Eine gotische Kirche und edler Wein

In dem Sathmarer Dorf Bildegg verbirgt sich eine reiche Tradition

Die römisch-katholische Kirche in Bildegg ist als historisches Denkmal ausgewiesen.

Diffuses Licht durchbricht das Buntglasfenster.

In Nordsiebenbürgen werden regelmäßig Trachtenfeste veranstaltet.

Ein Weinkeller kann eine Länge bis zu 60 Metern haben. Das Innere eines Bildegger Kellers im Hügel.
Fotos: die Verfasserin

Endlich allein. Allein im luftigen Innenbereich des monumentalen Gebäudes, wo das Licht von draußen das Einzige ist, das sich im stillen Vordergrund bewegt. Die Türen sind alle offen: Sanfte Lichtstrahlen und Schatten von den umgebenden Tannenbäumen spielen auf dem gefliesten Boden der Kirche im Rhythmus des Windes. Majestätisch wirken die Gewölbedecke und die gotischen Bögen. Warmes Licht durchbricht das Buntglasfenster. Es ist angenehm kühl. Die offensichtliche künstlerische Vollkommenheit mit der die Kirche erbaut wurde, kann man nur bewundern. Nach und nach aber macht das erhebende Gefühl Platz für eine ganz besondere Art von Neugier. Die, die man aus der Kindheit kennt, wenn man allein zu Hause bleibt - man betritt verbotene Räume, wühlt in Schubladen herum und sucht nach Besitztümern der früheren Generationen, die einem helfen, mehr über die vergangenen Zeiten zu erfahren.

Die feierliche Messe zu Mariä Himmelfahrt ist vor ein paar Stunden zu Ende gegangen. Da war die römisch-katholische Kirche zum hl. Ladislaus in Bildegg/Beltiug noch brechend voll. Nun haben sich die Menschenmassen in eine andere Ecke des Dorfes verlagert. Es sind die Teilnehmer aus dem In- und Ausland, die sich hier zum jährlichen Schwabentreffen versammeln, feiern und tanzen. Es scheint der richtige Zeitpunkt zu sein, an dem man das ganze Gebäude erkunden kann. Das Innere mit der Wendeltreppe, die zur Orgel führt, der prächtigen Kanzel und dem neugotischen Altar mit dem gekreuzigten Jesus kann aus allen möglichen Blickwinkeln ausgiebigbetrachtet werden, die Ruhe hier tröstet die Seele und die ganze Atmosphäre lässt einen mit offenen Augen träumen.

Die Kirche ...

Das etwa acht Jahrhunderte alte Dorf Bildegg befindet sich im Süden des Kreises Sathmar/Satu Mare, 30 Kilometer von der Stadt mit demselben Namen entfernt. Eine der außergewöhnlichen Schönheiten der Region ist das älteste und höchste Gebäude – die römisch-katholische Kirche, die früher die Jungfrau Maria als Schutzheilige hatte. Das Denkmal ist Teil der Reiseroute durch die mittelalterliche Kirchenlandschaft im Kreis Sathmar und im Verwaltungsbezirk Szabolcs-Szatmar-Bereg in Nordostungarn. Die Kirche wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erstmals erwähnt. Zuständig für die gewaltige Dimension des Gotteshauses soll ein adeliger Bauherr sein, vermutlich Dragffy Bertalan.

... und ihre abwechslungsreiche Geschichte

Die Kirche in Bildegg ist als historisches Denkmal eingestuft. Das Gotteshaus in der benachbarten Ortschaft Erdeed/Ardud wurde in derselben Periode errichtet. Jede Gemeinde hatte damals noch eine Burg - beide wurden aber von den Türken im 17. Jahrhundert zerstört. Die Burg in Erdeed wurde wieder aufgebaut und fungiert jetzt als touristische Sehenswürdigkeit. In Bildegg ist das nicht passiert, der mittelalterliche Bau ist nur noch teilweise erhalten. Im Laufe der Zeit wurde die Kirche verschiedenen Konfessionen zugeordnet. Weil die geschichtlichen Ereignisse sich negativ auf die Einwohnerzahl ausgewirkt hatten, wurde im 18. Jahrhundert das Gebiet mit deutschen Einwanderern besiedelt. 1727 wurde die Kirche den Schwaben zugeteilt, sie wurde damit katholisch, auch baulich erweitert und erhielt einen neuen Schutzheiligen: Ladislaus.

Anfang des 19. Jahrhunderts gab es eine konfessionelle deutsche Schule neben der Kirche. Ein Brand in demselben Jahrhundert zerstörte die ganze Ortschaft, auch die Kirche und die Schule, und zwang die Einwohner, sich in den Weinkellern  in den Hügeln vor dem Winter zu schützen. Danach wurde der Ort wieder aufgebaut. Ab 1869 gab es keine konfessionelle Schule mehr, sondern nur noch eine staatliche, in der Ungarisch unterrichtet wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie nach den Plänen von Ernö Foerk  ausgebaut. Von der Informationstafel vor der Kirche erfährt man, dass ein großer Teil des Kirchenschiffes abgerissen und an seiner Stelle ein rechtwinklig angefügtes, nordsüdlich ausgerichtetes Langhaus errichtet wurde. Der mittelalterliche Chor ist erhalten geblieben und wird als Nebenkapelle benutzt. Das Maßwerkfenster kann man im Kircheninneren betrachten. An die Westfassade schließt sich der mittelalterliche Turm in etwas veränderter Gestalt an. Die im Barockstil angefertigten Dekorelemente wurden aus Deutschland gebracht. Der gotische Eingang und das runde Fenster über der Eingangstür, das diffuse Licht, der Altar mit dem hl. Ladislaus, zusammen mit vier anderen Statuen - dem hl. Stefan, hl. Emmerich, hl. Adalbert und hl. Gerard, ein Klassenzimmer mit abgenutzten Schulbänken auf der linken Seite... all das weist auf eine bewegte Vergangenheit hin, die beeindruckende Spuren hinterlassen hat.

Bildegger Wein

Die Landschaft außerhalb der Kirche wirkt idyllisch: Himmel und Hügel, soweit das Auge reicht. Drei weißgraue Ochsen mit langen Hörnern liegen ruhig in einem umzäunten Hof. Dorfbewohner erzählen gerne die Legende, die den Namen der Ortschaft erklären soll: Als der König Ladislaus hier vorbeikam, hatte er Durst. Einer der Soldaten bot ihm Wein in einem Kürbis an. Dem König hat der süße Wein geschmeckt und hat dem Soldaten zum Dank spontan die Ortschaft geschenkt: „Bel“ bedeutet Inhalt und „Tek“ Kürbis.
In Bildegg gibt es Hunderte von Weinkellern. Mit Stolz spricht man hier über den Weinbau, der eine lange Tradition hat. Erwähnt wurde er zum ersten Mal im 11. Jahrhundert. Eine 50-jährige Pause während der kommunistischen Zeit war von der Geschichte diktiert, aber danach wurde diese Tradition wieder aufgenommen: Mehr als 300 Hektar Weinkultur werden jährlich bearbeitet. Hier können Interessierte verschiedene Weinsorten vor Ort kosten, darunter Riesling, Traminer, Chardonnay, Sauvignon, Pinot Gris, Merlot u. a. Wein ist eines der Hauptprodukte der Region.Vor Kurzem wurde ein Festival ins Leben gerufen, das dem edlen Sorgenbrecher gewidmet wurde – es bietet auch Anlass für eines der in Nordsiebenbürgen regelmäßig veranstalteten Trachtenfeste. Auf diese angenehme Weise kann man dann noch andere touristische Juwelen im Norden Rumäniens entdecken.