Ein Orgelbauer wird wiederentdeckt

Eine Rundreise zu Einschenk-Orgeln der Region

Die Familie Einschenk vor der Einschenk-Orgel in Kökös. Arnulf Einschenk (links) und Gundel Einschenk (Mitte) betreiben heute die Firma in der Kronstädter Schwarzgasse.

Die restaurierte Kirche in Réty
Fotos: Christine Chiriac

Fünf Einschenk-Orgeln aus Kronstadt/Brasov und Umgebung standen im Mittelpunkt der diesjährigen Auftaktveranstaltung zur Burzenländer Konzertreihe „Musica Barcensis“. Die Tagesexkursion „Auf den Spuren von Karl Einschenk“ führte am 25. Juni zu den Kirchen und Orgeln in Kökös/Chichiş, Réty/Reci, Neustadt/Cristian und zur unitarischen und Blumenauer Kirche in Kronstadt. Heuer sind es 120 Jahre seitdem Karl Einschenk (1867-1951) die Musikinstrumentenwerkstatt in der Schwarzgasse/str. Nicolae Bălcescu gegründet hat, die sich heute noch in Familienbesitz befindet und von dem Enkel des Gründers, Arnulf Einschenk, und seiner Frau Gundel betrieben wird. Aus Anlass dieses bemerkenswerten Firmenjubiläums haben die Musiker Ursula und Kurt Philippi den Auftakt der „Musica Barcensis“ dem Orgelbauer gewidmet. Auch war es ihr Ziel, Karl Einschenk erneut in die Aufmerksamkeit zu rücken, nachdem er in den vergangenen Jahrzehnten in die Kritik geraten war, da er zahlreiche mechanische Orgeln zu Beginn des 20. Jahrhunderts pneumatisch umgebaut hatte.

„Dies entsprach jedoch dem Geschmack der Zeit und war damals keineswegs ein Fehler“, unterstreicht die Organistin Ursula Philippi. „Zudem hat Karl Einschenk rund vierzig eigene Orgeln gebaut  - die größte davon für die Stadtpfarrkirche in Sächsisch-Regen  - und hat somit ein Werk hinterlassen, das Anerkennung verdient.“ Die 60 Teilnehmer der Orgeltour konnten sowohl umgebaute, als auch selber entworfene Orgeln von Karl Einschenk kennenlernen. Musikalische Beispiele, technische und musikhistorische Einblicke in die Orgelwelt, Ausschnitte aus der Geschichte der einzelnen Kirchengemeinden bildeten ein spannendes und unterhaltsames Programm. Eine Bereicherung für die Rundreise waren die Auszüge aus der unveröffentlichten Autobiographie von Karl Einschenk, die von Kurt Philippi vorgelesen wurden. Darin berichtet der Orgelbauer von seiner Kindheit in Kronstadt und der Zeit als Lehrling in einer Werkstatt, in der er zunächst undankbare Aufgaben erledigen musste: Holznägel aus Fichtenholz anfertigen oder Petroleumlampen reinigen, die oft zerbrachen und die er aus seinem Taschengeld ersetzen musste. Humorvoll und bewegend schreibt Einschenk auch über seine Lehr- und Wanderjahre quer durch Europa.

In Budapest, Wien, dem Bayeri-schen Wald, Luzern, Basel, Bern und Genf sammelte er handwerkliche Erfahrung, aber auch Eindrücke von einer Welt, die heute nur noch in seinen Instrumenten weiterlebt.
Als „die schönsten Tage meines Lebens” bezeichnete er die Zeit in der Schweiz. In Kronstadt hingegen, wo er nach seiner Wanderzeit versuchte Fuß zu fassen, erfuhr er „Kummer und Sorge“. In der Heimat schrieb er rund 400 Bewerbungsbriefe, doch zunächst gab ihm niemand einen Auftrag. Da er an der Post zweifelte, schickte er sich selbst einige Karten und Briefe und beschäftigte sich währenddessen mit kleinen Klavierreparaturen, bevor endlich die ersten Bestellungen mit Orgelbezug aus Zeiden/Codlea und Keisd/Saschiz kamen. Die ersten eigenen Instrumente baute er in Großenyed/Aiud und Tekendorf/Teaca, danach folgte der Kauf des Hauses und der sorgfältige Aufbau der Werkstatt in der Schwarzgasse. „Jede der 2000 Dachziegeln ist durch meine Hand gegangen“, berichtet Karl Einschenk in seinen Memoiren.
Der Orgelbauer wäre gewiss froh zu wissen, dass nicht nur seine Orgeln heute noch gespielt werden, sondern auch sein Unternehmen weiterbesteht. „Natürlich durfte ich als Kind in der Werkstatt mithelfen“, erinnert sich Arnulf Einschenk an die Zeit, als sein Großvater noch lebte.

Diese späten Lebensjahre waren für Karl Einschenk jedoch entmutigend. Als die jüngere Generation in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit deportiert wurde, blieb er als 77jähriger Mann in Kronstadt zurück, musste sich alleine um acht Kinder kümmern, belastende Zeiten meistern. Was bleibt, sind wertvolle Instrumente, die heute im Gottesdienst zum Einsatz kommen und im Konzertrahmen erklingen. Manche davon, wie die Orgel von 1910 aus Kökös, haben noch den originalen Blasebalg und brauchen Helfer, um überhaupt gespielt werden zu können. Bei der Rundreise am Samstag erfreute dies vor allem die Kinder, die sich eifrig an den Balg setzten und auch das Orgelspiel mit Liedern wie „Alle meine Entchen“ ausprobierten. In Réty bewunderten die Reiseteilnehmer nicht nur das Musikinstrument von 1909, auf dem Ursula Philippi alte und neue Musik aus Siebenbürgen und der Schweiz spielte, sondern auch die malerische Landschaft und die schneeweiße Kirche in exzellentem Zustand.

Die Orgel in Neustadt, die unlängst nach Reparaturarbeiten wieder eingeweiht wurde, beeindruckte mit vielfältigen Klängen. Die Organistin spielte hier anspruchsvolle Werke von Max Reger und Miniaturen von Joseph Haydn und César Franck. Auch erklärte sie die Unterschiede zwischen Registern wie „Subbass“, „Principal“ oder „Fugara“ und ließ den „Salicional“ und die „Eolina“ erklingen. Der Besuch bei den kleineren Orgeln in der unitarischen Kirche und der Kronstädter Blumenau,   wo die Reiseteilnehmer zweisprachig einen Choral mit Orgelbegleitung sangen,  schloss die Reise ab.  Somit ist „Musica Barcensis“ eindrucksvoll eröffnet worden. Die Sommerfestspiele führen in den nächsten Monaten bis Ende August bereits zum siebten Mal zu Kirchen und Kirchenburgen des Burzenlandes. Was man dort entdecken kann, sind nicht nur wohlklingende Musikwerke, sondern auch Instrumente und Sakralbauten, die Zeugen ihrer Zeit sind und zum wertvollen Kulturerbe der Region gehören.