Bukarester Journalisten sind, dass unsere Großeltern im Januar 1945 deportiert worden waren oder dass es ein Deutsches Forum gibt, das irgendwelche Projekte umsetzt oder sich an der Kommunalverwaltung beteiligt. Oder dass das Deutsche Forum in den bilateralen Beziehungen zu Deutschland bereits in den vergangenen Jahren eine Rolle gespielt hat und nicht erst jetzt nach der Wahl von Klaus Johannis.

Die Wahl von Klaus Johannis war aber eine große Überraschung für Gesamteuropa. Überrascht waren alle positiv, dass der Vertreter einer nationalen und konfessionellen Minderheit zum Staatspräsidenten gewählt worden ist – was meiner Ansicht nach auch eine direkte Folge der positiven Minderheitenpolitik Rumäniens nach der Wende darstellt. Dieser Bonus darf nicht verspielt werden und ich erwarte, dass wir verstärkt politische Gäste aus dem Ausland – vor allem dem deutschsprachigen Europa – aber auch Touristen empfangen werden, die sich fragen, wie sieht es in dem Land aus, und vor allem, wie sieht Hermannstadt aus, die Stadt, aus der der Staatspräsident kommt.

Welches waren weitere wichtige Ereignisse des vergangenen Jahres?

Auf politischer Ebene wären die Europawahlen zu erwähnen, die leider – wie immer – anonym und mit schwacher Beteiligung verlaufen sind. Zum einen haben dazu auch die Kandidaten beigetragen, von denen zwei sich schon vor der Staatsanwaltschaft erklären müssen und ein dritter im Plenum des Europäischen Parlaments die Justiz in Rumänien in Frage gestellt hat. Die Europawahl war in Rumänien aus meiner Sicht ein Fiasko. Das Forum hat, wie immer, eine sehr vernünftige Politik geführt, lokal und national. Wir haben alle geplanten Projekte umgesetzt. Dr. Paul-Jürgen Porr hatte das Amt des Vorsitzenden von Klaus Johannis 2013 übernommen und ich finde, er managed es sehr gut. Unter dem Strich war 2014 ein hervorragendes Jahr.

Während der Wahlkampagne für die Präsidentschaftswahlen war beim Deutschen Forum dennoch viel Unruhe zu verzeichnen, da ihm in einigen Medien Missbräuche bei Häuserrückgaben und andere Lügen vorgeworfen wurden. Wird 2015 ein ruhigeres Jahr – da ja nun keine derartige Wahlkampagne bevorsteht?

Die Wählerschaft hat diese PSD-Lügen nicht geglaubt und massiv Johannis gewählt. Ansonsten hinterlassen sie politische Wunden bei mir, weil ich mit einigen Politikern der PSD nicht mehr reden werde, nachdem sie behauptet haben, wir seien die Nachfolger einer Nazi-Organisation, dass wir Häuser unterschlagen haben oder dergleichen. Das habe ich auch im Parlament deutlich formuliert. Ansonsten aber wird es ein ruhigeres Jahr, zumal sich die deutsche Minderheit und die Deutschen in allen Landesteilen großer Anerkennung erfreuen, wie auch in den Umfrageergebnissen festzustellen.

Sie haben die Neuwahlen für das Bürgermeisteramt in Hermannstadt angesprochen – die hoffentlich stattfinden werden. Welches sind die sonstigen prioritären Aufgaben des DFDR in diesem Jahr?

Bevor steht erneut eine Sitzung der Gemischten Deutsch-Rumänischen Regierungskommission, deren Termin noch nicht vereinbart wurde, wofür wir aber noch das eine oder andere klären müssen. Wir werden das Projekt betreffend Förderung des deutschen Muttersprachenunterrichts umsetzen, in dem Martin Bottesch federführend ist, und weiterhin die bilateralen Verbindungen zu Deutschland unterstützen. Ich hoffe, dass es in diesem Jahr zu wichtigen Besuchen aus der Bundesrepublik Deutschland kommen wird, einschließlich in den von der deutschen Minderheit bewohnten Regionen.
Im März werden wir würdig der 70 Jahre Deportation in die Sowjetunion gedenken und 25 Jahre Deutsches Forum feiern. Daraus werden wir auch politische Ereignisse machen und uns langsam auch in Richtung Kommunalwahl 2016 positionieren.

Das war meine nächste Frage: Sollte man nicht heuer schon an die Kommunalwahlen 2016 denken?

Auf jeden Fall muss man heuer schon an die Kommunalwahlen 2016 zu denken beginnen! Auch hierfür ist die Wahl des Bürgermeisters in Hermannstadt vital, weil sie das Non plus ultra unserer Lokalpolitik bedeutet. Ein Erfolg von Astrid Fodor in diesem Jahr bzw. das Weiterführen der von Johannis begonnenen und Fodor fortgeführten Projekte garantieren die Wiederwahl von Astrid Fodor als Bürgermeisterin im Jahr 2016 mit dem positiven Nebeneffekt, dass wir vermutlich auch die Kreisratswahl gewinnen, wenn wir vernünftig agieren. Die Parteien haben vor, das Wahlgesetz zu ändern, und es könnte dazu kommen, dass der Kreisratsvorsitzende nicht mehr direkt, sondern indirekt vom Kreisrat gewählt wird. Folglich können Allianzen zustande kommen mit anderen politischen Kräften zu unseren Gunsten. Dementsprechend müssen wir die Sache nüchtern angehen, und zwar frühzeitig. An potenzielle Kandidaten aber sollte auch in den anderen Ortschaften und Kreisen gedacht werden.

Was ist in der Parlamentstätigkeit zu erwarten?

Ich bin Mitglied im Ausschuss für Verfassungsnovellierung und hoffe, dass dieses Vorhaben neu angegangen wird und der Kompromiss zustande kommt, um die Novellierung anzunehmen. Im Parlament ist die Zweidrittel-Mehrheit nötig, was einen Balance-Akt zwischen Regierung und Opposition voraussetzt – und vielleicht das Einwirken des Staatspräsidenten. Wir haben in der Fraktion der nationalen Minderheiten Vorschläge formuliert und zum Teil eingebracht und dementsprechend ist meine weitere Tätigkeit in diesem Ausschuss wichtig für mich.

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist das neue Wahlgesetz, in dem die Vertretung der nationalen Minderheiten wie bisher bedacht werden muss. Der Parlamentsplatz für die kleinen Minderheiten muss weiterhin gegeben sein, weil – bei aller Bescheidenheit – das wichtigste politische Mittel in Bukarest doch das Wirken des Abgeordneten im Parlament ist bzw. seine Zusammenarbeit mit der amtierenden Regierung. Infolge der Verfassungsnovellierung sollten die Regionalisierung und Dezentralisierung möglich werden. Sollte es dazu kommen, würde ich mich in diese Arbeit einbringen, zumal wir, historisch betrachtet, immer um eine dezentrale, regionale Verwaltung und nicht eine zentrale bemüht waren. Eine weitere Priorität bleibt die politische Beziehung zu Deutschland und die enge Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft, vor allem mit Botschafter Werner Hans Lauk, dem ich öffentlich für seine Unterstützung danken möchte, wie auch mit den beiden deutschen Konsulaten.

Die Bemühungen, die Lehrer im deutschsprachigen Unterricht zu fördern, nehmen konkrete Konturen an. Wie steht es um die Gebäude der Lenauschule und des Ettinger-Lyzeums, zu denen Sie eine parlamentarische Anfrage an den Bildungsminister gerichtet hatten?

Was das Projekt betreffend die Unterstützung des Bildungswesens in Deutsch Muttersprache angeht, möchte ich nicht in Details gehen, aber unterstreichen: Ich bin meinen Kollegen im Bundestag, vor allem Dr. Christoph Bergner, sehr dankbar dafür, dass sie ein Signal gesetzt und gezeigt haben, dass sie sich für unsere Gemeinschaft interessieren und dieses Bildungssystem fördern: Es geschieht zum Nutzen von ganz Rumänien, da es von sehr vielen Kindern aus der Mehrheitsbevölkerung oder anderen Ethnien besucht wird. Also, ganz herzlichen Dank dafür. Das Projekt ist eine sehr gute Sache, die ich politisch flankieren werde.

Was die Gebäude angeht: Das Hauptgebäude der Lenauschule wird zurzeit mit EU-Geldern saniert und für das Ettinger-Lyzeum wird derzeit das Projekt erstellt. Ich nehme an, dass der Bau mit Mitteln aus dem neuen EU-Haushalt umgesetzt werden kann. Ich werde beide Projekte weiter verfolgen und die Minister immer wieder auf sie ansprechen, damit sie sie nicht vergessen.

Werden Sie den Staatspräsidenten bei dem für Februar angekündigten Besuch in Deutschland begleiten?

Davon war noch nicht die Rede, wichtiger ist, dass der Besuch stattfindet. Sollte der Staatspräsident mich in die Delegation einladen, werde ich ihn selbstverständlich begleiten. Der Besuch geht nach Frankreich und Deutschland – den Gründerländern der Europäischen Union. Ich freue mich, dass der neue Staatspräsident in einem Monat mehr bilaterale Treffen hatte als sein Vorgänger während seinem letzten Mandat. Das zeigt eben, welcher Ruf ihm vorauseilt, und in dieser Hinsicht möchte ich Jean-Claude Juncker zitieren, der gesagt hat: „Ich habe großes Vertrauen in Klaus Johannis“. Für uns als Minderheit, vor allem aber für das Land ist der Besuch von großer Wichtigkeit. Es ist zu erwarten, dass er die bedeutendsten politischen Persönlichkeiten beider Staaten trifft, was einen äußerst positiven Einfluss auf die jeweiligen bilateralen Beziehungen haben wird.