Eine neue Schlacht um die Macht in Bukarest

Folgt der Europa-Wahl die Abwahl der Regierungskoalition?

Symbolfoto: pixabay

Eigentlich waren die knapp 19 Millionen wahlberechtigten rumänischen Staatsbürger am 26. Mai lediglich dazu aufgerufen, über die 32 Mandate zu entscheiden, die Rumänien im Europäischen Parlament zustehen. Doch sowohl die pseudo-sozialdemokratische Regierung als auch die liberal-konservative Opposition haben die EU-Wahl zu einer neuen Schlacht um die Macht auserkoren. Dabei haben die „Sozialdemokraten“ und insbesondere Liviu Dragnea viel zu verlieren. In den vergangenen Monaten büßte die Partei in Umfragen dramatisch an Zustimmung ein und auch zu den Kundgebungen in Jassy/Iași sowie Galatz konnten bei Weitem nicht so viele Parteigänger mobilisiert werden wie noch im April nach Craiova. Die PNL und Pro România haben bereits ein Misstrauensvotum angekündigt. „Sollten die Rumänen die Regierungspartei zurechtweisen, haben wir ein Mandat, sofort zu handeln“, erklärte Klaus Johannis. Ein Wahlerfolg, aber auch ein erfolgreiches Referendum könnte den Oppositionsparteien einige Überläufer von der Regierungskoalition bescheren.


Die Volksabstimmung – als zweites Schlachtfeld neben der Europa-Wahl – hatte der Staatspräsident angesetzt. Die PSD müsse begreifen, dass die Justiz nicht ihrer Willkür unterworfen sei, erklärte Johannis im März. Dieser wünscht sich im Kampf gegen die politische Korruption von der Bevölkerung Rückhalt an der Wahlurne, doch dürfte er auch die Präsidentschaftswahl im November im Blick haben. Für diese muss sich Klaus Johannis profilieren und seine Unterstützer mobilisieren. Denn diese haben zum Teil Erwartungen an ihn, welche die Kompetenzen des Präsidentenamtes nicht vorsehen. Im Frühjahr 2016, eineinhalb Jahre nach Amtsantritt, lagen seine Zustimmungswerte am Boden. Viele Wähler waren enttäuscht, warfen ihm eine dilettantische Amtsführung vor und beklagten sein häufiges Schweigen. Erst im vergangenen Jahr, als er mit allen ihm legal zustehenden Mitteln Laura Kövesi als Leiterin der Anti-Korruptionsbehörde zu halten versuchte, konnte er sein Profil als Kämpfer gegen die Korruption wieder schärfen. Das Referendum ist für ihn Imagekampagne und Probelauf für die Präsidentenwahl zugleich.


Im europäischen Ausland ist es ihm bereits gelungen, neue Unterstützer zu gewinnen und die umstrittene Justizreform auf die politische und mediale Agenda in Brüssel zu setzen. Während die Tiraden von Liviu Dragnea rauer werden, behält Johannis die Contenance, setzt pointierte Spitzen gegen die Regierung – in bekannt monotoner Sprechweise. Gestandene PSD-Parteigänger wird er nicht für sich gewinnen können. Klaus Johannis muss die Wähler mobilisieren, die ihn schon vor fünf Jahren zum Präsidenten gemacht haben, aber der Parlamentswahl im Dezember 2016 fernblieben. Sein Gegenkandidat Victor Ponta erhielt 2014 mehr Stimmen als die „sozialdemokratischen“ Kandidaten Mircea Geoană und Adrian Năstase in den Jahren zuvor!


In den Wahlumfragen zum Europäischen Parlament liegt die PSD bei nur noch 22 bis 26 Prozent. Gegenüber der Parlamentswahl ist dies ein Verlust von rund 20 Prozent. Doch auf dem von Johannis eröffneten zweiten Schlachtfeld, dem Justiz-Referendum, ist eine Niederlage weniger wahrscheinlich. ALDE-Präsident Călin Popescu Tăriceanu hat seine Unterstützer bereits zum Boykott aufgerufen. Premierministerin Viorica Dăncilă erklärte hingegen, dass sie teilnehmen werde. Für die Gültigkeit des konsultativen Referendums ist eine Wahlbeteiligung von 30 Prozent notwendig. Zur Europa-Wahl vor fünf Jahren gaben lediglich 32 Prozent der wahlberechtigten Bürger ihre Stimme ab. Am Ende könnten sowohl die Regierung als auch die Opposition auf einem Schlachtfeld gewinnen. Doch für ein erfolgreiches Misstrauensvotum wäre wohl ein doppelter Sieg notwendig. Denn es müssten nicht nur alle Oppositionsparteien und Minderheitenvertreter der Regierung das Vertrauen entziehen, es bedarf auch acht Überläufer von der Regierungskoalition.


Und Liviu Dragnea? Für den Strippenzieher könnte es sogar noch schlimmer kommen. Bereits für den 20. Mai wird das endgültige Urteil in seinem Prozess wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch erwartet. Ihm drohen dreieinhalb Jahre Gefängnis. Doch bereits im April verschob das Oberste Gericht seine Entscheidung, eine erneute Vertagung des Urteils würde wohl zur Verjährung des Falles führen. Das könnte wiederum neue Demonstrationen bedeuten. Bereits in der vergangenen Woche wurde jeder öffentliche Auftritt von Ministerpräsidentin Dăncilă von Protesten begleitet. In Galatz und Jassy demonstrierten mehrere tausend Menschen am Rande der PSD-Kundgebungen gegen die Regierung.