Fakten und Fiktion

Michaela Nowotnicks Buchvorstellung im Erasmus-Café

Im Anschluss an die Buchvorstellung Michaela Nowotnicks gab es zahlreiche Stellungnahmen und Fragen aus dem Publikum.
Foto: Eveline Cioflec

Hermannstadt – Michaela Nowotnick stellte am vergangenen Freitag ihr jüngst erschienenes Buch im Erasmus-Café in Hermannstadt/Sibiu vor. Mit „Die Unentrinnbarkeit der Biographie. Der Roman ‚Rote Handschuhe‘ von Eginald Schlattner als Fallstudie zur rumäniendeutschen Literatur“, 2016 im Böhlau Verlag in der Reihe „Studia Transylvanica“ erschienen, erlangte Frau Nowotnick den Doktortitel an der Humboldt-Universität in Berlin. In Hermannstadt fand die ausführliche Buchvorstellung sehr reges Interesse.

Besonderes Gewicht wurde bei der Buchvorstellung auf den Schriftstellerprozess von 1959 gelegt. In diesem Prozess wurden die siebenbürgisch-sächsischen Autoren Wolf von Aichelburg, Hans Bergel, Andreas Birkner, Georg Scherg und Harald Siegmund „zu ziemlich hohen Haftstrafen verurteilt und zwar lautet der Urteilsspruch, dass es eine nationalistische deutsche Schriftstellergruppe sei, die sich gemeinsame Ziele gesetzt habe, nämlich die Unterwanderung der politischen Ordnung. Sie würden eine pro-nationalsozialistische Haltung haben und regimekritische Texte verbreiten.“

Im gleichen Atemzug wurde auch die Rolle in diesem Prozess des bereits 1957 inhaftierten Eginald Schlattner dargestellt, der als Zeuge aufgerufen wurde und die Anklagen untermauert haben soll: „Schlattner kam in diesem ganzen Prozess eine ganz besondere und wichtige Rolle zu, denn man verweist immer wieder auf ihn, in den Beweisausführungen und auch in der Anklageschrift. Unter anderem sagt man auch, dass er der Securitate den Schlüssel für das Verständnis eines regimekritischen Textes verraten habe. Hier kommt es zu einer ziemlich klassischen Täterinszenierung: nämlich man inszenierte einen Verräter aus den eigenen Reihen, der Informationen über die Opfer, seine ehemaligen Bekannten und Freunde weitergibt.“

Der umstrittene Roman „Rote Handschuhe“ soll später als Stellungnahme Schlattners geschrieben worden sein, als seine Wortmeldung nach einer Tagung, in der Klarheit verschafft werden sollte über den Schriftstellerprozess. Durch einseitige Darstellungen bewirkte der Tagungsband allerdings „eine zunehmende Dämonisierung Eginald Schlattners. Vor allem in der Rezeption hatte man Schlattner mit der Securitate gleichgesetzt und damit der Securitate ein Gesicht gegeben. Schlattner war die Securitate, Schlattner war das Böse, Schlattner war der Verräter.“

Die aus Deutschland stammende Literaturwissenschaftlerin hat mehrere Jahre vor Ort in Hermannstadt den im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien aufbewahrten Vorlass Eginald Schlattners erforscht.

Auf die Frage aus dem Publikum, ob es nicht schwierig gewesen sei, sich in „diese neue Welt“ einzuleben, erwiderte die Autorin: „Ich hatte natürlich anfangs Probleme und ich hatte vor allem Angst, dass ich zu sehr mich einfinde in diese Welt. Mein großer Vorteil war – und ist bis heute noch – dass ich eben nicht von hier komme und dass ich mit den Sachen, die ich in Deutschland an der Uni gelernt habe, hier auf ein völlig neues Forschungsfeld stoße und mehr oder weniger unvoreingenommen mit den Leuten auch in Kontakt komme – was mir allerdings nicht bei allen gelungen ist. Nicht alle waren bereit mit mir zu sprechen. Herr Schlattner hat viel mit mir gesprochen, aber viele eben nicht.“ Später fügte sie zu letzterem noch hinzu: „Aber meine Aufgabe kann eben nur sein, das aus der Literatur heraus zu erklären. Ich kann es mir erklären, was das hervorgerufen hat und ich kann es begründen mit dem, was mein Handwerkszeug ist, aber ich kann es nicht beurteilen.“ In dem Buch findet man aber nicht nur Begründungen, sondern durch die Begründungen auch spannende Wendungen in der Auffassung zur jüngeren Geschichte der rumäniendeutschen Literatur.