Ein langer und nicht immer glatter Weg

Gespräch mit Arnold Ungar, dem neusten Vorstandsmitglied des Ortsforums Kronstadt

Arnold Ungar in seinem Arbeitszimmer.

Bartholomäusfest 2014, in der ersten Reihe rechts, neben Werner Lehni, Presbyter Arnold Ungar
Fotos: Hans Butmaloiu

Das Arbeitszimmer, in welchem uns Arnold Ungar empfängt, hat die Abmessungen eines gewöhnlichen Raumes in einem Plattenbau, doch haben sich die Planer solch genormter Wohneinheiten mit Sicherheit nicht vorgestellt, dass dort so viele Bücher hineingehen können. Und nach dem Gespräch, welches wir mit dem Geschichtslehrer geführt haben, scheint es eher unwahrscheinlich, dass zu den Parteianweisungen für Wohnungsplaner auch das Einbeziehen einer Bibliothek gehörte. Aber greifen wir nicht vor.

Die erste Frage ist immer auch die einfachste und kürzeste: Wer sind Sie Herr Ungar?

Ich bin in Schäßburg geboren, Jahrgang 1954, und habe den Großteil meiner Kindheit und Jugend in Elisabethstadt/Dumbrăveni verbracht, wo ich den deutschen Kindergarten und die deutsche Grundschule besucht habe und dann nachher, das rumänische Lyzeum. Es folgte die Aufnahmeprüfung an der Hermannstädter Hochschule für die Fächer Deutsche Literatur und Geschichte. Als Jahrgangsbester durfte ich beim Abschluss Kronstadt wählen, obwohl ich damals eigentlich gerne in Hermannstadt geblieben wäre. Ja, und so bin ich hier gelandet.

Wo haben Sie mit dem Unterrichten angefangen und welches waren Ihre Erfahrungen mit dem Schulsystem vor 1989?

Angefangen habe ich als Geschichtslehrer denn Deutsch wollte ich damals nicht unterrichten. Ich war der Schuleinheit zugeteilt worden, die bis 1989 dem Ministerium für Leichtindustrie unterstellt war, bekannt als „Liceul MIU“ (Ministerul Industriei U{oare), in der Burggasse, unweit des Tennisplatzes, der sich am Fuße der Weberbastei befindet. Dort konnte mit Deutsch nichts erreicht werden, die Schüler kamen fast alle damals aus der Moldau und sprachen kaum richtig Rumänisch. Also bin ich schön bei Geschichte geblieben und habe meine Stunden gehalten. Irgendwann wurde ich dann zum stellvertretenden Schuldirektor ernannt, doch da hat es nicht mehr richtig funktioniert, denn ich konnte mich dem damaligen „Gleichschritt“ nicht anpassen. Der bestand aus Eingliederung und zwar in Form des „Anleiters der kommunistischen Jugend“, wobei ich erst spät entdeckt habe, wohin mich das hätte führen können. Das war irgendwann, Ende der 70-er Jahre, als ich in der damaligen Geschichtszeitschrift „Cumidava“ zu schreiben angefangen habe.

Damals begannen Sie schon Ihrer beruflich bedingten Leidenschaft für Geschichte nachzugehen?

Genau, mein allererster Beitrag hatte als Gegenstand die Stellung der Siebenbürger Sachsen gegenüber der Vereinigung Siebenbürgens mit dem Königreich Rumänien. Und ab der Veröffentlichung dieses Beitrages haben für mich die Schwierigkeiten begonnen.

Worin genau bestanden diese „Schwierigkeiten“, wie Sie sie bezeichnen?

Weil ich einen Beitrag geschrieben hatte, der sich auf das Thema bezog und ich keine Zitate der noch lebenden oder schon toten „Genossen“ eingefügt hatte! Das war eine Kapitalsünde bei einer Veröffentlichung solcher Art! Ich bekam Hausverbot beim Staatsarchiv und mein Traum war aus und vorbei, bevor er erst so richtig angefangen hatte. Vielleicht war es aber auch mein Glück, dass es so verlief, denn es hätte auch viel schlimmer enden können. Mein Glück kann ich sagen, war, dass ich darüber im Büro von Michael Kroner gesprochen habe, dem Mitarbeiter der Karpatenrundschau, als er schon die Papiere hatte um auszuwandern. Ich habe ihm erzählt, dass ich mich geweigert habe, an meinem Text etwas zu ändern und er hat mich belehrt, dass ich, sollte ich doch seine Stelle bei der Karpatenrundschau einnehmen wollen, „linientreu“ sein muss: „Du musst das sagen, was die Genossen hören wollen, nicht das, was die Urkunden oder Dokumente beweisen“, war seine Belehrung. Demnach habe ich sofort mein Versetzungsgesuch zur Zeitung zurückgenommen und meine Zeitungskarriere war vorbei, bevor sie begonnen hatte.   
 
Und Sie blieben weiterhin im Lehramt, ohne andere Folgen?

Ich wechselte irgendwann zu der Berufsschule Hidromecanica, wo ich im Amt war, als die Wende kam, also bis 1990. Dann bin ich zum „Brâncoveanu“-Lyzeum gewechselt, wo ich 1991 vom Lehrerkollegium zum Direktor gewählt wurde.

Wann haben Sie mit Ihrer politischen Karriere begonnen?

Genau ein Jahr später, denn von 1992 bis 1996 war ich stellvertretender Kreisratsvorsitzender, zeitgleich mit meiner Zugehörigkeit zur Christlich-Demokratischen Bauernpartei der ich schon 1990 beigetreten war. Ab 1996 bis 2000 war ich nur noch Mitglied im Kreisrat aber Leiter der Rechtsabteilung. Dann habe ich mein Studium vorangebracht, abgeschlossen und habe von 2005 bis 2008 in München gelebt, wo ich auch die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen habe und meinen Namen, aus dem romanisierten Ungureanu, zurück ins deutsche Ungar geändert habe. Den Namen den ich jetzt trage.

Also entspricht diese Zeitspanne, als Sie in Deutschland waren auch für eine gewisse Umstellung der Prioritäten?
Ein wenig schon, denn aus der Bauernpartei musste ich austreten weil eine politische Zugehörigkeit nicht mit einem solchen öffentlichem Amt vereinbar ist. Nach meiner Rückkehr aus Deutschland  wurde ich 2008 sowohl Mitglied der Nationalliberalen Partei (PNL) aber ich engagierte mich auch in der Kirchengemeinde Bartholomä, wo ich im selben Jahr auch Mitglied des Presbyteriums wurde. Jetzt wurde ich zum „Neuling“ im Stadtforum  bei den letzten Wahlen. Und seit etwa einem Monat bin ich auch im Vorstand des Verbandes der Ehemaligen Politischen Häftlinge, dessen Landesvorsitzender, Octav Bjoza, ein Kronstädter ist. Um aber genauer auf die Frage der Prioritäten zu antworten, das hat so seine Gründe, dass ich jetzt mehr Engagement zeigen kann.

Als ich nämlich beim Kreisrat und Bürgermeisteramt Angestellter war, hätten solche Tätigkeiten zu möglichen Interessenkonflikten geführt, wie ich schon erwähnt habe, und das wollte ich mir keineswegs antun oder nachsagen lassen. Ich wurde ja auch nie von jemandem verdächtigt, mich in einem Interessenkonflikt zu befinden. Jetzt, wo ich als Anwalt tätig bin und nicht mehr viel bis zur Rente habe, da habe ich auch etwas mehr Zeit, um mich gemeinnützig zu engagieren, so wie eben auch im Verband der Ehemaligen Politischen Häftlinge, wo ich auch die  Rechtsberatung wahrnehme, da mich die Dinge interessieren.

Zum Schluss dieses Gespräches kommend, welches wir irgendwann fortsetzen sollten, noch eine Frage: Sie tragen oft eine Halskette mit zwei Anhängern. Was stellen diese dar?

Sie sind stellvertretend für meine Leidenschaft, nämlich Geschichte und für meine politische Überzeugung, die pro monarchisch ist. Meine Leidenschaft für Geschichte umfasst Bücher (und Arnold  Ungar deutet auf die bis unter die Decke reichende Bibliothek) genauer auf die Zeitspanne von 1914 bis heute. Ich bin aber auch ein sehr großer Bewunderer von Napoleon Bonaparte, zum Beispiel. Seit 1914 ist jedoch das Tatzenkreuz, oder Malteserkreuz, oder Ritterkreuz, ein Symbol für Ehre und Treue. Als Staatssymbol ist es als Bundesverdienstkreuz bekannt, ich trage dafür das bei der Bundeswehr seit deren Gründung als Wahrzeichen bekannte Bundeskreuz. Es handelt sich also nicht um irgendeinen „Verdienst“! Das zweite ist eine rumänische Königskrone. Ich war und bin der Überzeugung, dass 1990 der erste Schritt die Rückkehr zur Monarchie hätte sein müssen, nicht die Hetzjagd und erneute Ausweisung des Königs durch das damalige Regime.

Vielen Dank für diese Ausführungen!

Die Fragen stellte
Hans Butmaloiu