Eine immer teurere Angelegenheit

Normalbürger muss um 15 Prozent mehr für Grundnahrungsmittel ausgeben

Immer mehr Menschen meiden den kleinen Laden an der Ecke und kaufen im Supermarkt ein. Foto: Zoltán Pázmány

Das Thema Essen ist ein echt mioritisches, könnte man sagen. In unserem Land hieß es schon immer, dass die Leute, ungeachtet der Epoche oder der Lebensverhältnisse, zu viel essen bzw. durchschnittlich zu viel für das Essen ausgeben. „Ich bin arm, doch ich esse gut!“ So die mit einer guten Portion Galgenhumor (viel plastischer ist da das rumänische „haz de necaz“) gespickte Lebensregel meines verstorbenen Schwiegervaters. Einen großen Happen vom Monatseinkommen hat der rumänische Normalbürger schon immer für das Essen ausgegeben, der übriggebliebene Rest wurde eben schlecht und recht aufgeteilt.

Es musste reichen. Ältere Semester erinnern sich bestens daran, das es bei uns selbst in der Goldenen Epoche, der Zeit der von Ceauşescu verordneten Lebensmittelrationierung, nicht anders zuging. Es war eine Hetze um das tägliche Brot, die Milch, das Fleisch oder die paar Kartoffeln, das traditionelle Ersatzbrot hierzulande. Es hat sich gezeigt: Von den traditionellen, alten und eingefleischten Lebensgewohnheiten ist nicht leicht abzukommen. Manche wollen das auch gar nicht. Selbst nicht nach 21 Jahren des liberalisierten Lebenswandels. Wie soll es aber nun weitergehen, da Land und Leute, die von Jahr zu Jahr immer mehr von der modernen Konsumgesellschaft abhängig werden, offensichtlich gleichzeitig auch tief in der Krise stecken?

Zwischen Konsum- und Preisspirale

Eine von GFK Rumänien, dem Institut für Marktforschung Nummer Eins in unserem Land, erarbeitete Studie zeigt erstens, dass das Leben in Rumänien eine immer teurere Angelegenheit wird, was wir eigentlich auch alle wissen. Grundlage für die Studie war der durchschnittliche Verbrauch von 90 Kategorien von Konsumgütern in 2200 Haushalten. Weitere Daten berichten allerhand Interessantes über unsere Lebensqualität, über das, was uns noch erwartet usw. Trotz der Geldknappheit stieg nämlich der Verbrauch von Konsumgütern um 6 Prozent im ersten Halbjahr 2011 gegenüber der gleichen Zeitspanne des Vorjahres. Dieses Mehr geht vor allem auf die hohe Inflation zurück. Eigentlich hatte der rumänische Markt bei der Warenmenge einen Rückgang von zwei Prozent zu verzeichnen. Weiterhin präsent ist das Phänomen des down-trading (Übergang zu den Segmenten der Billigwaren in allen Bereichen).

Aufschlussreich und besorgniserregend sind die Daten betreffend die Nahrungsmittel: Für Grundnahrungsmittel, die am stärksten von Preiserhöhungen betroffen waren, hatte der rumänische Normalbürger um 15 Prozent mehr aus der Tasche zu ziehen. Auch die Ausgaben für die restlichen Nahrungsmittel, die nicht als unbedingt lebensnotwendig gelten, stiegen um vier Prozent. Unter den Grundnahrungsmitteln hat es vor allem das Speiseöl arg erwischt: Da wurde eine einschneidende Preiserhöhung von 40 Prozent verzeichnet! Die Ausgaben für Mahl- und Röstkaffee – hierzulande auch in der ersten Gruppe der Grundnahrungsmittel – blieben trotz der weltweiten Preiserhöhungen relativ stabil. Der Konsum ging dabei bis zu konstanten sieben Prozent zurück.

Interessant ist die Preis- und Konsumspirale bei Artikeln für Hautreinigung und Körperhygiene: Durchschnittlich musste der Normalbürger im ersten Halbjahr fünf Prozent mehr als in der Vergleichsperiode des Vorjahres blechen. Um ein Prozent weniger gaben die Rumänen dieses Jahr für Waschmittel aus. Für Haarwaschmittel wurde jedoch um 12 Prozent mehr ausgegeben!

Trotz der Krisenzeit scheint die Offensive des modernen Handels geschickt weiterzulaufen und hierzulande kaum zu bremsen. In den ersten sechs Monaten des Jahres haben sich die Rumänen um ein Stück weiter von den traditionellen Kleinläden entfernt: 47 Prozent der Gesamtausgaben der rumänischen Haushalte für Konsumgüter wurde in den Supermärkten wie Real, Selgros, Auchan, Kaufland oder Lidl kassiert. Es wurde sogar eine Steigerung von zwei Prozent verzeichnet. Die kleinen Lebensmittelläden aus den Wohnvierteln, die sich kaum mehr über Wasser halten können und einer unsicheren Zukunft entgegengehen, haben weitere vier Prozent Käufer (nur mehr 37 Prozent, im Vorjahr noch 41 Prozent) eingebüßt. Die Supermärkte lassen auch in Krisenzeiten nicht von ihrer strategischen Expansion auf dem rumänischen Markt ab, sie verzeichneten durchschnittliche Steigerungen von 15 Prozent, die Discount-Läden von 14 Prozent.

Die Lebensmittelpreise spielen in Rumänien schon seit Jahren verrückt: Laut Eurostat hat Rumänien seit 2008 nach Ungarn die größten Preissteigerungen bei Lebensmitteln in der EU verzeichnet. Diese machten jährlich im Durchschnitt 14,5 Prozent aus. Am stärksten kletterten die Preise bei Gemüse (55 Prozent), aber auch bei Brot und Getreide (11 Prozent), Fleisch (8,7 Prozent), Milcherzeugnissen, Eiern und Obst (12). Über die Explosion der Lebensmittelpreise macht man sich weltweit, selbst in den reichsten Ländern, immer größere Sorgen. Zu den Hauptgründen gehören zum Großteil solche, gegen die kein Kraut gewachsen ist: Klimakatastrophen, ein Anstieg der Nachfrage, die Verringerung der Lebensmittelvorräte, der Anstieg der Erdölpreise und der Biosprit-Produktion, Kriege und Konflikte in allen Teilen der Welt und nicht zuletzt der alles diktierende Handel, die Spekulation auf den Rohstoffmärkten. OCDE und FAO prognostizieren Preissteigerungen bei Lebensmitteln von bis zu 30 Prozent bis 2020. Sollte man da nicht besser von dem alten Begriff „Lebensmittel“ zu einem neuen, „Überlebensmittel“, übergehen?