„Farce der Demokratie“

Bis Weihnachten soll aus Hunderten Strafakten, an denen die Staatsanwälte arbeiten, Makulatur werden. So die Zielvorgabe, die PSD-Parteichef Dragnea dem nicht ganz legal zusammengestellten Justiz-Sonderausschuss der Abgeordnetenkammer unter Leitung des Ex-Justizministers Florin Iordache (von den Medien „Ciordache“, der „Stibitzer“, getauft) gestellt hat. Der Sonderausschuss arbeitet emsig daran und will dieser Tage der Zustimmmaschine der Parlamentsmehrheit die Novellierungsvorschläge zur Strafgesetzgebung und der Antikorruptionsgesetze vorlegen. Es handelt sich letztendlich um Persilscheine für die Parteienkleptokratie, die dieses Land, das für seine Erfolge im Antikorruptionskampf gelobt wurde, um gut zwei Jahrzehnte zurückwerfen.

Besorgnis erregt, dass dem tumben Vorpreschen der parlamentarischen Akteure und Mitläufer diesmal keine Protestbewegung entgegenwallt, wie Anfang 2017 erlebt. Ist die bürgerliche Bewegung müde, ist das Gerechtigkeitsbewusstsein der Öffentlichkeit eingelullt?

Der Philosoph und erfolgreiche Verleger Gabriel Liiceanu fand unlängst in einem Rundtischgespräch der Gruppe für Sozialen Dialog (GDS) eine Erklärung, die, bedingt und als Wunschvorstellung, trotz ihres Fatalismus überlegenswert ist: „Vielleicht ist es nunmal so, dass letztendlich jedes Volk seine eigene Demokratie lebt – dann, wenn letztere das Volk – irgendwann, spät – anfällt.” Man sprach über die im Parlament im Gang befindliche Vergewaltigung der Justizgesetzgebung durch die Regierungskoalition PSD/ALDE. „Das geschieht so, wie es dem Volk die Geschichte erlaubt, die ihm eigen ist. Vielleicht können wir mit unserer Demokratie nicht mehr tun. Vielleicht können wir sie nicht verteidigen, weil wir ihre Geschichte vermissen. Vielleicht können wir nicht über den Schatten unserer eigenen Geschichte springen. Gegenwärtig, zum Beispiel, leben wir eine Demokratie, die von denjenigen ermöglicht wurde, die 2016 nicht wählen gingen. Man kann´s drehen und wenden wie man will, wir sind so weit gekommen, weil sie, die Nichtwähler, die ‘von der Politik Angeekelten’, den Jetzigen ihre Mehrheit in die Hand gaben. Nun ist es an der Zeit, dass diejenigen, die Ende 2016 zuhause geblieben waren, auf die Straße gehen und das Desaster reparieren, in das sie uns getunkt haben.”

Man darf allerdings zweifeln, dass jemals ein Philosoph aus der Bequemlichkeit seines Sessels die Politikmüden zu Straßenprotesten anregt (Liiceanu ist nunmal nicht der 101-jährige Mihai Şora...). Zu jener Konsequenz im Stoppsagen ermutigt, die uneinsichtige Parteisoldaten, wie den glitschigen Justizminister Toader, den hinterlistigen Ex-Justizminister Iordache, den sturen Abgeordneten Eugen Nicolicea oder den stockkonservativen Senator Şerban Nicolae zu besserer Einsicht brächten. Eher wär´s möglich, dass Dragnea die seit einem Jahr angedrohten „eine Million“ Parteigänger auf die Straße bringt...

Wenn keine starke Bürgerbewegung entsteht, werden wir, so Liiceanu, am „Limit der Demokratie” leben müssen, nach einem „Drehbuch des Populismus, der Lüge und der Manipulation”, die auf Schritt und Tritt von den an der Macht Befindlichen aktiviert werden, um unsere Aufmerksamkeit abzulenken, wobei sie „ausschließlich ihre Interessen und die ihrer Klientel bedienen”. „Dialog abweisend, arrogant, böswillig, mafiös” verwandeln die gegenwärtigen Machthaber „alle Diskussionen in einen Salontalk, der zu nichts führt”. „Sind die Rituale der Demokratie an ihre Grenzen gestoßen”, fragt der Philosoph, „und jetzt erleben wir das alles nur noch als Farce der Demokratie? Auf welchem Terrain wird nun die Schlacht geschlagen, wenn die Demokratie nicht mehr die optimale Form des Regierens ist, sondern zum Instrument wurde in der Hand des Verbrechens?”

Liiceanus Frage gilt nicht nur für Rumänien.