„Ein Land zu repräsentieren ist eine wunderschöne Sache“

ADZ-Gespräch mit dem Honorarkonsul Ungarns in Temeswar, Péter Tamás

Péter Tamás ist seit diesem Jahr der Honorarkonsul Ungarns in Temeswar.
Foto: marosvasarhelyiradio.ro

Er spricht perfekt Deutsch und ist gleichzeitig der Vertreter Ungarns in Temeswar/Timişoara: Péter Tamás wurde im April dieses Jahres zum Honorarkonsul ernannt – auf unbefristete Zeit. Nach dem Ableben des ersten Honorarkonsuls Ungarns in Temeswar, Pánczél Zoltán, im Jahr 2013, war der ehrenamtliche Posten unbesetzt geblieben. Der jetzige ungarische Honorarkonsul ist in Temeswar geboren und hat hier die ungarische Schule absolviert. Danach wanderte seine Familie nach Deutschland aus. Péter Tamás wohnt heute in Fellbach bei Stuttgart, er verbringt allerdings einige Monate auch in Rumänien, wo er als Geschäftsführer der Firma „Tifel“ tätig ist. Tamás plant, die ungarische Wirtschaft in der Region aufleben zu lassen und sich aktiv für die Förderung der ungarischen Kultur einzusetzen. Mit Honorarkonsul Péter Tamás sprach über seine Aufgaben und Vorhaben Astrid Weisz von Radio Temeswar.

Sie sind seit einigen Monaten Honorarkonsul Ungarns in Temeswar. Was muss denn ein Honorarkonsul leisten?

Der Honorarkonsul wart die Interessen der ungarischen Staatsbürger, der Rechtspersonen und Organisationen ohne Rechtspersönlichkeit. Zu den wichtigsten konsularischen Aufgaben gehören der Schutz der Interessen des ungarischen Staates und seiner Angehörigen sowie die Förderung und Entwicklung der Beziehungen auf dem Gebiet des Handels, der Wirtschaft, des Fremdenverkehrs, der Kultur und der Wissenschaft. Des Weiteren würde ich die Gewährung von Hilfe und Unterstützung für ungarische Staatsbürger, die in Not geraten sind, erwähnen. Ich bin seit einigen Monaten im Amt und wir hatten bereits zwei Fälle. Eine Frau wurde im Retezat-Gebirge vom Blitz getroffen und wurde nach Temeswar ins Krankenhaus eingeliefert. Wir mussten ihr helfen, nahmen Kontakt mit dem Konsulat in Klausenburg und der Botschaft in Bukarest auf und organisierten den Rücktransport nach Ungarn. In Lugosch wurde ein Zirkusangestellter zusammengeschlagen, der auch keine Papiere hatte. Wir fanden heraus, wo er früher gewohnt hat, und als es ihm besser ging, wurde auch er mit unserer Unterstützung nach Ungarn geschickt.

Was ist der Unterschied zwischen einem Honorarkonsul und einem Berufskonsul? Von der Aufgabenstellung klingt das so ziemlich gleich...

Es gibt viele Geschichten, die wir auch erledigen, allerdings bekommt ein Honorarkonsul kein Geld. (lacht) Es ist natürlich eine wunderschöne Sache, ein Land zu repräsentieren. Mein Großvater und mein Urgroßvater waren Urbanater und sie hatten damals, um die Jahrhundertwende, auch wichtige Stellen inne – sie hatten Beamtenstatus in Temeswar. So offiziell bin ich nicht, Reisepässe kann ich beispielsweise nicht aushändigen, nur in Notfällen ist das möglich. Viele Siebenbürger erhalten jetzt die ungarische Staatsbürgerschaft und in diesen Fällen kann ich vermitteln. Mit Klausenburg zusammen organisieren wir Tage, an denen die Leute vom Konsulat in Klausenburg nach Temeswar kommen und diese Staatsbürgerschaft überreichen. Wir erteilen Beglaubigungen, bestätigen die Authentizität von Dokumenten, die in Ungarn ausgefertigt worden sind – aber das geschieht eher seltener. Dann möchte ich noch erwähnen: die Förderung der ungarischen Wirtschaft, die Vertretung der Wirtschaft Ungarns bei internationalen Konferenzen, Kongressen und informellen Anlässen, die Wahrnehmung der Interessen ungarischer Firmen im Banat usw. Es tut mir sehr leid, dass es in Temeswar keine richtigen ungarischen Restaurants gibt. Und das, obwohl Szeged nur 120 Kilometer von Temeswar entfernt liegt, und wir wissen alle, wie gut man dort isst.

Inwiefern sind Sie als ungarischer Honorarkonsul auch für die ungarische Minderheit zuständig?

Ich bin für die Verwaltungskreise Temesch, Karasch-Severin und Hunedoara zuständig. Für mich persönlich und für Budapest war es sehr wichtig, dass sich jemand um die ungarische Minderheit im Banat kümmert. Es wird viel getan in Temeswar, aber ich glaube, es ist immer noch zu wenig. Beispielsweise vorgestern habe ich mitbekommen, dass die Petöfi-Statue im Stadtteil Freidorf beschädigt wurde, was mir sehr leid tut. Auch im täglichen Leben muss die ungarische, aber auch die deutsche und die serbische Minderheit mehr Präsenz zeigen. Zahlenmäßig sind wir klein geworden, aber immerhin ist die ungarische Minderheit die größte Minderheit im Banat.

Wie kam es dazu, dass Sie zum Honorarkonsul in Temeswar ernannt wurden?

Das ist eine lange Entwicklung. 1993 kam mein Vater zurück, weil er einen Traum hatte, nämlich eine Fabrik zu gründen, wo umweltfreundliche Farben hergestellt werden. Wasserverdünnbare Farben und Lacke. Das tat er auch – er gründete die Firma „Tifel“. Diese Bezeichnung entstand von zwei Abkürzungen: „Ti-mi{oara“ und „Fel-bach“. Diese Heimatverbundenheit war immer da. Ich habe dann die Firma übernommen und ich muss sagen, dass wir seit 1993 alles unterstützen, was hier ungarisch ist – Kindergarten, Theater, usw. aber nicht nur die Ungarn, ein paar andere Minderheiten haben wir einige Male auch unterstützt. Darauf ist Budapest aufmerksam geworden. Vielleicht war es unsere Nähe zu den Leuten in Temeswar, die die Zuständigen in Budapest auf den Gedanken gebracht hat, mich anzusprechen.

Sie sind der Geschäftsführer der Firma „Tifel“. Wo leben Sie, in Deutschland oder hier, in Temeswar?
Das ist eine gute Frage. Man wollte unbedingt, dass ich hier leben soll. Ich bin auch rumänischer Staatsbürger und vor ein paar Jahren war es noch so, dass ich fünf-sechs Monate hier war und genauso viel in Deutschland. Ich werde demnächst immer mehr in Temeswar sein und ich freue mich darauf. Hier zu bleiben, ist, finde ich, wieder eine Alternative, obwohl immer noch sehr viele Menschen auswandern.

Sie müssen vor Ort auch die ungarische Wirtschaft unterstützen. Inwiefern gibt es für die ungarische Wirtschaft so etwas wie einen Wirtschaftsclub, wie zum Beispiel der Deutschsprachige Wirtschaftsclub (DWC)?

Leider gibt es das hier nicht. Ich finde, dass der DWC sehr gut funktioniert, ich bin da auch Mitglied. Die Ungarn haben etwas anderes, den Ungarischen Wirtschaftsverein Rumäniens - Romániai Magyar Üzleti Egyesület, kurz: RMÜE. Das ist nicht so praktisch, weil von hier, von Temeswar aus, fahre ich doch nicht nach Bukarest zu den Treffen, oder eher selten, weil ich die Zeit dafür nicht aufbringen kann. Wie gesagt, in Temeswar ist noch viel zu tun. Die rumänische Bevölkerung ist sehr tolerant hier in Temeswar. Auch gegenüber den Ungarn und den ungarischen Produkten sind sie sehr offen.

Allgemein ist bekannt, dass es in Rumänien ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen der rumänischen Mehrheitsbevölkerung und der ungarischen Bevölkerung gibt, hauptsächlich wegen der Region Szeklerland. Wie haben Sie das hier im Banat empfunden? Ist das für Sie ein Problem?

Ich habe damit keine Probleme gehabt. Ich rede, zum Beispiel, immer mit den Taxifahrern und die sind sehr offen, auch im Vergleich zu anderen Städten. Ich bin gleichzeitig aber auch ein Verfechter des Regionalismus, denn ich habe es in Deutschland erlebt, dass man in Stuttgart für Baden-Württemberg viele Entscheidungen trifft und diese nicht in Berlin abwartet. Rumänien ist immer noch sehr zentral und das ist nicht gut, nicht nur ethnisch bedingt, sondern auch wirtschaftlich. Ich glaube, das Banat wäre um vieles weiter, wenn man hier viele Dinge entscheiden könnte. Spannungen habe ich persönlich nicht erlebt. Aber man hört manchmal so Dinge. Einige Rechte werden immer noch missachtet. Es wurde viel getan, aber es gibt noch viel zu tun.

Wo finden Sie, gäbe es Nachholbedarf?

Es gab ein Haus der Ungarn, in den 30-er Jahren gebaut, wo jetzt auch die Redaktion der Zeitung „Ùj Szó“ ist. Das haben sie bis heute nicht zurückbekommen und das ist absolut nicht schön.

Was nehmen Sie sich für Ihre Amtszeit vor?

Im Mai gab es italienische Festtage im Zentrum, das möchte ich auch machen – so etwas wie „Ungarische Festtage“ oder „Budapest stellt sich vor“. Dann möchte ich Wirtschaftsleute hierher bringen und vielleicht eine Konferenz organisieren. Es gibt Ende November eine ungarische Filmwoche im Theater, die möchte ich aktiv unterstützen. Am 23. Oktober ist der ungarische Nationalfeiertag, den ich in Temeswar organisieren möchte. Ich haben schon einen Staatssekretär eingeladen und ich möchte da die Stadt Temeswar vorstellen. Wir haben ein Projekt mit monatlichen Diskussionsrunden initiiert, zu denen wir Gäste aus Ungarn und Rumänien einladen. Wir veranstalten auch Weinverkostungen.

Inwiefern kennen Sie das heutige Ungarn, um es da repräsentieren zu können?

Ich glaube, selbst wenn man dort nicht gelebt hat, aber Bezüge zu ungarischen Werten hat, dann kann man es auch vertreten. In Stuttgart gibt es einen ungarischen Honorarkonsul, Rolf Kurz, der kein Wort Ungarisch spricht und trotzdem viel für die Ungarn bewirkt hat. Natürlich kenne ich Ungarn sehr gut, ich habe eine Wohnung in Budapest, ich bin sehr oft am Plattensee und ich habe dort viele kulturelle Orte besucht.