Ein Land mit vielen Facetten

Rumänische Kulturtage in Schwabach

Fröhliche Tänze aus dem Banat und benachbarten Regionen zeigte die rumänische Tanzgruppe „Romanima“ aus Nürnberg, hier in Trachten aus dem Banater Bergland. Foto: Wolfram Göll

Am Anfang war die Feststellung. Dann prüfte man abermals die statistischen Angaben. Schließlich folgte die Tat. So könnte man kurz die Situation in der kleinsten kreisfreien Stadt Bayerns, in Schwabach, in der Metropolregion Nürnberg, umschreiben. Die Feststellung lautete bereits im Januar 2016: Rumänen sind die größte Gruppe der Ausländer in Schwabach. Die Statistik besagte Ende 2018: 906 Schwabacher Einwohner verfügen über die rumänische Staatsbürgerschaft und 805 Personen über eine doppelte (d. h. rumänische und deutsche) Staatsbürgerschaft. Dazu kommen laut „Schwabacher Tagblatt“ noch die Aussiedler, die einen deutschen Pass haben, aber in Rumänien geboren sind. Das bedeutet, dass in Schwabach circa 2000 bis 3000 Menschen leben, die ihre Wurzeln in Rumänien haben. Die Tat wurde Anfang April vom Integrationsrat der Stadt Schwabach vollbracht: ein dreitägiges Fest, dreisprachig auf dem Flyer, auf Plakaten und in der Presse angekündigt: RUMÄNIEN, Ein Land mit vielen Facetten / O Țară cu multe fațete / Egy sokoldalú ország.

Da man das Land Rumänien meist nur mit der Stereotype Dracula in Erinnerung hatte, wurde Josef Balazs vom Nürnberger Kulturbeirat zugewanderter Deutscher kontaktiert. Von ihm gingen dann die kulturellen Impulse aus, ein realistisches Bild Rumäniens in der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Alsbald wurden als Schirmherren des Schwabacher Festes Iulia Ramona Chiriac, Generalkonsulin von Rumänien in München, sowie das Bürgermeisteramt der Stadt Schwabach gewonnen.

Die Generalkonsulin zeichnete in ihrer Rede Rumänien als ein Land, das bereit ist, europäische Aufgaben zu übernehmen. Sie sagte: „Wir brauchen sicherlich mehr und nicht weniger Europa. Und Rumänien hat sich vorgenommen, ein Champion dieser Idee zu werden“. Das Generalkonsulat Rumäniens in München ist laut Angaben von Iulia Ramona Chiriac zuständig für 300.000 rumänische Staatsbürger, die im Süden Deutschlands, in Baden-Würtemberg und Bayern leben.

Bürgermeister Dr. Roland Oeser sprach das Grußwort der Stadt Schwabach und verblüffte die Anwesenden mit der Begrüßung: „Bună seara, bun venit in Schwabach“. Er sprach vom kulturellen Erbe Rumäniens und erwähnte den Dichter Mihai Eminescu, den Dirigenten Sergiu Celibidache sowie den Büchner-Preisträger Paul Celan und die Nobel-Preisträgerin Herta Müller.

Die Festrede des Abends sowie die Einführungen der nächsten Tage hielt Josef Balazs. Der rote Faden seiner Texte war die Verquickung der Kulturen innerhalb Rumäniens. Beginnend mit der Musik, wo man am deutlichsten sehen bzw. hören kann, dass die Grenzen zwischen den Menschen aufgehoben werden. Als Beispiel wurden die Komponisten Ligeti, Bartók, Liszt und Enescu genannt. Hier sei nur György Ligeti erwähnt, der mitten in Siebenbürgen geboren, als einer der bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts und als Repräsentant der Neuen Musik gilt. Neben seinem großartigen „Concert Românesc“, erscheinen im 2. Buch seiner Etüden für Klavier die Titel „Coloana infinită“ und „Coloana fără sfârșit“. Das ist ein direkter Bezug zu einem anderen Giganten der europäischen Kunst: der rumänische Bildhauer Constantin Brâncuși. Erwähnt wurde die Leipziger Buchmesse 2019, wo schon im Vorfeld bei der Nominierung gleich zwei Übersetzungen aus dem Rumänischen präsent waren: Liviu Rebreanus „Der Wald der Gehängten“, ein Roman, der unbedingt zur Weltliteratur gehört, und „Verlorener Morgen“ von Gabriela Adameșteanu.

Die Tanzgruppen der Siebenbürger Sachsen, der Banater Schwaben und die ungarische Tanzgruppe „Tüzvirág“ exemplifizierten im Rhythmus und Colorit ihrer Musik und Trachten die tatsächliche Vielfalt und den Facettenreichtum des Landes Rumänien.

Die Trachten- und Tanzgruppe des rumänischen Kulturvereins „Romanima“ aus Nürnberg begeisterte am Samstag mit drei Arten von Tänzen der Rumänen aus drei Regionen in den dazu passenden Trachten: aus dem Banater Flachland, aus dem Bergland zwischen Banat und Siebenbürgen sowie aus dem Grenzland zwischen Banat und der Kleinen Walachei, aus Mehedinți. Die Texte zwischen den einzelnen Tänzen entführten das zahlreiche Publikum in die mythische Welt des Meister Manole und in das Reich der rumänischen Märchen und Balladen, die Carmen Sylva, die dichtende Königin der Rumänen, ins Deutsche übersetzt hatte.

Den Höhepunkt des dreitägigen Festes bildete der ökumenische Gottesdienst in der evangelischen Stadtkirche. Der feierliche Einzug der Trachtenträger in die Kirche sowie der Gottesdienst, zelebriert von den Vertretern dreier Konfessionen, evangelisch-lutherisch, römisch-katholisch und rumänisch-orthodox, musikalisch bereichert von der ungarischen Zithergruppe sowie dem Tenor Paul Onaga, haben im Gedächtnis der Schwabacher Bevölkerung unvergessliche Erinnerungen hinterlassen.

Am Sonntagnachmittag beendete ein musikalisches Ausnahmeereignis das Fest. In der Franzosenkirche, der Kirche der Hugenotten, die in Schwabach Ende des 17. Jahrhunderts angesiedelt wurden, fand ein Orgelkonzert statt, bestritten von Franz Metz, Kirchenmusiker und bekannter Musikwissenschaftler, und dem Bariton Wilfried Michl, beide im Banat geboren. Das außerordentliche Programm bestand aus Werken von im Westen Europas weitgehend unbekannten Komponisten: Richard W. Oschanitzky, Gheorghe Dima, Gheorghe Firca, Josef Paschill, Eugen Cuteanu, Hermann Klee u. a.

Drei Tage lang konnte man auch kulinarische Spezialitäten aus allen Regionen Rumäniens genießen, sodass die Vielfalt und der Facettenreichtum Rumäniens, ein Land, in dem man 20 Minderheitensprachen spricht, voll zur Geltung gekommen sind.