Ein Schatz für die Gemeinde

Hohe Teilnehmerzahl bei Erntedankfest in Großsanktnikolaus

Auf dem Platz vor dem Bürgermeisteramt wird erstmals ein Kreis gebildet. Die Vorsitzende des Deutschen Forums, Dietlinde Huhn, begleitet die Kinder. Fotos: Zoltán Pázmány

Von der römisch-katholischen Kirche, wo Pfarrer Attila Andó eine Festmesse zelebriert hat, ziehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Innenstadt bis zum Rathaus.

Die Mädchen trugen typische Volkstrachten aus Großsanktnikolaus. Getanzt wurde auf dem Platz vor dem Rathaus.

„Das hier ist Erde. In der Erde wachsen alle Pflanzen. Auch wir waren einst Erde und sollen wieder zu Erde werden“, sagt Pfarrer Attila Andó und legt eine Schale voller Erde auf den Altar. „Hier haben wir Wasser. Ohne Wasser würde es kein Leben auf dieser Welt geben“, sagt er und stellt einen Wasserkrug auf den Tisch. Auch das Feuer gehört zu den Elementen, die das Leben bestimmen, erklärt der Seelsorger aus Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare.

In der römisch-katholischen Kirche der Temescher Kleinstadt findet am Morgen des 14. Oktobers ein Festgottesdienst statt. Die Kinder vom deutschen Kindergarten und die Schülerinnen und Schüler der deutschen Abteilung an der Nestor-Oprean-Gymnasialschule haben heute Dirndl und Volkstrachten angezogen und sind mit ihren Körbchen voller Obst und Gemüse in die Kirche gekommen.

Im Rahmen der Heiligen Messe soll daran erinnert werden, dass die landwirtschaftlichen Erträge Gaben Gottes sind. Gott für die Ernte danken – das machen die Gläubigen aus Großsanktnikolaus jedes Jahr, wenn das Deutsche Forum das traditionelle Erntedankfest veranstaltet. Unterstützt wird das Ereignis von der Stadt, von der Pfarrei und von der deutschen Schulabteilung.

In diesem Jahr ist das Fest größer denn je: Ungefähr 200 Kinder und Jugendliche tragen zum guten Gelingen des Ereignisses bei, das die deutsche Gemeinschaft in den Mittelpunkt des Geschehens aus Großsanktnikolaus rücken lässt.

Zu den Klängen der Rekascher Blaskapelle unter der Leitung von Mathias Henschel begeben sich die Kinder und Jugendlichen, die einige Tänze vor der Kirche dargeboten haben, bis zum Platz vor dem Rathaus. Dort wartet bereits Bürgermeister Dănuț Groza auf den Trachtenzug. Angefangen von den Kindergartenkindern und bis zu den Jugendlichen führen sie gruppenweise Spiele und Volkstänze auf. Um das Geschehen haben sich Eltern, Großeltern und einfache Bürger versammelt.

Neue Trachten für die deutsche Tanzgruppe

Die Stadt Großsanktnikolaus hat seit drei Jahren eine deutsche Tanzgruppe, für die Hansi Müller zuständig ist. 13 Mädchen und sieben Jungs gehören dazu. Heute hat der Tanzlehrer drei Jungen aus Warjasch/Variaș mitgenommen, damit die Tanzpaare zustande kommen. Die Mädchen haben ihre traditionellen Trachten angezogen. Es sind einige neue Trachten dabei, die die Forumsvorsitzende aus Großsanktnikolaus anfertigen ließ.

Dietlinde Huhn macht sich für den Erhalt der traditionellen Trachten aus Großsanktnikolaus stark. „Wir haben es bisher immer vorgezogen, bei den Auftritten Dirndl anzuziehen. Aber unsere Mädchen haben gesehen, dass die Mädchen aus anderen Ortschaften ihre eigenen schwäbischen Trachten haben und sie haben mit immer mehr Nachdruck verlangt, dass sie auch ihre eigenen Trachten haben wollen“, erzählt die Forumsvorsitzende aus Großsanktnikolaus, Dietlinde Huhn.

Sie selbst ist gegen eine Vereinheitlichung der Trachten im Banat. „Wenn wir die Vielfalt darstellen können, auch in dem, was einst typisch für jedes einzelne schwäbische Dorf war, dann ist es alle Mühe wert. Und es war wirklich eine Heidenmühe, diese Trachten anzufertigen“, sagt sie. „Unsere Tracht ist sehr kostenaufwendig in der Anschaffung und zeitaufwendig in der Pflege.

Eigentlich muss man die Tracht für jeden Anlass frisch herrichten. D. h. die Unterröcke müssen gewaschen und gestärkt werden, und wenn man sie bügelt, dann dürfen sie nicht umkippen. Dann wird der erste Unterrock und auch der Oberrock in Falten gelegt, und zwar mit Hilfe von ganz dünnen Stöcken. Für einen Rock braucht man etwa hundert Stöcke, die in gleichen Abständen gelegt werden müssen, damit die Falten gerade verlaufen“, erklärt Dietlinde Huhn.

„Die Bluse hat Puffärmel, die ebenfalls schön wegstehen müssen, damit sie nur von den dünnen Fransen des Tuches bedeckt werden. Die Schürze muss einwandfrei weiß sein“, fügt sie hinzu. Ein Problem stellte das Finden des Stoffes, aus dem die Trachten angefertigt werden sollten, dar. Oberröcke, Schürze und Bluse sind nämlich aus Lochspitzerei bzw. Spitzenstoff, der früher handgenäht wurde.

Ebenfalls wichtig, dass es Baumwolle ist. „Ein weiteres Problem war das Identifizieren einer Schneiderin, die sich traut, unsere Trachten zu nähen“, sagt sie. Die Suche nach der Schneiderin verlief in Großsanktnikolaus vergebens, allerdings fand Dietlinde Huhn in Billed eine Frau, die sich des schwierigen Auftrags anzunehmen traute. „Wir haben ihr alles erklärt, alte Fotos gezeigt und über die modernen Medien ständig kommuniziert“, sagt Dietlinde Huhn.

Sitten und Bräuche gefördert

Bei ihrem Auftritt in Großsanktnikolaus anlässlich des Erntedankfestes tragen nun die Mädchen ihre banatschwäbischen Trachten. Die Tänze vor dem Rathaus erfreuen die Augen der Schaulustigen, die sich dort eingefunden haben. Auch Bürgermeister Dănuț Groza ist von dem Geschehen begeistert. „Das Erntedankfest ist sehr wichtig für unsere Gemeinschaft. Veranstaltet wird es vom Deutschen Forum durch Frau Dietlinde Huhn, die sehr viel Herzblut in alles, was sie für die Stadt unternimmt, steckt.

Wir wünschen uns, dass die Sitten und Bräuche der ethnischen Minderheiten nicht verloren gehen, deswegen unterstützen wir mit Vorliebe derartige Ereignisse“, sagt er. In Großsanktnikolaus leben Deutsche, Ungarn, Bulgaren, Serben und Roma friedlich miteinander, und das teilweise sogar seit Hunderten von Jahren.

„Das Erntedankfest erfreut sich einer großen Beliebtheit bei den Bürgern. Das ist vor allem an der hohen Teilnehmerzahl ersichtlich. Nicht alle Kinder und Jugendlichen, die heute mitmachen, gehören der deutschen Minderheit an, doch das hindert sie nicht daran, mit Freude dabei zu sein“, sagt der Bürgermeister. „Solche Veranstaltungen sind wahre Schätze für die Gemeinde“, fügt Dănuț Groza hinzu.

In Großsanktnikolaus spielt die Schule eine bedeutende Rolle, was das Fördern der deutschen Bräuche und der deutschen Sprache angeht. Mit anderen Worten: Die Kinder der deutschen Kindergarten- und Schulabteilung sind die Hauptakteure der deutschen Veranstaltungen.

Dies ist auch einer der Gründe, weshalb am Nachmittag des Erntedankfestes im Gebäude des Forums die deutschsprachigen Unterrichtenden die beliebte Rallye „Großsanktnikolaus im Herbst“ für die Schüler veranstalten. Dabei gilt es, Spaß zu haben, Deutsch zu sprechen und spielerisch neue Sachen dazuzulernen.

„Wer einmal beim Erntedankfest dabei gewesen ist, der kommt bestimmt wieder und bringt auch seine Geschwister mit. Es macht den Kindern Spaß, sich die Tracht anzuziehen und alle Blicke auf sich zu locken. Sie genießen es auch sehr, ins Rathaus eingeladen zu werden“, sagt Dietlinde Huhn.

Dass die Freude, sich im Rathaus zu treffen, gegenseitig ist, das lässt auch Bürgermeister Groza deutlich werden. „Bitte nicht fortlaufen, bevor wir das traditionelle Gruppenfoto geschossen haben! Im Monat Oktober seid ihr und das Erntedankfest in unserem Stadtkalender abgebildet“, fügt er hinzu. Ein Kalender, der in den Häusern vieler Stadtbewohner hängt und die Kinder und Jugendlichen, die bei dem diesjährigen Erntedankfest mitgewirkt haben, mit Stolz erfüllen wird.

Dass die meisten auch im kommenden Jahr mit Begeisterung beim Erntedankfest dabei sein werden, ist jetzt schon eine Gewissheit.