Ein Öko-Haus aus Brennholz?

Ästhetisch, solide, flexibel und unschlagbar billig – eine fast vergessene Bautechnik erobert neues Terrain

Beliebige Grundrisse lassen sich ganz leicht realisieren – hier ein Haus in Achteck-Form.
Fotos: Richard Flatau

Rundes Haus aus besonders knorrigen Baumstämmen (Georgia, USA).

Bunte Flaschen in der Wand erhellen den Raum und geben ihm einen verspielten Charakter (Mermaids Cottage, Colorado).

Unverputzte Innenwände sind nicht nur geldsparend, sondern strahlen vor allem urige Gemütlichkeit aus.

Die Cordwood-Technik eignet sich auch für Do-it-Yourself.

Richard Flatau aus Wisconsin

Wer träumt nicht in irgendeiner Lebensphase davon, sich mit eigenen Händen irgendwo im Grünen ein Häuschen zu bauen? Im Idealfall ein geräumiges, gemütliches Familienheim, mit ländlichem Charme und individueller Note, warm im Winter und kühl im Sommer. Oder zumindest ein romantischer Sommersitz an See oder Waldrand, eine urige Berghütte auf einer Blumenwiese... Nein? Dann wenigstens ein winziges Schriftsteller-Refugium in der hintersten Ecke des elterlichen Gartens. Natürlich soll das Traumhäuschen auch möglichst originell sein!

Wie wär’s mit rund und Grasbewuchs auf dem Dach? Oder mit bunten Glasbullaugen? Auch ökologische Materialien sind immer mehr im Kommen: Holz, Lehm, Stroh. Zudem soll es einfach zu realisieren sein, am besten als Do-It-Yourself. Denn wer hat in der Freizeit schon den Nerv, einen Arbeitertrupp zu beaufsichtigen, oder das Geld, eine professionelle Baufirma zu engagieren?

Wenn man,  mit all diesen Kriterien beladen, durchs Internet surft, landet man schnell... in Amerika! Genaugenommen in Merrill, Wisconsin, bei Richard Flatau, dem erkorenen „Papst“ einer Bautechnik, die sich Cordwood nennt. Die sowohl in Schweden als auch in Nordamerika im 19. Jahrhundert parallel und ohne gegenseitige Einflüsse entwickelte Bauweise erfreut sich dort seit der „Habitat“-Ausstellung in Vancouver 1975 eines regelrechten Booms, denn Cordwood-Häuser erfüllen nicht nur alle obigen Kriterien, sie sind zudem ästhetisch ansprechend, haben ausgezeichnete Wärmedämm-Eigenschaften, sind relativ erdbebensicher, feuerresistent und geeignet für alle Klimazonen.

Über 1000 prachtvolle Cordwood-Häuser sollen seither in Nordamerika entstanden sein. Richard Flatau, Erbauer einiger Cordwood Gebäude und Leiter entsprechender Workshops, sammelt und dokumentiert alle Erfahrungen auf gleich mehreren Webseiten. Erste Cordwood-Versuche findet man seit Kurzem auch in Europa: Schweden, Finnland, England, Frankreich, Polen, Ungarn, Russland. Meist sind es noch kleinere Hütten mit wenigen Quadratmetern Fläche – zaghafte Gehversuche auf neuem Terrain. Nach Rumänien ist Cordwood bislang noch nicht vorgedrungen. Über die Idee, diese Bauweise auch hier einzuführen, zeigt sich Richard Flatau begeistert.

Grundregeln für ein solides Haus

In Amerika gibt es über 100-jährige Cordwood Häuser, die immer noch in einwandfreiem Zustand sind. Richard und Becky Flatau leben jedoch erst seit 33 Jahren in ihrem Cordwood-Heim. Der Bau hat sie zwei Sommer (1979/80) und 15.000 US-Dollar gekostet  – ein Drittel des Preises für ein vergleichbares herkömmliches Haus, meint Richard. Obwohl in den USA als „Poor Man’s Architecture“ bekannt, zeigt er auf seiner Webseite jede Menge Beispiele auch für größere Villen. Bis zu zwei Stockwerke kann man mit Cordwood bauen, meint Richard, wenn man ein paar unumstößliche Grundregeln beachtet, ohne die ein Cordwood Haus schnell zum Albtraum werden kann. In diese führt er in seinem 2012 erschienenen Buch „Cordwood Construction Best Practices“ ausführlich ein.

Doch was bedeutet eigentlich Cordwood? Zu deutsch „Klafterholz“ verrät der Begriff bereits die wichtigste Grundsubstanz: Brennholz! Geschältes Brennholz – Grundregel Eins – denn die Rinde würde Feuchtigkeit und Insekten anziehen! Ganze Baumscheiben und gespaltene Scheite von idealerweise 40 Zentimetern Länge, möglichst in verschiedenen Größen, werden wie Ziegelsteine hochgemauert, wobei die Enden innen und außen aus der Wand herausragen. Auf keinen Fall darf man sie streichen oder mit herkömmlichen Materialien verputzen, denn die atmungsaktiven Fasern der Holzscheite wirken wie Strohhalme, die die Feuchtigkeit aus dem Haus ausschwitzen, erklärt Richard. Ein Cordwood Haus besticht daher stets durch urigen Look.

Dann verrät er Grundregel Zwei: weich muss das Holz sein, denn Hartholz schwillt bei Regen zu stark an und läßt die Wände bersten. Geeignet sind Zeder, Fichte, Pappel, Pinie oder Tanne. Möglichst trocken, denn beim Nachtrocknen entstehen sonst Hohlräume, die man allerdings leicht ausbessern kann. Als Mörtel empfiehlt er fünf Varianten, von strikt natürlichen Lehm-Stroh-Sand (Cob) oder Kalk-Sand (Lime Putty) Mischungen über Zeitungspapier-Borax-Kalk-Sand, Zement-Kalk-Sand-Sägespäne und Zement-Zeitungspapier-Sand Kompositionen, alle in einem bestimmten Verhältnis und mit Wasser anzurühren.

Der Schwede Olle Hagmann, der sich mitten im Wald eine Schriftstellerhütte gebaut hat, hat alle Varianten selbst ausprobiert. Die wenigsten Risse hatte er bei der Sägespäne-Mischung und überhaupt keine mit der Papier-Zement-Komposition. Sein 3x3 Meter Häuschen aus  Fichten- und Espenholz hat ihn nur 500 Euro gekostet. „Bis jetzt ist es dicht, kein Schimmel, keine Mäuse,“ freut sich Olle. „Wenn wir nicht schon eine Sauna hätten, würde ich mir eine aus Cordwood bauen, denn die Technik ist hierfür besonders geeignet, vor allem, wenn man das Innere zum Brandschutz mit Lehm verkleidet“, schreibt der pensionierte Professor, der unbedingt informiert werden möchte, sobald in Rumänien das erste Cordwood-Experiment läuft!

Obwohl sich Cordwood-Häuser auch für feuchtes Klima, Fluss und Seeregionen eignen, muss direkter Kontakt mit Wasser – Grundregel Drei – unbedingt vermieden werden, warnt Richard. Dies bedeutet, ein leicht erhöhtes Fundament aus Stein oder Beton und ein überhängendes Dach, das bereits vor dem Mauern der Wände stehen muss. Am besten errichtet man eine Holzpfeilerkonstruktion und mauert dann zwischen den Stehern hoch. So lassen sich runde Konstruktionen genauso leicht wie eckige realisieren. Für erdbebengefährdete Gebiete empfielt Richard zusätzliche Querstreben. Für den späteren Einbau von Fenstern müssen Holzrahmen als Platzhalter eingemauert werden. 

Im Sommer kühl, im Winter warm

Die hervorragenden Wärmeisolationseigenschaften, die von der Universität Manitoba nachgewiesen wurden (Wärmedurchlasswiderstand einer 40 cm Wand: R=24), erklärt Richard mit der hohen thermischen Masse der Holzscheite, die Temperaturfluktuationen verhindern. Aber auch die spezielle Technik des Mauerns trägt dazu bei: Die Scheite werden nur an den Enden mit je einem Klecks Mörtel verbunden. In den Hohlraum dazwischen kommt Sägemehl zur Isolation.

Eine Cordwood-Wand enthält also wesentlich weniger Mörtel als sie optisch den Eindruck erweckt. Wie dick oder dünn man die Mörtelschicht  aufträgt, ist eine Frage der gewünschten Optik. Zum Schutz vor Insektenfraß und Schimmelpilzen kann man das Sägemehl im Isolationsraum mit gelöschtem Kalk vermengen oder die Holzscheite mit Borax behandeln. Mit altem Holz zu bauen, sei kein Problem, meint Richard. Niemals darf jedoch bereits befallenes Holz verwendet werden.

Olle Hagman hat bei seinen Forschungen in Schweden und Norwegen noch eine andere Technik aufgetan (1870-1930), bei der rechteckige Holzstücke – der Verschnitt von Sägewerken – wie Ziegel mit einer Lehm-Stroh-Mischung vermauert wurden. Dass Cordwood-Wände sogar brandsicher sind, zeigt ein Experiment der Universität New Brunswick. Fünf Stunden hielt die Testwand einem Feuer stand, die Hölzer kokelten nur an den Enden an.

Ein ganz persönliches Kunstwerk

Sich künstlerisch austoben kann man bei der Cordwood-Technik gleich in mehrfacher Weise. Zum Einen durch Form und Anordnung der Scheite. In einem Projekt für den Leiter des Bärenclans im Ojiba Indianerreservat realisierte Richard Flatau eine stilisierte Bärenpfote als persönliches Markenzeichen. Attraktiv sind aber auch mit eingemauerte  Glasflaschen in allen Farben und Formen, die für charmante Lichteffekte sorgen.

Muscheln, Perlen oder Steine können in den Mörtel gedrückt werden, oder Applikationen aus Lehm angebracht. Wer es sehr rustikal mag, kann für die Basiskonstruktion  knorrige Stämme verwenden. Eine Cordwood-Wand lässt sich problemlos an unebene Grenzflächen anpassen. Regale oder Nischen entstehen, wenn man längere Hölzer einbaut, die innen oder außen aus der Wand ragen.  „Ein Cordwood-Haus stellt einen vor viele Entscheidungen“, resümiert Richard Flatau.  Obwohl, wie er meint, nicht viel schief gehen kann, braucht man auch ein wenig Mut. Na, wer traut sich?

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„Cordwood Construction Best Practices“ von Richard Flatau, auch als E-Book bei www.daycreek.com/dc/html/paypal_flatau.htm erhältlich.
Mehr Info auch unter www.cordwoodconstruction.org und www.daycreek.com