Freikauf im Schatten der Securitate

Der Bukowiner Historiker Daniel Hrenciuc über die Aussiedlung von Deutschen aus Rumänien in den Akten der Geheimpolizei

Daniel Hrenciuc: „În umbra securității. Emigrarea germanilor din România (1992 – 1989)“, Editura Mega 2018, 35,70 Lei, ISBN 978-606-543-954-2.

Dieses neue Buch des Gymnasialprofessors und Forschers Daniel Hrenciuc aus Radautz/Rădăuți ist für die breite rumänische Leserschaft gedacht und seine Lektüre für diese auch sinnvoll. Denn obwohl zu dem Thema in rumänischer Sprache bereits seit 2011 eine umfangreichere Dokumentation unter dem Titel „Acțiunea Recuperarea“ vorliegt und es auch zahlreiche Fernsehsendungen dazu gab, ist noch nicht alles erforscht, vor allem aber breiten Kreisen noch immer nicht bekannt. Das belegen zuletzt die heftigen, verleumderischen Polemiken vonseiten einiger PSD-Politiker gegen die deutsche Minderheit des Landes.

Es ist das dritte Werk von Hrenciuc, das sich vorwiegend mit den Deutschen in Rumänien nach 1918 befasst. Zuvor publizierte der Historiker bereits Arbeiten zu den Bukowiner Polen und Juden.
Für die Fachleute und deutschen Leser ist nicht sehr viel Neues zu erfahren, weil es für Interessenten mehr Literatur gibt, vor allem dank der Dokumentation aus erster Hand von Dr. Heinz Günther Hüsch „Wege in die Freiheit“ (München 2016, zusammen mit Peter Leber und Hannelore Baier) – das Buch, das für die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas an den Anfang zu stellen ist –, aus dem Hrenciuc auch ausführlich zitiert, manchmal mit Anmerkungen, die durch ungewöhnliche Länge über die Buchseite hinausreichen. Durchweg hat es der Autor unterlassen, die von den Geheimdienstlern erstellten Dokumente zu hinterfragen oder mit anderen veröffentlichten Akten zu vergleichen.

Erschienen ist das Buch 2018 im Mega Verlag (Klausenburg/Cluj) unter dem Titel „În umbra securității“ (Im Schatten des Securitate-Geheimdienstes). Der Untertitel erläutert, dass es sich um die Auswanderung von Deutschen aus Rumänien in der Zeitspanne 1962-1989 handelt. Auf 320 Seiten umfasst die Arbeit eine Einführung, eine einleitende Studie und als Hauptteil eine Auswahl von über 160 Dokumenten (Vorlagen, Anschreiben, Berichte, Quittungen, Rechnungen etc.) aus verschiedenen Archiven zum Thema, ohne jedoch über die Auswahlkriterien zu informieren. Auch macht der Autor keinerlei Angaben hinsichtlich der Frage, weshalb er mit einem Akt vom Juli 1972 den Dokumententeil abschließt, gewissermaßen im Widerspruch zum Untertitel. Zum Schluss veröffentlicht der Autor zahlreiche Fotos aus der umfangreichen Akte des deutschen Rechtsanwalts Dr. Hüsch, die von der „Securitate“ bei dessen Reisen angefertigt wurden, viele davon sind für den Leser nichtssagend und zudem von schlechter Qualität. Weniger wäre – wie bei der Aktenauswahl – mehr gewesen. Für bundesdeutsche Leser ungewöhnlich ist auch die Tatsache, dass der betroffene Anwalt über die Veröffentlichung der Fotos und der Kopien der Dienstpässe nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Ein Gewinn wäre für das Buch gewesen, wenn eine Korrektur die vielen Tippfehler bei Namen und deutschen Titeln im Literaturteil verbessert hätte, unerklärlich sind in dem Teil auch Fehler bei Vornamen. So kommt Dr. Hans Weresch beispielsweise immer als Hugo vor.

In der Einleitung geht der Historiker sachlich und wohlwollend auf die Rolle der deutschen Gemeinschaften auf dem Gebiet Rumäniens über die Jahrhunderte ein und weist auf die „ethnisch-konfessionellen Prägungen“ der historischen Siedlungsgebiete mit deutscher Bevölkerung hin, auf deren Haltung 1918, er nennt die Vertreter im rumänischen Parlament der Zwischenkriegszeit und betont beispielsweise die Rolle der Deutschen in der Entwicklung des Pressewesens in diesem historischen Raum. Dargestellt werden aber auch die schwierige Lage der Rumäniendeutschen nach der Machtübernahme der Volksgruppe, ihre Situation nach dem Zweiten Weltkrieg und die Folgen, die u. a. dazu führten, dass die Zahl der Deutschen in Rumänien im Vergleich zur Volkszählung 1930 nur noch die Hälfte betrug.

Ausführlicher geht Hrenciuc auf viele dieser Aspekte in der anschließenden, 50-seitigen Studie ein, in der die einzelnen deutschen Gemeinschaften der historischen Siedlungsräume in ihrer Entwicklung vorgestellt werden, so die Banater und Bukowiner auf den Seiten 27-28. Hier finden sich weniger bekannte Quellenhinweise, beispielsweise zur Lage der katholischen Kirche in der Südbukowina, konkret in Karlsberg (Gura Putnei) und im Putna-Dorf. So wird über diese Kirche und ihre Priester im Jahr 1954 berichtet, dass sie „sich nicht einbinden in den Friedenskampf“ und dem Regime gegenüber „keine loyale Haltung aufzeigen“. Aus diesem Jahr sind bei Hrenciuc erste Zahlungen für den Freikauf von Rumäniendeutschen belegt. Ab Anfang der 60er Jahre sind unter der Vermittlung des Rechtsanwalts Dr. Ewald Garlepp (Stuttgart) „Kopfpreise“ zu 5000 Deutschen Mark nachgewiesen, für politische Häftlinge mussten 7000 DM bezahlt werden. Interessant sind die zahlreichen Angaben zum Freikauf von Juden aus Rumänien, über weitere geplante oder konstruierte Securitate-Aktionen, wie das Geheimdienstvorhaben zum Aufbau eines Informationsnetzes von Juden und Deutschen unter dem Decknamen „Cocorii“ (Kraniche). Erwähnt wird von Hrenciuc auch der Hungerstreik einer Gruppe von Banater Schwaben im November 1970 in Köln.

Enttarnt werden die wichtigsten hauptamtlichen Unterhändler der „Secu“ in Verbindung mit dem Freikauf, darunter auch ein Bukowiner. Es war der ehemalige Radautzer und Czernowitzer Finanzbeamte (Rechtsstudium in Czernowitz) und Rechtsanwalt Roman Porăstău, der ab 1959 unter dem Decknamen „Alexandru“ Informant der Miliz und ab 1962 in Bukarest Agent des rumänischen Auslandsgeheimdienstes war. Als Czernowitzer beherrschte er die deutsche Sprache gut und war mit der Buchenland-Deutschen Erna G. verheiratet. Wichtiger sind jedoch die vielen Belege, die aufzeigen, dass dieser „verdeckte Kanal“ als sehr große Geldquelle stets von allerhöchsten Staats- und Parteispitzen genehmigt wurde, vom Innenminister Polit-General Alexandru Drăghici bis zum Partei- und Staatschef Ceaușescu. Eine Schlüsselfigur war über lange Zeit der Drei-Sterne-Geheimdienst-General Nicolae Doicaru (1922-1990), der mit einer Verbindungsagentin der sowjetischen Truppen in Rumänien und der Ukraine verheiratet war, der Nord-Bukowinerin Melania Maidan.

Den Anfang nahm diese „Freikauf“-Aktion in Siebenbürgen, namentlich mit der Familie des Juristen Albert Hann. Über den Anwalt Dr. Ewald Garlepp wurden für die ersten sechs sächsischen Familien 1962 genau 39.750 Dollar bezahlt. Kurz danach gab es im November des Jahres noch die Genehmigung für zwei Familien zum „Preis“ von 11.750 Dollar. Damit kam die Geheimaktion „Recuperarea“ ins Rollen, denn bei der Gelegenheit wurde im November auch eine neue Liste vorgelegt mit 106 Personen. Die Aktion unterschied sich von den früheren Versuchen der Rot-Kreuz-Dienste.

Die ersten Familien aus dem Banat erscheinen im Buch namentlich ab 1963 (aus Orawitz/Szobozlay, Temeswar/Winkler und Lambrecht sowie aus Tschakowa/Skitschak, bald danach Triebswetter/Kiefer und Moritzfeld/Löffler), wobei eine Person in die DDR ausreisen durfte. Die Listen sind nicht bezüglich Personen und Adressen aussagekräftig, sie sagen dank durchgängiger Anmerkungen des Geheimdienstes über dessen Beobachtungen vieles aus, beispielsweise hinsichtlich politischer Aktivitäten oder „Vorstrafen“. Nur staunen kann der Leser über die Summen, die verhandelt wurden: Hunderttausende, eine halbe Million oder gar Millionen D-Mark. So bot Rechtsanwalt Garlepp im Mai 1963 für die Liste mit 90 Familien eine halbe Million DM an. Nicht genau ersichtlich werden aus der Studie die Ursachen, die zu einer fünfjährigen Unterbrechung der Pro-Kopf-Zahlungen führten und dann zur Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Dr. Garlepp Anfang 1968. In diesem Zusammenhang wird erstmals Rechtsanwalt Dr. Hüsch genannt (Wien, 25. April 1968).

Mittels Dokumenten bestätigt Hrenciuc die Aussagen im Hüsch-Band, dass die Gelder bar bezahlt oder durch Überweisungen auf die Konten rumänischer Banken und nicht auf Schweizer Privatkonten der Ceaușescu-Familie gelangten. Mit den Summen wurden durchwegs Auslandsschulden des Landes getilgt. Anders verhielt es sich mit den „Geschenken“ – es ging schon mal um eine Lieferung von fünf deutschen Luxusautos (insgesamt über 20) oder teure Jagdwaffen, Fotoapparate, Tonbandgeräte, aber auch um eine Stichsäge oder einen Schraubstock, die allesamt verschiedenen Parteistellen und dem Geheimdienst zugeteilt wurden.