Eine Büste von Stephan Ludwig Roth in Kronstadt und ihr Bildhauer Friedrich Hermann

Die verstümmelte Roth-Büste
(Foto Peter Simon)

Die Daguerrotypie als Vorbild für die Roth-Büste
(Reproduktion Camelia Neagoe)

Friedrich Hermann (1841 – 1908)
(Reproduktion aus dem Ridely-Album von Camelia Neagoe)

Anlässlich des Jahrestages der Hinrichtung von Stephan Ludwig Roth (1796 – 1849) am 11. Mai 1849 wollen wir über einige weniger bekannte Daten zum Kronstädter Nachhall des bedeutenden sächsischen Volksmannes berichten.

Im März 2017 lag im Hof des Hauses in Kronstadt Marktplatz Nr. 18 eine verstümmelte steinerne Büste am Boden. Bei genauerem Hinsehen konnte ich erkennen, dass es die Reste jener Stephan-Ludwig-Roth-Büste waren, die ich Anno 1989 als Bezirksanwalt in das Treppenhaus des Gebäudes hatte bringen lassen, wo sie jahrelang stand, bis wohl mutwillige Kinder ihr den Kopf abbrachen. Später wurde der Torso in den Garagenhof Waisenhausgasse Nr. 6 gebracht, von wo er aus mir unbekannten Gründen in den Aldus-Hof gelangte.

Die Roth-Büste befand sich ursprünglich im Garten in der Rochusgasse Nr. 3, der dem früheren Stadtgärtner Karl Ernst Hermann (1893 – 1961) gehörte. Seine Schwester Anna Wilhelmine (geb. 1890) heiratete 1923 den Volksschullehrer Carl Lang (1892 - 1971) – der älteren Generation als „Lunga“ wohl bekannt – und dessen Tochter Ella Traute Lang heiratete 1949 den Färbermeister Fritz Thomas (geb. 1927), der später als Höhlenforscher und als Fotograf des Kronstädter Kreismuseums wirkte. Als Fotograf illustrierte er die Honterus-Monografie von Gernot Nussbächer (1973) und besonders die schöne Honterus-Gedenkausstellung unter dem Nordturm der Schwarzen Kirche (1973 - 2012). Als Fritz Thomas mit seiner Familie auswanderte, bat er mich, die Stephan-Ludwig-Roth-Büste zu übernehmen und ich ließ sie ins Treppenhaus des Bezirkskonsistoriums bringen und dort aufstellen. Ich verlor sie dann aus den Augen, bis ich sie im März 2017 verstümmelt im Hof des Hauses wieder erkannte. Ich benachrichtigte Dr. Frank Thomas Ziegler, den Bereichsleiter für Öffentlichkeitsarbeit der Honterusgemeinde, der den Torso für das zukünftige Kirchenmuseum in Verwahrung übernahm.

Der Schöpfer dieser Roth-Plastik war der Kronstädter Bildhauer Friedrich Hermann (1841 – 1908). Er wurde in Schäßburg geboren, lernte nach Absolvierung der „Quarta“ das Tischler- und Drechslerhandwerk, danach 1859 – 1864 in Budapest, Graz und Wien die Bildhauerei. Im Jahre 1872 begann er seine Tätigkeit in Kronstadt als Zeichen- und Modellierlehrer an der städtischen Gewerbeschule, seit 1876 war er Zeichenlehrer am (Honterus-)Gymnasium, am Seminar und an der Mädchenschule. Im Jahre 1906 trat er in den Ruhestand und starb am 2. Oktober 1908 in Kronstadt.

Neben seinem Lehrberuf betrieb er ein „Geschäft für plastische Kunstarbeit“, das schon von seinem Vater 1867 gegründet worden war, als ältestes seiner Art in Siebenbürgen. Der Sitz war in der Rochusgasse Nr. 3, wo sein Haus in einem großen Garten stand.

Die Roth-Büste ist wahrscheinlich um das Jahr 1896 entstanden, zum 100. Geburtstag von Stephan Ludwig Roth (1796 – 1849), als auch Franz Obert sein zweibändiges Werk „Stephan Ludwig Roth. Sein Leben und seine Schriften“ (Wien 1896) veröffentlichte. Als Modell benützte Hermann eine Daguerrotypie von Stephan Ludwig Roth.

Die Roth-Büste stand fast ein Jahrhundert lang im Garten in der Rochusgasse Nr. 3, nur von wenigen gekannt, wohl weil eine öffentliche Aufstellung nicht möglich war.

Im gleichen Jahre 1896 fertigte Friedrich Hermann ein großes Modell des mittelalterlichen Kronstadt aus Papiermaché für die Budapester Milleniumsausstellung von 1896 an, das dort von vielen bewundert wurde. Nachher wurde es nach Kronstadt zurück gebracht und zuerst im Hauptsaal des Kronstädter Komitates aufgestellt. Später gelangte das Kronstadt-Modell in das Burzenländer Sächsische Museum am Kirchhof im alten Gymnasialgebäude.

Um 1950 wurde das Modell in die Weberbastei gebracht, als Hauptstück der Abteilung des Regions- und späteren Kreismuseums, die den Befestigungen Kronstadts und des Burzenlandes gewidmet ist.

Viele Jahre lang wurde dabei auch der Name des Urhebers Friedrich Hermann angegeben, aber seit längerer Zeit ist das erklärende Schild verschwunden. Eine leere glatte weiß gestrichene Fläche harrt einer entsprechenden neuen Beschriftung.

Das Modell besteht aus vier Teilen von je 2x2m Länge und stellt die Innere Stadt etwa um die Mitte des 17. Jahrhunderts vor dem großen Brand von 1689 dar mit den umgebenden Bergen und Gewässern als Reliefdarstellung. Es ist weniger als eine wissenschaftliche Rekonstruktion, sondern mehr als didaktisches Modell gedacht und gemacht, ist aber als solches sehr anschaulich.

Nach 1968 wurde das Hermann-Stadtmodell durch ein genaues Modell der Oberen Vorstadt im 19. Jahrhundert ergänzt.

Kommen wir nun wieder zu Stephan Ludwig Roth zurück. Dieser hatte zu seinen Lebzeiten viele gute Beziehungen zu Kronstadt, besonders zum Buchdrucker Johann Gött (1810 – 1888), bei dem er die meisten seiner Schriften drucken ließ. So ist es nur recht und billig, dass auch heute eine Straße in Kronstadt seinen Namen trägt.

Bei der neuen Benennung der Straßen in Kronstadt im Jahre 1938 erhielt eine kleine Gasse auf der Johannes-Wiese (Jantschiwiese) in der Blumenau südlich der Brunnengasse (heute Bulevardul 15 Noiembrie) den Namen Stephan Ludwig Roth. Im „Stalinstadt“ von 1950 hatte jedoch dieser Name keinen Platz mehr und wurde durch den Namen des rumänischen Schriftstellers Ion Păun-Pincio (1868 – 1895) ersetzt, der mit Kronstadt nichts zu tun hat.
Die Gasse heißt auch heute noch so.

Im November 1990 wurde auf Initiative von Architekt Günther Schuller (1904 – 1995) dem früheren Schulgäßchen zwischen dem Stadtpfarrhaus und der alten Knabenvolksschule der Name Stephan Ludwig Roth verliehen. Die Gasse hatte von 1938 – 1948 den Namen Herfurth-Gasse, nach dem Stadtpfarrer (1908 – 1922) Dr. Franz Herfurth (1853 – 1922), danach hieß die Gasse bis 1990 „Poet D(umitru) T(heodor) Neculuţă“ (1859 – 1904), der ebenfalls nichts mit Kronstadt zu tun hatte.