Eine leidenschaftliche Visionärin in der rumänischen Kunstwelt

Gespräch mit Dr. Joana Grevers, Leiterin der Bukarester Kunstgalerie 418 Contemporary Art

Foto: Aida Ivan

Die charmante Kunsthistorikerin führt begeistert mehrere Tätigkeiten zur gleichen Zeit durch – sie  leitet eine Bukarester Galerie für abstrakte Kunst, entdeckt rumänische Künstler, die  dann  international bestätigt werden, nimmt an Messen in der ganzen Welt teil, in deren Rahmen sie dem ausländischen Publikum die rumänische Kunst präsentiert, und ist Mitglied von wichtigen europäischen Ausschüssen, so wie Peggy Guggenheim Advisory Board in Venedig oder Eastern European Acquisitions Committee from the Tate in London: Joana Grevers ist eine aufgeweckte Person, deren Schönheitssinn sie in viele Projekte führt, darunter ihre eigene Stiftung und eine Residenz für Künstler in der Nähe von Craiova (Kreis Dolj). In den 70er Jahren ist sie als politischer Flüchtling nach Deutschland gegangen. Heute pendelt sie zwischen München und Bukarest. Über ihre Aktivität, ihre Beweggründe, rumänische Kunst zu fördern, über die Künstler, die sie weltweit vertritt, berichtete Dr. Joana Grevers der ADZ-Redakteurin Aida Ivan.

Frau Grevers, Sie wurden in Rumänien geboren, sind aber während des Kommunismus ausgewandert. Wieso sind Sie zurückgekommen?

Ich bin 1974 mit meinen Eltern als politischer Flüchtling weggefahren und wir haben politisches Asyl in Deutschland erhalten. Zwischen 1974 und 2004 war ich nicht in Rumänien, 2004 bin ich aus bestimmten familiären Gründen – verbunden mit der Zurückeroberung des alten Eigentums der Familie – gekommen: Es ging um unser Anwesen in Cetate an der Donau, das meinem Vorfahren Drugă gehörte. Es war sehr wichtig, dass ich das gesehen habe, weil ich mich dann entschlossen habe, es nicht zu verkaufen. Ich habe mich im Laufe der folgenden Jahre entschieden, dort eine Residenz für Künstler zu machen. Seit 2008 laden wir jeden Sommer dort Künstler ein, in dieser wunderbaren Umgebung ihre Werke – Malerei, Skulptur, Installationen – zu produzieren, die wir im Nachhinein meistens in Bukarest in Ausstellungen zeigen. Diesen Sommer zum siebten Mal.

Parallel dazu habe ich beschlossen, 2008 auch eine Galerie in Bukarest zu gründen. Ich bin Ärztin und Kunsthistorikerin, also habe ich mich immer mit Kunst beschäftigt, bin Mitglied im Advisory Board für Peggy Guggenheim in Venedig und bin jetzt auch Mitglied in dem Eastern European Aquisition Committee from the Tate in London. Und das passt natürlich alles ganz gut zusammen. Beide Stellen fördern Kunst in verschiedener Weise, hier mache ich Ausstellungen für Künstler und mit der Galerie nehme ich an Kunstmessen im Ausland teil. Mit den Künstlern der Galerie habe ich auch ein paar Ausstellungen in München gemacht.

War das alles so geplant?

Es war schon immer eine Affinität da. Als Rumänin habe ich mich verpflichtet gefühlt, rumänische Künstler zu fördern und mit diesen zwei Positionen – mit der Art Residence an der Donau und mit der Galerie – mehr Öffentlichkeit für sie zu schaffen. Ich habe auch eine Stiftung gegründet, die meinen Namen trägt. Sie ist damit beschäftigt, diese zwei Aktivitäten mitzuunterstützen.

Wie haben Sie den Übergang von der Ärztin zur Kunsthistorikerin gemacht?

Ich habe Medizin in München studiert. Ich hatte schon immer Interesse für Kunst, denn meine Familie hat Kunst gesammelt. Ich bin mit Kunst aufgewachsen: Als ich krank war, habe ich Kunst- und Medizinbücher ins Bett bekommen, ich habe das sehr vertieft. In meiner Zeit als Ärztin habe ich mich für das Studium der Kunstgeschichte eingeschrieben. Ich habe tatsächlich lange Zeit gebraucht – zehn Jahre, inzwischen habe ich auch zwei Töchter bekommen und habe als Ärztin gearbeitet. Ich habe es doch geschafft, die Prüfungen zu absolvieren und dann in Kunstgeschichte zu promovieren. Ursprünglich war das eine eher private Leidenschaft. Dass es dann dazu kommen wird, dass ich rumänische Kunst fördern werde, dass ich eine Galerie machen werde und Cetate wieder ins Leben rufen werde, das habe ich natürlich nicht geplant.

Wie sieht Ihr Alltagsleben aus?

Es ist sehr spannend, es gibt keine Zeit Atem zu holen. Circa drei Wochen bin ich in München, eine Woche bin ich in Rumänien. Ich bin auch in anderen Orten, ich habe zwei Töchter in London, ich bin auch da. Ich bewege mich relativ viel, aber gerne.

Unlängst waren Sie bei der Kölner Liste...

Unsere Galerie fördert einerseits ältere Künstler, manche sind nicht mehr am Leben, die besonders aus der abstrakten Richtung kommen. Andererseits sind wir in der Förderung der jungen Künstler sehr engagiert. Auf der Kölner Liste, das ist eine Messe für Nachwuchskünstler, waren Cristian Răduţă, Ştefan Creţu und Anca Bodea mit ihren Werken dabei. Das war eine sehr gute Messe für uns, wir haben viele Kontakte geknüpft, haben auch sehr viel Erfolg gehabt. Wir haben auch einige Werke in ganz guten Sammlungen untergebracht.

Nehmen Sie oft an solchen Messen teil?

Seitdem die Galerie gegründet wurde, nehmen wir jährlich an drei Messen teil, es ist aufwendig. Es ist sehr wichtig, die Künstler außerhalb Rumäniens zu zeigen. Das versuche ich – die jungen Künstler auf internationaler Plattform mit der europäischen Kunst zu verbinden und sie nicht in Rumänien unter einer Glaskuppel zu belassen. Die Sichtbarkeit ist eine absolute Bedingung für die jungen Künstler, um sich zu entfalten.

Dass Sie eine Galerie gegründet haben, impliziert bestimmte Risiken. Was war Ihre Motivation, das zu machen?

Ich denke, es ist meine Leidenschaft für Kunst, es sind meine rumänischen Wurzeln, die Gewissheit, dass ich bestimmte Kontakte und Möglichkeiten habe, die Künstler zu fördern, sie zu unterstützen und es ist eine Vision, die mich selber gestärkt hat: Es sind verschiedene Faktoren.

Welche ist diese Vision?

Die Vision, dass einige meiner Künstler international bekannt werden. Oder mein Projekt Cetate, wo ich ein Museum für moderne Kunst, einen Skulpturenpark und verschiedene andere Sachen  machen möchte.

Was unterscheidet 418 Gallery Contemporary Art von den anderen Bukarester Galerien?

Ich hatte wirklich keine Zeit, in die anderen Galerien zu gehen, weil ich so schwer beschäftigt bin mit der eigenen. Unser Schwerpunkt ist die abstrakte Kunst – das ist ein Merkmal. Es ist sehr wichtig, dass wir ins Bewusstsein der Kenner der rumänischen Kunst die Zeit der 60er Jahre mit den abstrakten Künstlern der damaligen Zeit bringen– Romul Nuţiu, Vincenţiu Grigorescu. Jeder praktizierte auf seine eigene Weise eine Position gegen den damaligen sozialistischen Realismus und hat sich der abstrakten Sprache der Kunst gewidmet. Andererseits sind wir sehr involviert in die Unterstützung einiger Künstler, die wir für sehr gut halten. Die mittlere Generation ist weniger vertreten in der Galerie.

Auf welchem Niveau befindet sich der rumänische Kunstmarkt? Können Sie einschätzen, wie er sich in der letzten Zeit entwickelt hat?

Ich denke, der rumänische Kunstmarkt entwickelt sich schon, wenn auch nicht sehr beschleunigt, eher langsam. Die Auktionshäuser hier, ganz besonders das Auktionshaus Artmark, spielt eine Rolle in der Bekanntmachung der Kunst und sie machen auch Kurse, man kann über den Kunstmarkt und die moderne Kunst lernen. Das Problem ist, dass es zu wenige öffentliche Räume, Plattformen, Museen gibt, in denen das Publikum mit der modernen Kunst konfrontiert wird. Das Publikum muss wirklich suchen, um zu finden. Da sollte mehr Transparenz, mehr Angebot kommen. Das könnte natürlich auch den Markt beflügeln. Es wäre viel mehr Sicherheit auch für die potenziellen Sammler, sie würden sich mehr trauen, zeitgenössische Kunst zu kaufen.

Können Sie Ihre Zielgruppe definieren? Welche ist die Kundschaft?

Es gibt nicht eine klar zu definierende Zielgruppe, unsere Galerie verkauft viel an ausländische Sammler, die ich teilweise auch kenne, die in Rumänien eine Weile beruflich verbringen. Sie arbeiten in größeren Unternehmen oder sind Diplomaten. Der rumänische Anteil ist sehr gering in dieser Galerie.

Hat es damit zu tun, dass Sie so ein starkes internationales Netzwerk haben?

Nein, mein internationales Netzwerk ist eine Sache, aber ich habe überhaupt nichts gegen rumänische Sammler und ich möchte sie gerne hier einladen und kennenlernen, nur sie sind sehr wenige. Ich denke, das wird sich mit der Zeit entwickeln.

Bei den Ausstellungen, die Sie früher hatten, war Romul Nuţiu sehr präsent. Welche sind Ihre Kriterien, nach denen Sie die Künstler auswählen, deren Werke in der Galerie zur Schau gestellt werden?

Im Jahre 2007 im Herbst war ich in einer Kommission von MNAC (Nationales Museum für zeitgenössische Kunst), um rumänische Kunst für die eigene Sammlung zu kaufen. Ich war Mitglied in der Kommission. Ich habe mich infolge der Präsentation mit den Anträgen der Künstler sehr damit befasst und habe diejenigen ausgesucht, die mir gefallen haben. Für Romul Nuţiu bin ich nach Temeswar gefahren. So habe ich die Künstler, die mir gefallen haben, besucht, und nach den Begegnungen hat sich dann das herauskristallisiert. Ich bin sehr fasziniert von der Rolle der Stadt Temeswar in den 60er Jahren. Dort hat sich die rumänische Avantgarde entwickelt, es war ein interessantes Phänomen. Anfang der 60er Jahre entstand die Gruppe Sigma, die neokonstruktivistisch ist. Andererseits war da Romul Nuţiu, der abstrakt expressionistisch arbeitete. Der Begriff „abstrakter Expressionismus“ existierte nicht.

Man hat ihn, glaube ich, gar nicht gekannt. Er war ein absolut konsequenter Künstler in dieser Richtung. Nach den Recherchen, die ich gemacht habe, war er der Einzige in Rumänien aus dieser Generation, der permanent expressionistisch gearbeitet hat – ohne Verwandtschaften mit den Amerikanern. Nach drei-vier Jahren lösten sich die bekannteren Protagonisten von der Gruppe Sigma, die meisten fanden zurück zum Realismus. Temeswar war in den 60er Jahren etwas ganz Besonderes gewesen, nur es ist nicht so bekannt, dass Nuţiu so konsequent war. Das ist meine Aufgabe, ihn in den internationalen Kontext zu bringen, in den Kontext des abstrakten Expressionismus und überhaupt auf die Idee,  auf den abstrakten Expressionismus hinter dem Eisernen Vorhang, aufmerksam zu machen. Das ist ein Ziel, das ich zusammen mit anderen Kuratoren, Kunsthistorikern aus den osteuropäischen Ländern habe.

Wie finden Sie die Künstler für Ihre Galerie? 

Das sind die Künstler, die ich von Anfang an hatte. Es kam noch Diet Sayler hinzu, von dem ich schon immer gehört hatte, der in der Nähe von München lebt. Dann gibt es noch den Nachlass von Vincenţiu Grigorescu, der 2012 gestorben ist. Und ich will eigentlich nicht mehrere Künstler haben, weil es sehr schwierig als Galeristin ist, man arbeitet intensiv. Sich für mehr als sieben, acht Künstler einzusetzen, ist wirklich hart. Ich arbeite schon etwas profunder und das geht einfach nicht. Ein einfacher Galerist kann nicht mehr als acht Künstler betreuen.

Wie wählen Sie die jungen Künstler aus? Was müssen Sie beweisen, um Sie zu überzeugen?

Sie sind schon ausgewählt, Anca Bodea hat mich mit ihrem unglaublichen Sinn für Licht und Stimmungen fasziniert, mit der Verbindung zwischen Barock und Gegenwärtigem. Von der Plastik – Cristian Răduţă gefällt mir sehr gut, wie seriös er ist, wie aktuell er arbeitet, wie lyrisch, poetisch und sehr tiefgründig er seine Kunst herstellt, wie er sich entwickelt und wie ehrlich er als Künstler ist. Ştefan Creţu, ein junger Künstler aus Hermannstadt, befasst sich viel mit kinetischer Kunst. Das ist absolut innovativ, technisch genial.

Wie betrachten Sie die Kunst – intuitiv, mit dem Herzen oder eher aus der Perspektive Ihres Studiums?

Es ist sehr schwer zu sagen, weil die Parameter existieren. Das Wichtigste für mich ist, dass ich irgendwo eine universelle Botschaft finde, eine Sprache, von der ich den Eindruck habe, dass sie überdauert. Es gibt Botschaften in den Werken mancher Künstler, die eine gewisse Zeitlosigkeit, die eine gewisse Stärke haben.

Woran erkennen Sie das?

Das ist eine Mischung aus meiner visuellen Kultur, aus meinem Wissen, aus meinem Flair, aus Vorlieben, die man hat, aus vielen Besuchen von Museen, Biennalen, Dokumenten, Privatsammlungen, aus vielen Gesprächen mit interessanten Menschen, Kuratoren, Kunsthistorikern, Museumsdirektoren, Sammlern. Es ist eine Essenz aus meiner Erfahrung.

Was für Pläne haben Sie für dieses Jahr? Welche Künstler werden in der Galerie anwesend sein?

Die Ausstellung „Structure Energy“ wird über den Sommer hier sein, dann werden wir eine Ausstellung mit den neuen Werken von Ştefan Radu Creţu haben, der ja unglaublich kreativ ist. Dann werden wir eine Ausstellung machen, die sich nicht nur mit Künstlern der Galerie befasst, sondern das Motto Contemporary Abstracts hat. Ich wollte, dass wir einen Einblick in die Gegenwart aus der Perspektive der abstrakten Kunst geben. Dann gibt es einige Kunstmessen – gerade sind wir bei Art Hamptons dabei, in New York mit Werken von Romul Nuţiu. Dann werden wir noch nach Istanbul gehen und vermutlich nach Berlin, auf die Berliner Liste.

Vielen Dank für Ihre Ausführungen.