Entwicklung des Geschichtsbewusstseins ist unerlässlich

Ausstellung im Athenäum über die Frühzeit des rumänischen Kommunismus

Sven-Joachim Irmer von der Konrad-Adenauer-Stiftung (v. l.), Radu Preda, Leiter des Instituts für die Aufarbeitung der Verbrechen des Kommunismus und das Gedenken an das rumänische Exil (IICCMER) und Andrei Dimitriu, Generaldirektor der Philharmonie, erläutern ihre Vorstellungen zur Aufarbeitung des Kommunismus in Rumänien. Zu den Gästen der Ausstellungseröffnung gehörte auch der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ.

Vorfreude auf die Vorstellung, schnelle Schritte durch das Foyer, um den Beginn des Konzerts nicht zu verpassen: Meist sind die Konzertbesucher im Bukarester Athenäum in Gedanken längst bei der Vorführung und eilen zu ihren Plätzen. In den kommenden Wochen werden sie auf diesem Weg vielleicht eine nachdenkliche Pause einlegen: Eine kleine Ausstellung informiert die Gäste über die Frühphase des Kommunismus in Rumänien. Sie porträtiert Widerstandsgruppen, schildert die Verfolgungsmethoden des Regimes und gibt Auskunft über das weitverzweigte Lagersystem. Zugleich versucht eine Chronologie, das tragische Schicksal prominenter Inhaftierter nachzuzeichnen. Möglich wird diese historische Rückblende durch die Zusammenarbeit der George-Enescu-Philharmonie mit dem Institut für die Aufarbeitung der Verbrechen des Kommunismus und das Gedenken an das rumänische Exil (IICCMER) und der bundesdeutschen Konrad-Adenauer-Stiftung.

Andrei Dimitriu, Generaldirektor der Philharmonie, griff bei der Ausstellungseröffnung am vergangenen Mittwoch zu drastischen Worten: „Die Errichtung der kommunistischen Herrschaft glich einem Abstieg in das Höllenfeuer.“ Dies drohe durch ein kaum vorhandenes Geschichtsbewusstsein der jüngeren Generation jedoch in Vergessenheit zu geraten. Sie müsse sich daher intensiv mit der Geschichte des Kommunismus in Rumänien auseinandersetzen, denn nur gute Geschichtskenntnisse garantieren eine „normale“ Entwicklung der Gesellschaft. Hierfür sieht er die Schulen in der Pflicht: „Mir ist nicht entgangen, dass an den staatlichen Schulen die Geschichte des Holocaust ein fester Teil des Lehrplans ist. Mein Wunsch ist, dass auch die Geschichte des Kommunismus im gleichen Maße unterrichtet wird.“ Wirft man jedoch einen Blick in das Geschichtslehrbuch wird schnell deutlich: Auch die Geschichte des Holocausts nimmt einen verschwindend geringen Anteil am Unterrichtsstoff ein. Soll die junge Generation in der Schule tatsächlich für die Gefahren des Totalitarismus sensibilisiert werden, besteht insgesamt ein immenser Nachholbedarf.

Radu Preda, Vorsitzender des IICCMER, forderte die Schaffung einer einheitlichen musealen Vermittlung in Rumänien. Es gebe das Bestreben und den Wunsch, die Verbrechen des Kommunismus „ohne Fragezeichen“ wiedergeben zu können. Daher wolle das Institut als öffentliche Einrichtung daran mitwirken, dass es zu einem Gedächtniskonsens über die kommunistische Vergangenheit komme, und zwar „ohne Hass und ideologische Vorgaben“. Allerdings, so Preda, herrsche Uneinigkeit über eine Wiedergabe der letzten einhundert Jahre in den Museen: „Das ist unhaltbar.“ Dabei sei eine gute Geschichtskenntnis die wichtigste Lektion in Sachen Demokratie. Allerdings zog Preda mit seinem eigenen Geschichtsverständnis im vergangenen Jahr selbst Kritik auf sich: Seit 2002 stellt eine Dringlichkeitsverordnung faschistische, rassistische und fremdenfeindliche Volksverhetzung unter Strafe. Seit Juli 2015 verbietet diese Verordnung auch die Verbreitung von Symbolen, welche die faschistische „Eiserne Garde“ verherrlichen. Preda, orthodoxer Theologe, brandmarkte diese Maßnahme im vergangenen August jedoch als „pro-kommunistisch“. Mehrere Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates des IICCMER erklärten daraufhin entsetzt ihren Rückzug. Auf der Ausstellungseröffnung im Athenäum schlug Preda vor dem rumänisch-deutschen Publikum jedoch andere Töne an: Er pries den Wert der Freiheit, die man erst in ihrer Abwesenheit zu schätzen wisse. Die Ausstellung könne helfen, hiefür das Bewusstsein zu schärfen.

Sven-Joachim Irmer, zuständig für die Auslandsvertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rumänien und in der Republik Moldau, kritisierte, dass die Geschichte des Kommunismus in Rumänien weder in der Schule noch in der Universität auf der Tagesordnung stehe. Die Zusammenarbeit mit dem IICCMER solle helfen, diesem Mangel entgegenzutreten. Zwar könne eine ausländische politische Stiftung nicht direkt beurteilen, wie ein Land mit der Bewältigung seiner Vergangenheit umgehe, doch sei es möglich, Erfahrungen aus Deutschland weiterzugeben. Dort habe man schließlich Erfahrung mit der Aufarbeitung beider Diktaturen auf deutschem Boden gesammelt. Bis zu dieser Bewältigung war es jedoch ein weiter Weg: Erst die gesellschaftliche Liberalisierung in Westdeutschland ab Mitte der 1960er Jahre ermöglichte dort eine objektive Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS-Regimes, während in der DDR das antifaschistische Staatsverständnis diesen Schritt von vornherein überflüssig machen sollte. Diese Verschleppung ist in den Neuen Bundesländern bis heute zu spüren.

Dagegen atmete die Aufarbeitung des SED-Unrechts anfangs noch den Geist eines schroffen Anti-Kommunismus der vorigen Jahrzehnte, während sich viele Betroffene Wiedergutmachung erhofften. Anderer-seits fürchteten viele Ostdeutsche um ihre persönlichen Biografien. Einige flüchten sich in „Ostalgie“ und in Verdrängung, andere bemühen sich dagegen um eine objektive Bewältigung. Persönliche Erfahrungen und widerfahrenes Unrecht erschweren bis heute einen objektiven Umgang mit der jüngsten Vergangenheit. Immerhin: Die juristische Aufarbeitung der SED-Diktatur schreitet voran, und der Geschichtsunterricht in Deutschland leistet einen umfangreichen und ausgewogenen Beitrag zur Aufklärung.

Am Beispiel einer künftigen Ausstellung über den Kommunismus in Rumänien fordert Irmer eine parteiübergreifende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit: Ohne den politischen Willen sei etwa die Einrichtung eines Museums nicht möglich. „Ich appelliere an die politischen Entscheidungsträger: Setzt Euch bitte mit unserem Partner zusammen, bevor die Geschichte des Kommunismus in Vergessenheit gerät!“ Die Konrad-Adenauer-Stiftung wolle beim Aufbau eines solchen Museums helfen – erste Planungen beim IICCMER gebe es bereits. Nach dem ersten „Vorgeschmack“ im Athenäum solle im Herbst eine weitaus umfangreichere Ausstellung ihre Pforten öffnen. Irmer zeigt sich indessen besorgt: Sowohl in Deutschland als auch in Rumänien mache sich zunehmend eine Verklärung der Vergangenheit bemerkbar. Man müsse daher jenen „ganz deutlich die Stirn bieten, die den Kommunismus heute als etwas Gutes und Menschenfreundliches präsentieren“. Um auch die kommunistische Vergangenheit aufarbeiten zu können, muss historische Forschung jedoch frei von jedem ideologischen Stempel sein und sachlich erfolgen.