Engel von Malmkrog

Zum Chortreffen der siebenbürgischen Kirchenchöre am 9. Juni 2018

Der Engel im Kirchengewölbe, Detail der Freskenmalerei aus dem 14. Jahrhundert
Foto: Scott Eastman

Für alle Sängerinnen und Sänger war es ein Erlebnis, in der schönen Malmkroger Kirche zu singen.
Foto: Steffen Schlandt

Einen Ohrwurm haben alle mitgenommen, die beim diesjährigen Chortreffen in Malmkrog dabei waren. Am Heimweg im Bus, aber auch am Tag danach, immer wieder bohrte er sich ins innere Ohr: „Halleluja, singt dem Herrn!“ Nicht zu reden von den Kindern, die ihre Refrains und Oberstimmen, ihre Rhythmen und Melodiefetzen nicht vergessen konnten. Kein Wunder bei dem schwungvollen und mitreißenden Repertoire, das einen Tag lang in der Malmkroger Kirche erklang. Mancher Chor kämpft zu Hause ums Überleben. Darum war heuer eine Neuheit doppelt willkommen. Kinderchöre, die an vielen Orten einen kleinen Boom erleben, waren mit dabei. So erklang an diesem Tag Musik aus 270 Kehlen. So voll war unsere alte Kirche noch selten, meinte ein Gemeindeglied. In Malmkrog selbst trifft sich der Kirchenchor regelmäßig und begleitet mit seinen Liedern frohe, besinnliche und traurige Ereignisse. Und: Kein Weihnachtsfest ohne den eigenen Kinderchor!

Einen Monat vor dem großen Tag: In Malmkrog proben sie das Begrüßungslied. An der Wand hängt eine lange To-do-Liste mit Namen, mit Frage- und Ausrufezeichen. Der kleine Chor wird ein großer Gastgeber sein! Und das Ergebnis? Es wurde ein Fest der Kirchenmusik, gelungen wie sonst keines! Getragen von der Freundlichkeit und klugen Vorbereitung dieser besonderen Gemeinde, durften alle sich nicht nur als willkommene Gäste, sondern als Mitglieder einer Familie fühlen. Man sang miteinander als großer Chor, kein Ensemble trat gesondert auf. Chorleiterinnen und Dirigenten wechselten einander ab. Das hielt das Interesse wach in Bass, Tenor, Alt und Sopran, denn sieh, wie motivierte die andere Kantorin uns, wie verschieden klang es unter der energischen Leitung jenes Dirigenten! Aus dem Chorraum sendete das Jugendensemble Canzonetta rhythmische Impulse, verband mit seiner eigenen Klangmischung aus Orff’schem Schlagwerk, Blockflöten und poppigem Keyboard samt Gitarre die Strophen und Refrains. Die Kirche groovte. Manche Augen, zu Beginn eher ratlos blickend, strahlten vor Freude. Applaus? Applaus!

Im vierzigsten Jahr seines Bestehens hat das Chortreffen sich neu entdeckt. Keine hochgesteckten Ansprüche, kein Wettsingen, auch kein Jammern über geschrumpfte Gemeinschaften, sondern ein Tag ansteckender Fröhlichkeit war es, der dieses Chortreffen einmalig machte.

Was hat dir am besten gefallen? Eine eher unglückliche Frage von Lehrern oder Eltern, meist dazu angetan, das Erlebte in Schubladen zu versorgen. Aber natürlich hat auch der Schreiberin dieser Zeilen beim Malmkroger Chorfest etwas ganz besonders gut gefallen: die Pause! Um zwölf Uhr war Zeit fürs Mittagsgebet. „Der Tag ist seiner Höhe nah“, ein Lied des Dichters Jochen Klepper (1903-1942) erklang als einstimmiger Choralgesang. Dann ertönte die Mittagsglocke. Ernst blickten die zahllosen Gestalten vom gemalten Kirchenhimmel. Stille innen, Vogelzwitschern draußen, dann die heiligen drei Schläge. Eine andere Welt drang ein in unser unbekümmertes Tun. Der Engel im Gewölbe verharrte in seinem reglosen Flug, die Engel des Festes beeilten sich nach draußen: Mittagessen für fast dreihundert Leute! Dadurch erwachten auch bei Groß und Klein die Kräfte fürs weitere Singen. Den gemeinsamen Tag beschloss ein Segenswort des Pfarrers, der selbst im Malmkroger Chor mitsingt. Und dann ein allerletztes Mal: „Komm, sing mit uns ... was immer du tust, was immer du sagst ... es passt, es passt, es passt … wenn es kommt von deines Herzens Grund.“ Wer sagt, dass Ohrwürmer nicht die schönsten aller Kriechtiere sind?