„Energie fließt, wohin die Aufmerksamkeit geht!“

Über die Kunst der Kommunikation in Geschäftswelt und Menschenführung

„Das Leben ist ein Spielfeld“ gehört zu den Lieblingssätzen von Michael Schroeder. Die Rollen hat der heutige Coach und Lebensberater, der in Bukarest Workshops und Trainingsseminare für internationale Firmen durchführt, selbst oft gewechselt: Nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Münster promovierte er an der Uni Saarbrücken über internationale Medienstrategie. Es folgten berufliche Etappen in Frankreich, München, Belgrad und Bukarest, unter anderem für den TV-Sender ARTE und den Burda-Medienkonzern. Zuletzt leitete er als Generalmanager von Burda in Bukarest einen der größten Verlage mit über 150 Mitarbeitern. 2003 begann Schroeder, auf die Beratung für Manager mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund umzusatteln. Mit seiner 2012 gegründeten Firma Linarson (www.linarson.com) wechselte er schließlich vollständig in den Bereich des Coaching. Zu den Schwerpunkten seiner Seminare gehören interkulturelle und interpersonelle Kommunikation, Rhetorik, Selbsterkenntnis und Führungskräftetraining.

Ein Mann sitzt auf dem Pflaster. Füße hasten vorüber. Kaum jemand beachtet das Schild neben ihm: „Helfen Sie mir! Ich bin blind.“ Da nähert sich eine Frau. Sie bückt sich, dreht das Schild um - und kritzelt kurz entschlossen etwas auf die Rückseite. Von nun an klingeln die Münzen nur so in den Hut! Erst am Ende des Films wird verraten, was sie geschrieben hat: „Es ist so ein wunderschöner Tag - und ich kann ihn nicht sehen.“

Das Beispiel soll demonstrieren, welch ungeheure Kraft die richtigen Worte haben. Dabei sind Worte nur sieben Prozent unserer Kommunikation, gibt Dr. Michael Schroeder zu bedenken. Den Rest machen der Klang unserer Stimme und nonverbale Signale aus...

Wenn klitzekleine sieben Prozent bereits zu Tränen rühren - was mag das Übrige erst bewirken? Darum, wie man dies alles wirkungsvoll im Ensemble einsetzt, geht es in dem Seminar.

Erster Kurstag, ein Donnerstagmorgen im Bukarester Crowne Plaza Hotel: Nervös tritt der erste Kandidat vor die Runde. Anhand eines Vier-Fragen-Schemas sollen sich die Teilnehmer der Reihe nach vorstellen. Eine einfache Übung... doch im Hintergrund lauert die Videokamera! Wir sitzen im Kreis angeordnet, sanfte Meditationsmusik überbrückt die anfängliche Befangenheit. Einige blättern im Handout: „Die Kunst der Kommunikation in der Führungsetage: Wie wir erfolgreicher mit der Geschäftswelt interagieren. Zwei Tage Master Class für Topmanager“. Zwei spannende Tage...

Konfrontation mit dem Ich

Dann werden die „Auftritte“ der Reihe nach abgespult und kommentiert. „Poveschti-Telling!“ (von rum. poveşti: Geschichten) mahnt Schroeder einen Redner, der nicht gleich zur Sache kommt. Und macht auf einen wichtigen interkulturellen Unterschied aufmerksam: Rumänische Gesprächspartner sind eher beziehungsorientiert, während in der westlichen Geschäftswelt effizienzorientiertes Denken dominiert. Rumänen empfinden es als vertrauensbildend, wenn man über sich erzählt - der Westeuropäer fragt sich verwirrt: „Wann kommt er endlich zur Sache?“ Verschiedene Erwartungshaltungen, die man kennen muss, um sich für eine Strategie zu entscheiden. Vorschriften gibt es keine - Wissen ist alles: Das Wissen um die nebulöse Wolke aus kultureller Prägung, Erfahrungen und Erwartungen, die jeden Gesprächspartner umgibt und zu ihm durchdringende Informationen filtert. Je mehr Parameter man kennt, desto störungsfreier die Kommunikation.

„Poveschti-Telling“ wird schnell zum geflügelten Wort. Schmunzelnd sprechen es die Seminarteilnehmer aus wie der deutsche Coach: mit einem hörbaren„i“ am Ende. Michael Schroeder lacht: „Ich liebe diese rumänisch-englischen Wortkonstruktionen!“

Als nächstes ist ein junger Mann mit sonorer Stimme dran, er wiegt sich von einem Bein aufs andere. Es fällt schwer, ihm zu folgen. „Als wollten Sie ein Baby in den Schlaf lullen!“ ruft der Seminarleiter plötzlich aus. Dann ein Mittvierziger, dessen Finger nervös vor seinem Hosentürchen zappeln. Kritik überflüssig: Nichts ist überzeugender als der Anblick des eigenen Ichs!

Eine junge Frau bekennt, eher introvertiert zu sein. „Tschuldigung, dass ich existiere!“ flötet der Coach in höchsten Tönen und versteckt sich gespielt verängstigt hinter einer Leinwand. Gern schlüpft Schroeder in die Rolle des Komikers, um die Wirkung der Teilnehmer überspitzt zu reflektieren - und um die Spannung aus der Kritik zu nehmen. Er identifiziert sich mit dem Archetyp des Clowns, der alles sagen darf. Wie ernst man ihn nehmen muss, bleibt jedem selbst überlassen. Verlegenheitsgesten, Füllwörter oder Killerphrasen, nervöse Ticks oder Aussagen mit unterschwellig negativer Botschaft werden gnadenlos vorgeführt. Denn sie alle lenken von der beabsichtigten Botschaft ab.

Es geht darum, Aufmerksamkeit zu fokussieren

„Energie fließt, wohin die Aufmerksamkeit geht!“ Den Satz hören wir immer wieder - ein Schlüsselprinzip effizienter Kommunikation. Es gilt, die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln, statt durch Störfaktoren zu zerstreuen. So beinhaltet die Kunst, zu reden, automatisch auch das Potenzial, zu führen: Kräfte zu fokussieren, zu überzeugen, Menschen für ein Ziel zu mobilisieren.

Zu viel Bescheidenheit kann dabei kontraproduktiv sein. „Jeder hat eine Geschichte zu erzählen“, erinnert Schroeder immer wieder. „Erlauben Sie sich, gesehen zu werden!“ fordert er heraus. Denn viele Redner vermitteln durch ihre Körpersprache das Gefühl: „Da muss ich zwar durch, aber hoffentlich ist es bald vorbei.“ Vor anderen zu reden ist eine Chance, die man nicht leichtfertig verschenken sollte, mahnt er.

Doch auch vor zu viel Perfektionismus wird gewarnt: „Bei solchen Leuten sucht man den Fehler!“ Der allzu selbstbewusste Redner wirkt schnell arrogant. „Ein bisschen Menschlichkeit darf durchaus sein - manchmal sind es gerade Gefühle, die die Aufmerksamkeit binden“, rät der Coach und ergänzt: „Leute mit schwierigen Stories kommen oft besser an als solche mit Erfolgsgeschichten.“ Doch vor unterschwelligen Negativbotschaften ist Vorsicht geboten: „Ich bin eher introvertiert“ suggeriert ein feststehendes Muster. Besser ist: „Ich bin momentan ein bisschen nervös.“ Wenn man es überhaupt erwähnen möchte, denn noch eines vermittelt die Videoübung: Auch wenn man das Gefühl hat, vor Aufregung feuerrot anzulaufen - man sieht es meistens nicht.

Kommunikation lässt Energie fließen

Gelegenheit zu üben gibt es genug in den zwei Tagen: Themenreferate, Vorstandsmeetings, Konfliktgespräche, Rollenspiele, Pressekonferenzen. Schnell wird deutlich: Kommunikation ist Energietransfer! Es gilt, Rollen zu erkennen, anzunehmen oder abzulegen. Spannung aufzubauen und vor allem zu halten. Den Faden in der Hand zu spüren, um je nach Bedarf daran zu ziehen, zu rucken oder lockerzulassen.

Schroeder korrigiert Gedankenflüsse: „Die Pointe nicht vorwegnehmen! Man verrät ja auch im Krimi nicht schon vorher, wer der Mörder ist“.

Berühmte Reden werden analysiert: „I have a dream“ von Martin Luther King wirkt vor allem durch Wiederholung einer einfachen Botschaft, mit der sich jeder identifizieren kann. Dann die bewegende Rede der 12-jährigen Severn Suzuki zum UN Earth Summit 1992: Ein flammender Apell an das Gewissen der Erwachsenen, der mit Standing Ovations beantwortet wurde. Berühmte Beispiele vermitteln das vielleicht wichtigste Geheimnis des wirkungsvollen Redens: aus dem Herzen zu sprechen!

Paradigmenwechsel: Herz erlaubt

„Langsam verändert sich auch in der Geschäftswelt das Paradigma der bisherigen Führungsstile“, verrät Schröder. Und regt zum Nachdenken an: Wissenschaftler fanden heraus, dass Gedanken und Emotionen das Magnetfeld des Herzens beeinflussen. Mit zehn Metern Durchmesser reicht es weit über die Körpergrenzen hinaus. Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, unser Herzmagnetfeld interferiert mit dem der Menschen in unserer Umgebung! Wie wär’s also mal mit Liebe als Führungsmotivation?

Auch gefühlsbelegte Worte transportieren Energie. Als Beispiele werden die Experimente von Masaro Emoto zitiert, in denen Wasserkristalle und Reissamenproben auf tägliche Affirmationen „reagierten“: Ein „Danke!“ ließ den Reis viel länger halten als in der unbeachteten Kontrollprobe, ein „Du Idiot!“ ihn schneller verfaulen. Drohungen führten bei Wasser zu unregelmäßiger Eiskristallbildung, ähnlich wie chemische Verunreinigungen, Liebeserklärungen oder Gebete hingegen zu hoher Symmetrie, wie bei einem reinem Gebirgsquell. „Etwa 50.000 Gedanken produzieren wir pro Tag. Doch davon sind 70 Prozent negativ oder redundant!“, warnt Schroeder. Ein gigantisches, ungenutztes Potenzial.

Wir versuchen uns in Gedankenhygiene, formulieren negative Aussagen ins Positive um: Statt „Ich bin unzufrieden mit Ihrer Leistung“ kann man auch sagen: „Wie kann ich Ihnen helfen, das Ziel noch zu erreichen?“

Das Leben ist eine Bühne: Vorhang auf!

In einem simulierten Vorstandsmeeting werden wir gebeten, in bestimmte Rollen zu schlüpfen: den Zweifler, den Bürokraten, den Pionier, den Gelangweilten, den Fakten-und-Zahlenreiter... In den meisten Meetings gibt es sie wirklich, sensibilisiert der Kursleiter. Das Leben ist ein Bühne - und wir alle spielen eine Rolle. Die Rollen anderer zu durchschauen und die eigene bewusst zu wählen, darum geht es in dem Spiel.

Manchmal muss man sich allerdings auch mit Backstage-Absprachen abfinden. Ein Video zeigt, was gemeint ist: Obama sitzt seinem russischen Partner vor einer TV-Übertragung gegenüber. Was er nicht weiß: Das Mikrofon ist schon an! „Ich kann jetzt nicht so offen sein, ich muss Rücksicht auf die Wahlen nehmen“ raunt der US-Präsident. Der Russe flüstert zurück: „Okay, ich sag‘s dem Vladimir.“

Dann eine Übung, in der es gilt, eine Konfliktsituation durchzustehen: Ein Unternehmer muss auf einer Pressekonferenz erklären, warum 25 Prozent der Mannschaft entlassen werden. Ehemalige Mitarbeiter, Gewerkschaften und Journalisten attackieren ihn als geschlossene Allianz. Gespielt wird der Boss im Kreuzfeuer von dem jungen Mann, der zuvor als einschläfernder Redner Kritik einstecken musste. Diesmal reagiert er perfekt: besonnene Erklärungen, ruhige Stimme, Pokerface. Bloß keine Gefühle zeigen! Statt auf die Entlassungen näher einzugehen, betont er, 75 Prozent der Staff retten zu können - andere Unternehmen seien viel schlimmer dran. „Nicht zurückschlagen, denn das provoziert nur weitere Aggressionen“, bestätigt der Kursleiter die Strategie. Und lobt: „Sie würde ich immer zu Krisensitzungen schicken, wenn ich Ihr Chef wäre!“ Zum Vergleich sehen wir die Erklärungen der VW-Manager nach dem großen Abgasskandal: Sonore Worte, unbewegte Gesichter. Wie groteske Masken mit schnappenden Mündern, wenn man den Ton wegdreht...

Die „Äh-Box“ und andere Tricks...

Übungen, Theorie, Folien, Filmchen - und immer wieder Tipps, die die jungen Leute wie Schwämme aufsaugen. „Machen Sie mal ‚mmhh‘, als ob Ihnen etwas schmecken würde“, rät Schroeder einer Frau, die ihre Piepsstimme nicht in den Griff bekommt. So wie dieses ‚Mhhh‘ soll die Stimmlage beim Sprechen sein. „Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie sie von außen klingen“, erklärt er, warum die Kontrolle der Tonlage oft so schwer fällt.
Wer dauernd „äh“ sagt, dem wird zur Mahnung eine kleine Holzschatulle gezeigt. Sie soll daran erinnern, dass für jeden Verlegenheitslaut 50 Bani einzuwerfen sind. „Hätten wir das konsequent durchgezogen, könnten wir jetzt eine Party feiern!“, spöttelt Schroeder am Ende des Kurses. Und fällt sogleich seinen eigenen Methoden zum Opfer: Denn auf einmal springt ein Teilnehmer auf und hält ihm feixend die Box unter die Nase: „Weil Sie so oft ‚bloody‘ sagen!“, erklärt er mit entwaffnendem Grinsen.