Expedition auf den Spuren der Daker

Teil II: Natur- und Wanderparadies im Umfeld der Dakerfestung Capalna

Ghita findet den unteren Teil eines zerbrochenen Mühlrades aus der Dakerzeit. Fotos: George Dumitriu

Reste des Verteidigungsturms

Massive Mauern mit Aussparungen für Holzbalken

Panoramablick von der Festung

Nur mühsam kriecht der schwerbeladene Geländewagen den serpentinenreichen, 2 km langen Weg vom Ort Capâlna (zwischen Sebes und dem Oasa Stausee) in Richtung Dakerfestung hoch. Als wir am angekündigten Umkehrplatz ankommen, fällt uns das Herz in die Hose: er ist viel zu schmal zum Wenden! Links klafft ein gähnender Abgrund, rechts schroffer Fels. Mit millimetergenauen Manövern schafft es George Dumitriu dann doch – naßgeschwitzt, schon vor dem Aufstieg. Dann geht es zu Fuß weiter, links vom Bach den steilen Hang hinauf durch den kühlen Buchen- und Birkenwald.

Invasion der Schatzsucher

Beim Aufstieg erzählt unser Führer Gheorghe Aloman, genannt Ghita, von seinen Erlebnissen mit den illegalen Schatzsuchern, die Capâlna immer wieder mit Spaten und Metalldetektoren heimsuchten. Seit hier ein kostbares Goldcollier dakischer Herkunft entwendet worden war, das vom rumänischen Staat später teuer aus dem Ausland zurückgekauft werden musste, hat man ihn als Wachposten engagiert. Seither hat die Anzahl der Goldsucher deutlich abgenommen, denn der engagierte Museumsmitarbeiter wohnt direkt in der Zufahrt zum schwer zugänglichen Festungshügel. Ihm entgeht keine Bewegung.

Wenn er nicht zuhause ist, verständigen ihn sofort seine benachbarten Verwandten, wenn etwas Verdächtiges passiert. Wie etwa vor vier Jahren, als sich ein schwerer Jeep bei Dunkelheit zum Plateau emporkämpfte und nicht wieder zurückkehrte. Die Polizei stellte den Fahrer am nächsten Morgen in der Festung. Dieser gab sich zunächst als Tourist aus, doch die Untersuchung des Wagens förderte mehrere gestohlene, mittelalterliche Kunstgegenstände zutage. Auf dem Plateau klafften frische Grabelöcher. Offenbar handelte es sich um einen Profi, der gezielt historische Stätten plündert. Die illegalen Schatzsucher sind meist technisch gut ausgerüstet, manchmal sogar bewaffnet.

Nach etwa 20 Minuten Fußmarsch tauchen endlich die Mauerreste der Dakerfestung vor uns auf. Majestätisch wirkt sie immer noch, vor allem wegen ihrer Lage auf dem Gipfelplateau, umrahmt von riesigen, uralten Eichen. Ghi]a zeigt auf einen flachen Steinblock am Rande des Plateaus. Hier sollen Diebe ein Skelett mit einem goldenen Collier um den Hals ausgebreitet haben. Eine alte Frau hatte sie heimlich beobachtet und berichtete der Polizei . Das 1,5 kg schwere Goldcollier konnte später - zusammen mit sieben spiralförmigen dakischen Goldarmreifen - in Deutschland sichergestellt werden. Das Gerippe blieb bis heute verschollen.


Strategischer Verteidigungsposten

Vom Plateau aus bietet sich ein spektakulärer Blick auf die umliegenden Hügel und Berge. Im Tal glänzt der Stausee von Obreji-Capâlna wie pures Silber in der Sonne. In diese Verteidigungsfestung floh Decebal einst vor den Römern . Doch sie jagten den Dakerkönig  weiter über die Berge, bis hinter die Poiana Marga, die auf dem Berg gegenüber liegt. Dort stellten ihn seine Verfolger und schlugen ihm den Kopf ab.

Das tragische historische Ereignis mag nicht so recht zur Atmosphäre auf dem Plateau passen: unter strahlendblauem Himmel mit weissen Wattewölkchen balzen seltene Schwalbenschwänze in wildem Tanz um blühende Schlehen, alte Nußbäume und knorrige Eichen, die sich mit ihren riesigen Wurzeln an den kargen Felsen festkrallen.

Wir steigen über die noch kniehohe, quadratische Mauer des Wohnturms am Haupteingang der Verteidigungsfestung – ein typisches Beispiel für die „murus dacicus”, die berühmte dakische Steinmauer, die sich durch quadratische Aussparungen auszeichnet, in die Holzbarren hineingesteckt wurden. Die perfekt behauenen, fast nahtlos aneinandergefügten Quader stammen aus den einige Kilometer entfernt liegenden Orastie Bergen. Wie sie nach Capâlna gelangt sind, ist ein Rätsel.

Am Rand des Turmes entdecken wir eine moosbedeckte Abflußrinne als Zeichen, dass auch hier fliessendes Wasser verwendet wurde. Vermutlich wurde es bei Regen vom Dach aufgefangen und in Zisternen geleitet. Tatsächlich berichtet Ghi]a, dass sich unter dem Plateau ein Hohlraum befindet, wie archäologische Ausgrabungen im Jahre 1982 ergaben. Aus alten Zeichnungen geht ausserdem hervor, dass die Festung von einem Flachdach bedeckt war.

Die Informationstafel vor der Festung liefert geschichtliche Daten: die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Dakerfestung in 610 Metern Höhe entstand im ersten Jahrhundert v. Chr und sollte die Hauptstadt Sarmizegetusa gegen Einfälle aus dem Sebes-Tal schützen. Sie bestand aus einer ovalen Ringmauer, einem Wohnturm, einem Observationsturm und mehreren Gräben und Wällen.  Archäologische Ausgrabungen förderten aber auch Spuren eines Heiligtums zutage. Die Festung wurde 106 n. Chr im dakisch-römischen Krieg von Kaiser Trajan zerstört.
Die bei den Ausgrabungen zutage geförderten Fundstücke kann man im „Museul National Al Unirii” in Alba Iulia (wo auch das Collier ausgestellt ist), sowie im Museum „Ion Raica” in Sebe{ bewundern.

Weitläufiges Wanderparadies

Von hier aus kann man auf verschiedenen markierten Wegen über bewaldete Hügel, Felder und Wiesen weiterlaufen . Unweit von der Festung liegt eine kleine, verfallende Holzhütte, früher Unterkunft von Schäfern und Schafen im Sommer, heute gehört sie Ghita. Auf dem kleinen Plateau vor der Hütte, das einen atemberaubenden Ausblick auf den Stausee am Fuß des Berges bietet, zelten oft junge Leute. Die stören nicht, meint Ghi]a, doch schlimm seien die Waldarbeiter, die für ihr Grillfeuer achtlos Bretter aus der Hütte herausreißen. Auch illegale Abholzungen sind ein Problem in Capâlna. Ganze Flächen werden ohne Wiederaufforstung abgeschlagen und somit der Erosion preisgegeben, oder gesunde Bäume aus dem Wald gestohlen, während alte und kranke stehen bleiben. Von den Holztransporten werden die Wege zerstört, sogar das Informationsschild und die Sitzbank vor der Festung wurde schon mehrmals umgefahren.

Dem Festungshügel gegenüber liegt der  „Piatra varului”, wo mehrere Wege vom Dorf auf die Alm und weiter ins Hinterland führen. Ein Wanderweg, mit rotem Pfeil markiert, erfreut sich besonderer Beliebtheit. Er führt nach nur 50 Minuten Aufstieg zum roten Haus des Schäfers Nea Petrica, der dort mit seiner Frau Maria und ihren zehn Kindern lebt. Wenn die Pensionswirte aus dem Dorf Wanderer ankündigen, macht Frau Maria frischen Balmo{ aus Maisgries, Schafskäse, Rahm und Molke. Vom Gipfel des „Piatra varului”, der auch per Geländewagen erreichbar ist, genießt man einen schönen Ausblick zur Dakerfestung. Von dort aus kann man weiter zur Poiana Marga wandern, wo Decebal einst ein so unrühmliches Ende nahm.

Touristische Attraktionen

Auf dem der Dakerfestung gegenüber liegenden Hügel liegt die angeblich schwerste Motocross-Strecke Europas. Einmal im Jahr, am 15. August, findet hier ein Motorradrennen statt, das von Herrmannstadt/Sibiu über Valea frumoasa, Oa{a  und Vales Sebe{ului nach Capâlna führt. An diesem Tag verwandelt sich das ansonsten ruhige Straßendorf in einen brodelnden Rummelplatz. Schaulustige aus Rumänien und aller Welt belagern die mit bunten Bannern geschmückte Straße, während  Kamerateams aus Hubschraubern filmen. Auch an anderen Tagen kann es vorkommen, dass sich  Motorräder knatternd den Berg hinauf kämpfen, denn Capâlna ist ein beliebtes Ziel für organisierte Motocross-Gruppen.

Die Gegend um Capâlna bietet sich außerdem für Geländewagentouren an, zum Beispiel zum 42 km entfernt gelegenen Oa{a Stausee, oder über den Urdele Paß. Ausflüge kann man auch zum am Stausee gelegenen Kloster Oa{a (mit schöner Holzkirche) unternehmen, zur nahegelegenen sächsischen Kirchenburg in Câlnic, ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe, oder nach Sebe{, zu den Dakerschätzen im Museum „Ion Raica”. Lohnenswert ist auch ein Besuch im „Lebenden Museum von Laz”, dem Haus der 88-jährigen Glasikonenmalerin Maria Poenariu. Das blitzblau gestrichene Anwesen liegt am Eingang benachbarten Dorfes Laz und sticht durch eine mit einem Jesus und zwei Engeln bemalte Fassade hervor.

Rustikale Unterkünfte

Direkt am Ortsausgang (von Sebes kommend) liegt rechts vor dem Stausee die Pension „Vraja vacan]ei” - eine geschmackvolle Villa mit ausgedehntem Garten und Swimmingpool. Wer es lieber rustikal mag, kann eines der vier Holzhäuschen am Gargalau-Flüßchen mieten, die mit je zwei Doppelschlafzimmern, Bad und Kochnische ausgestattet sind. Zu jedem Häuschen gehört ein Grill und in Kürze soll hier eine Forellenzucht  entstehen, wo die Gäste ihre Grillmahlzeit selbst angeln können. Ein überdachter Pavillion bietet einen gemeinsamen Schlechtwetter-Eßplatz - und den obligaten Fernseher als einzigen „Luxus”. Das ruhig dahinplätschernde Flüßchen eignet sich zum Herumplantschen und Schlauchbootfahren! Handy-Signal gibt es dort keins.

Wer nicht unbedingt selbst kochen möchte, kann in der ebenfalls rustikalen Pension „Podul Cetatii” kurz hinter derm Schild, das den Aufstieg zur Dakerfestung weist, einkehren. Vor dem großen Holzhaus mit Bar und Restaurantbefindet sich eine schöne Terasse und ein Swimmingpool. Zimmer gibt es sowohl im Haupthaus als auch als Selbstversorger in den Holzhäuschen im Hof. Wer von dort zu Fuß zur Festung aufbricht, wird gerne von den Hunden Bobi und Foxi begleitet, die das Ziel kennen und vorauslaufen. Weicht der Wanderer vom rechten Weg ab, kehren die Hunde einfach um.