Eine notwendige Debatte

Bürgerabend, zwischen Vernunft und Emotionen

Christian Macedonschi (links vorne, sitzend) und Thomas Şindilariu (rechts vorne, stehend) während der Debatte um die Verkehrsverbindung entlang der Graft. Foto: Hans Butmaloiu

Das vom Stadtforum Kronstadt veranstaltete Treffen mit Bürgern, welche ihre Meinung zu dem Projekt der Verkehrsverbindung entlang der Graft zwischen der Postwiese und dem oberen Ende des Rossmarktes (str. Ghe. Bariţiu) äußerten oder sich eingehender über dieses Vorhaben informieren wollten, kann unter dem Strich als ein durchschlagender Erfolg bezeichnet werden. Einerseits wegen der sehr guten Beteiligung, andererseits dadurch, dass durch die Aussprache zwischen den Teilnehmern und Veranstaltern ein klarer Überblick des Vorhabens zustande gekommen ist sowie eine recht seltene Einheit in Meinung und Entschlossenheit.

Die Einführung in die Thematik machte Thomas Şindilariu in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kronstädter Lokalforums aber auch als Historiker. Er verließ jedoch bald das Terrain der rein geschichtlichen Erwägungen über die Bedeutung des materiellen Erbes, den die Wehrmauer an der Graft, die Graft-Bastei und die Wehrtürme vorweisen, um zu einer bestimmten symbolischen Rolle der Stadtmauern überzugehen, nämlich die des Schutzes gegen äußere Eingriffe in das Stadtleben, nicht nur gegen die tätlichen Angriffe: „Das macht sie zu mehr als nur eine Anhäufung von alten Steinen“.

Als Stadtrat seitens des Lokalforums rundete Christian Macedonschi den Überblick ab, indem er einige der weniger bekannten Schritte darlegte, welche bisher in Richtung Umsetzung des Projektes unternommen worden sind. Der wohl wichtigste bleibt die vorläufige Streichung der Abstimmung über dieses Vorhaben im Lokalrat. Er präsentierte auch die Aufnahme der mehr als fragwürdig abgewickelten öffentlichen Ankündigung des Bürgermeisteramtes über das Vorhaben: eine Kleinanzeige in einer Lokalzeitung, zwischen Angeboten für freie Arbeitsplätze und Verluste von Personalpapieren. Eine Vorgehensweise welche überhaupt kein gutes Licht auf die angegebene Begründung des Vorhabens, nämlich die Verkehrsentlastung in der Klostergasse, wirft.

Die Begründung, Zweckdienlichkeit und vor allem Machbarkeit des Vorhabens standen im Mittelpunkt der Stellungnahmen der Teilnehmer, die sich, was die Angehensweise betrifft, in zwei Gruppen teilten: die Mehrheit widersetzt sich der Zerstörung der Graft-Promenade als Zeichen der Verantwortung zu einem Erbe im Stadtbild welches nicht wegzudenken ist.

Es gab aber auch einige Wortmeldungen vonseiten der Fachleute, welche das Ziel des Vorhabens in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen, sowohl technisch als auch rechtlich. Nüchtern gesehen, bedeutet die Strecke im Abschnitt Klostergasse – Rossmarkt, etwa anderthalb bis zwei Minuten bei regem Verkehr. Über die geplante Strecke würde die Fahrzeit keinesfalls kürzer, da die Strecke mit dem Abschnitt bis zur Postwiese/Einfahrt in den Tunnel verlängert wird und im Tunnel selbst nur eine Spur pro Fahrrichtung möglich ist, demnach wird der Stau nur anderswohin verlegt.

Für die beiden vorgesehenen Tunnelabschnitte gibt es noch keine technischen Mittel sie zu bohren und auszubauen, da sie zu nahe an den beiden Wehrtürmen verlaufen (etwa 5-6 Meter unter dem Schwarzen Turm!). Die Strecke müsste also weiter in das Berginnere verlegt werden um überhaupt gebaut werden zu können, was die Kosten der Verkehrsverbindung untragbar machen würde. Damit verbunden stellt sich die Frage, welchen Sinn überhaupt die schon gemachten Studien und Pläne haben.

Eine andere große Frage wirft die Verfahrensweise der Planung auf: Stadtplanung besteht aus einer Rahmenplanung (Fachbegriff: PUG) und einer Detailplanung (Fachbegriff: PUD). Eigenartig ist, dass zuerst ein Detailplan (PUD) ausgearbeitet und vorgelegt wurde, ohne dass die Verkehrsverbindung im Rahmenprogramm erfasst wurde. Das Umgehen der gesetzlich vorgeschriebenen Schritte macht die vorläufigen Pläne zumindest anfechtbar, wenn nicht gar ungültig. 

Über seine Eindrücke was die Ergebnisse des Bürgerabends betrifft fragten wir Thomas Şindilariu:  „Der gestrige Abend hat nicht nur gezeigt, dass das Forum in der Kronstädter politischen Landschaft gebraucht wird, um den stummen Zeugnissen der Vorfahren, also diesmal den Stadtmauern, eine legitime Stimme zu geben, sozusagen im Namen der Erbauer, sondern auch dass es der Stadt gut täte, wenn unser Forum mehr als gegenwärtig in der Stadt politisch etwas zu sagen hätte.

Notwendig sind Förderprogramme für den Erhalt der historischen Gebäude und die Steigerung der Wohnqualität im Stadtzentrum sowie ein intelligentes Verkehrskonzept, das den Einwohnern das Erreichen des Hauses mit dem Auto auch ermöglicht. Das Tunnelprojekt ist sachlich nicht begründbar, es droht Steuerverschwendung und mit der geplanten quasi totalen Ausdehnung der Fußgängerzonen den schon bestehenden Exodus aus dem Stadtzentrum nur zu verstärken. Es gilt hier, eine Katastrophe für die Stadtentwicklung zu verhindern. Der Bürgerabend und die Petition, für die immer noch zahlreiche Unterschriften einlaufen, war nur der Anfang. Es gilt nun dabei zu bleiben. Mittelfristig planen wir eine Tagung mit Experten, um den Bürgern objektiv belastbare Alternativen aufzuzeigen.“

Über die nächsten Schritte, welche das Stadtforum Kronstadt zu unternehmen beabsichtigt, als Erstes eine Petition an den Lokalrat und das Bürgermeisteramt, werden wir weiterhin berichten.