„Es ist wichtig, dass die Leute wählen gehen“

ADZ-Gespräch mit dem deutschen Parlamentarier Ovidiu Ganț

Bei der Festveranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit 2018 in Bukarest: Ovidiu Ganț und der deutsche Botschafter Cord Meier-Klodt
Foto: privat

„Wir werden immer auf der richtigen Seite kämpfen“, betont Ovidiu Ganț. Der Abgeordnete des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) ist seit Jahren darum bestrebt, die Anliegen der deutschen Minderheit zu vertreten und zu verteidigen. In den vergangenen Monaten bemühte sich Ganț, die auf ethnischen Kriterien beruhenden Attacken der Regierungsparteien PSD und ALDE abzuwehren. Darüber, aber auch über die aktuelle politische Situation in Rumänien unterhielt sich ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu mit Ovidiu Ganț.


Sie vertreten seit 2004 die deutsche Minderheit im Parlament Rumäniens. Welche sind aktuell die größten Probleme dieser Minderheit?

Die größten Probleme sind nicht neu, sondern sie bestehen seit einiger Zeit. Es geht vor allem um den demografischen Faktor. Es ist ja bekannt, dass die Zahl der Rumäniendeutschen abnimmt und das hat direkte Folgen in allen Bereichen. Angefangen mit dem Vereinsleben, im Forum, in der Schule, wo wir keine Lehrkräfte mehr finden, die ethnisch Deutsche sind und dementsprechend Deutsch als Muttersprache beherrschen, usw.

Die allgemeine Lage Rumäniens hat sich seit zwei Jahren wegen der Tatsache, dass PSD-ALDE regieren und ihren Unfug treiben, sehr verschlechtert. Dementsprechend wäre das allgemeine Problem Rumäniens auch für uns das größte.

Ansonsten gibt es leider auch einen ganz speziellen Punkt, nämlich die Tatsache, dass manche PSD-isten uns zur Zielscheibe gemacht haben, indem sie eine Propagandamaschine in Gang gesetzt und eine Verleumdungskampagne gegen die deutsche Minderheit initiiert haben. Sie hat 2014, im Kampf für das Präsidialamt, angefangen – damals mit Johannis versus Ponta. Man hat damals schon die ethnische Herkunft des Staatspräsidenten Klaus Johannis mit der Deutschen Volksgruppe während des Zweiten Weltkriegs in Zusammenhang gebracht, obwohl weder Johannis, noch wir, die anderen, etwas gemeinsam mit dieser Volksgruppe haben, und das aufgrund eines Gerichtsurteils in Hermannstadt, wo irgendein Gebäude an die deutsche Gemeinschaft rückerstattet worden ist. Man versucht, es ideologisch darzustellen, das Forum wäre eine Nazi-Nachfolgeorganisation, also Schweinereien letzter Kategorie.

Und bezüglich Schulen und Schulklassen: Ich bin seit fast 18 Jahren in Bukarest und beschäftigte mich mit der Politik der deutschen Minderheit, und in all diesen Jahren, inklusive heuer war ich beschäftigt, Attacken gegen deutsche Klassen abzuwehren. Das heißt, dass sich in der Mentalität mancher rumänischer Beamten, die politisch eingesetzt sind, wie z. B. Schulinspektoren, nichts geändert hat.

Sie haben diese Verleumdungskampagne erwähnt, die die regierenden Parteien PSD und ALDE führen. Inwiefern wurden die Verleumder bestraft?

In Rumänien ist ja Verleumdung keine Straftat mehr. Es gibt nur das zivile Vorgehen gegen solche, was wir auch konsequent tun. Wir haben mehrere Prozesse eingeleitet. Der eine Prozess ist endgültig gelöst worden, wir haben ihn natürlich gewonnen und der Betroffene wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, er musste 6000 Lei dem Deutschen Forum zahlen. Das ist keineswegs entmutigend, d. h. wenn sich diese Schurken das finanziell erlauben, können sie tagtäglich mit solchen Sachen kommen und es juckt sie wenig.

Der eklatanteste Fall bleibt Darius Vâlcov, Berater der Premierministerin, der als Regierungsvertreter gesprochen hat. Die Premierministerin hat sich geweigert, ihn zu entlassen, trotz der Tatsache, dass meine Fraktion, die der Minderheiten, aufgrund eines Vorschlags meinerseits sie dazu aufgefordert hatte. Sie hat nicht einmal auf den Brief geantwortet. Also da kann sie uns nicht im Fernsehen etwas über politischen Frieden und Konsens erzählen! Ähnliche Erklärungen, miserable Erklärungen, hat auch Senator, Ex-Minister Liviu Pop, uns gegenüber gemacht. Aber auch die PSD-istin Lia Olguța Vasilescu, die verzweifelt versuchte, Ministerin zu werden – wenn Sie mich fragen, so ist sie wegen ihrer PRM-istischen Vergangenheit und aktuellen nationalistisch-kommunistischen Politik untauglich für solch einen Posten, also begrüße ich die Tatsache, dass Staatspräsident Johannis konsequent diesen Vorschlag ablehnte.

Wir versuchen, uns auch politisch zu wehren. Der DFDR-Landesvorsitzende Jürgen Porr und ich, wir haben uns mit dem Bundesaußenminister Heiko Maas getroffen, der wiederum hatte Liviu Dragnea erklärt, dass es so nicht geht, nicht im Rahmen der sogenannten Partnerschaft zwischen Deutschland und Rumänien, die seit 1992 laut Vertrag besteht – Botschafter Meier-Klodt hat es vor Kurzem in Mediasch nochmals beteuert, dass es inakzeptabel ist. Es ist wichtig, dass solche Signale aus Deutschland kommen. Inzwischen haben die PSD-isten erstmal davon abgesehen, aber sie beauftragen ihre Propagandisten, das weiter zu tun, wie neulich in der Zeitung „Cațavencii“. Wir verfolgen die Sachen, leiten Verfahren gegen diese Typen ein, auch bei der Antidiskriminierungsbehörde, da haben wir auch mehrmals gewonnen, aber es gibt keinen abschreckenden Effekt.

Eine gezielte Frage auf die Serie in „Cațavencii“. Wie sehen Sie diese Kampagne gegen Klaus Johannis, gegen das Deutsche Forum und gegen die Evangelische Kirche?

Ja, das ist ein Propagandaorgan der PSD und von Dragnea höchstpersönlich. Es ist ja kein Geheimnis, dass Doru Bușcu sein Berater ist. Wahrscheinlich sitzen sie abends zusammen und machen Pläne, wie sie die Schweinereien über Forum und Johannis verbreiten können.

In der Öffentlichkeit hat sich kaum jemand gemeldet, mit einer großen, sehr wichtigen Ausnahme, nämlich die Jüdische Gemeinschaft in Rumänien und deren Präsident Dr. Aurel Vainer, der sofort, als es mit diesen Schweinereien losging, öffentlich reagiert und uns in Schutz genommen und die Wahrheit verkündet hat. Dafür sind wir ihm äußerst dankbar und sind weiterhin engste Partner der Jüdischen Gemeinschaft hierzulande. Es ist wichtig, diese Normalität der rumänischen Gesellschaft allgemein zu signalisieren und das geschah auch neulich, als der DFDR-Vorstand Dr. Aurel Vainer einstimmig die Ehrennadel in Gold verliehen hat, als Zeichen der Verbundenheit im Sinne der gemeinsamen Werte, Demokratie, Toleranz, Solidarität. Das ist unser bescheidener Beitrag zu einer normalen rumänischen Gesellschaft.

Sie befinden sich konsequent in Opposition gegenüber der Regierungskoalition PSD-ALDE. Kann man da vielleicht befürchten, dass die PSD-ALDE-Regierungskoalition dem Deutschen Forum in diesem Finanzjahr aus diesem Grund Geldmittel beschneiden wird?

Dass sie uns die Summen reduzieren, ist ausgeschlossen. Aus mehreren Gründen. Erstens wird die Summe für nationale Minderheiten, die im Haushaltsgesetz vorgesehen ist, nicht speziell für Deutsche, Armenier, usw. bestimmt, sondern für die gesamte Fraktion. Innerhalb dieser Gesamtsumme verteilen dann die Minderheiten diese Gelder. Es gibt eine Formel, die wir seit Jahren anwenden, es geht um eine prozentuale Verteilung, also diesbezüglich ist es kein Thema.

Ich hatte bereits den Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und Rumänien erwähnt. Die gemischte Regierungskommission schaut sich immer diese Zahlen an, und im Grunde genommen ist es ja so, dass es von beiden Seiten massive Unterstützung gibt, sowohl von der Bundesrepublik, wie auch vom rumänischen Haushalt, also diesbezüglich mache ich mir absolut keine Sorgen.

Es ist aber bedauerlich, feststellen zu müssen, dass ich mich mit dieser Regierung, mit dieser Premierministerin, mit diesen Ministern eigentlich nicht zeigen kann. Ich würde mich eher blamieren. Falls es ad absurdum zu einem Treffen zwischen der Bundeskanzlerin und Vasilica Dăncilă kommen sollte, würde ich keineswegs Vasilica Dăncilă zu diesem Gespräch begleiten wollen, obwohl ich früher mit allen Staatspräsidenten, Premierministern nach Berlin gereist bin, um beim Treffen mit Kanzlerin oder Bundespräsidenten dabei zu sein. Diesmal würde ich mich wirklich schämen.

Rumänien hat den EU-Ratsvorsitz übernommen. Es schien so, als sei man darauf gar nicht vorbereitet gewesen. Wie empfinden Sie das?

Es ist eine Frage der Definition. Natürlich ist der neue blaue Teppich im Parlament Teil dieser Vorbereitung und es sieht gut aus. Diesbezüglich sind wir vorbereitet. Die Frage ist, wie sieht das aus mit den Inhalten und der Glaubwürdigkeit. Ich bezweifle sehr, dass diese Minister, die sich im Inland blamieren, etwas im Ausland zu bestellen haben. Man kann sich ausmalen, was die EU-Justizminister über Tudorel Toader denken, wenn er meinetwegen am Tisch sitzt und den Justizministerrat moderiert. Er ist beschäftigt, in Rumänien für Verbrecher viel bessere Bedingungen zu besorgen bzw. dafür zu sorgen, dass schon vorbestrafte Verbrecher die Prozesse annulliert bekommen bzw. diese neu aufgerollt werden. Oder: Was für eine Glaubwürdigkeit hat der Finanzminister? Eine absolute Witzfigur, wenn man bedenkt, dass er allen Ernstes behauptet hat, dass man das Arbeitsrecht innerhalb der EU einschränken kann.

Fakt ist, dass diese Leute unglaubwürdig sind, sie haben auch keine Ahnung, wie Europa funktioniert. Vasilica Dăncilă spricht ständig von „Noi conducem Uniunea European˛“, also „Wir leiten die Europäische Union“. Absoluter Schwachsinn! Sie begreift nicht, nach neun Jahren, in denen sie umsonst im Europäischen Parlament gesessen ist, dass die EU-Ratspräsidentschaft nach dem Prinzip „primus inter pares“ funktioniert. Es ist eine Frage der Vertretung und nicht der Leitung, wir haben da nichts zu leiten.

Ich glaube, dass von der ganzen Sache nur drei Sachen übrig bleiben werden: das Ausscheiden der Briten, das sogenannte Brexit, was nichts mit uns zu tun hat, der EU-Gipfel in Hermannstadt, aber da ist Johannis als Staatspräsident dabei und nicht Vasilica Dăncilă, und der blaue Teppich im Parlament, worüber wir uns als Überbleibsel der rumänischen Ratspräsidentschaft freuen werden.

Im Mai gibt es Europawahlen, Ende des Jahres finden Präsidentschaftswahlen statt. Welche Entwicklungen sehen Sie in diesem Sinne voraus?

Es ist wichtig, dass die Leute wählen gehen. Ich hoffe, sie haben aus der Erfahrung 2016 gelernt, wie katastrophal das war, nicht zu wählen, weil durch diese Nichtbeteiligung diese Schurken jetzt die große Mehrheit haben, um zu regieren. Ich hoffe, sie gehen wählen und ich hoffe, sie wählen auch europäisch, d. h. sie wählen solche Parteien, die tatsächlich etwas für Europa übrig haben und eine gemeinsame europäische Zukunft für uns aufbauen wollen, und nicht europaskeptische, nationalistisch-populistische wie die PSD zurzeit, sondern eben die Parteien, die die EVP unterstützen.

Das werde ich z. B. tun. Ich werde natürlich für die EVP meine Stimme abgeben, in diesem Fall über die Liberalen aus Rumänien. Ich wünsche mir, dass Manfred Weber, der Spitzenkandidat der EVP, auch Kommissionspräsident wird. Ich kenne Manfred Weber sehr gut aus meiner Zeit im Europäischen Parlament. Ich glaube, Manfred Weber ist ein sehr starker und sehr guter Kandidat für diesen Posten. Er ist ein überzeugter Europäer und das brauchen wir, damit wir dieses äußerst positive und wichtige Konstrukt, die EU, auch in den nächsten Jahren haben, vor allem weil eben diese Europäische Union uns Frieden, Wohlstand und Sicherheit garantieren kann.

Zu den Präsidentschaftswahlen: Wir werden Klaus Johannis für ein zweites Mandat unterstützen. Wir hoffen alle, dass Klaus Johannis Staatspräsident wird, weil er wirklich der letzte Kämpfer gegen diese Banditen ist, der ständig versucht, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in Rumänien zu retten. Deswegen ist es lebenswichtig für unser Land, dass er die Wahlen gewinnt. Das wird aber nur die notwendige Bedingung sein. Die hinreichende würde sein, dass 2020 normale, demokratische Parteien die Parlamentswahlen gewinnen, damit sie dann im Einklang mit dem Staatspräsidenten hier im Land etwas bewegen können. Falls aber diese Wahl von denen gewonnen wird, die jetzt am Werk sind, dann werden wir ins finstere Alter des Kommunismus zurückkehren.