Ganz und gar nichts Spektakuläres

In Berlin geboren und aufgewachsen, siedelte Andrea Rost nach Schäßburg um

Andrea Rost (rechts) mit den Volkstanzgruppen aus Schäßburg und Malmkrog (links) bei einem der Kronenfeste.
Foto: Hannelore Baier

Andrea Rost Foto: privat

Andrea Rost vor dem renovierten „Kastell“ (dem einstigen Apafi-Gutshaus) in Malmkrog. Foto: privat

„Über mich? Da gibt es doch nichts Spektakuläres zu berichten.“ Andrea Rost reagiert sehr verwundert auf die Anfrage nach einem Gespräch, um einen Beitrag zu verfassen. Man kennt die junge Frau als Leiterin der Volkstanzgruppe des Schäßburger Jugendforums und Mitarbeiterin des Mihai-Eminescu-Trusts. Beim kürzlich stattgefundenen Sachsentreffen gab sie ihr Debüt als Buchautorin: Vorgestellt wurde  „Das Leben ist so schön, wenn man darüber lächeln kann!“, ein Buch, in dem sie die Erzählungen von Johann Schaas über und aus Reichesdorf/Richiş niedergeschrieben und zusammengefasst hat. Spektakulär ist die Tätigkeit von Andrea Rost möglicherweise nicht, ihre Biografie aber für das heutige Siebenbürgen doch besonders.

„Mein Vater ist Berliner“

Sie sei keine richtige Sächsin, sagte Johann Schaas über „seine“ Buchautorin. „Mein Vater ist Berliner“ begann Andrea Rost ihre Vorstellung. Geboren wurde sie 1979 in Berlin-Lichtenberg, aufgewachsen ist sie in Berlin-Mitte, ganz nahe dem Potsdamer Platz und Checkpoint Charlie. „Da hat man einiges mitbekommen“, sagt sie. Die Mutter aber stammt aus Schäßburg/Sighişoara. Ihr Vater war in jungen Jahren mit einem Freund durch alle Länder des „Ostblocks“ gereist – als junger DDR-Bürger hatte er westliche Staaten nicht besuchen dürfen – und kam also auch nach Rumänien. In Schäßburg traf er seine zukünftige Frau, die er in die DDR mitnahm.

Inspiriert durch einen Berliner Schulkollegen, der ein Jahr in Polen bei den Großeltern verbracht und die dortige Schule besucht hatte, kam Andrea zu den Großeltern nach Schäßburg und besuchte die 11. Klasse in der Bergschule (Joseph-Haltrich-Lyzeum). Gleich nach der Wende war es  finanziell noch nicht machbar, in westliche Länder zu einem Austauschjahr zu fahren. Das Jahr in der Bergschule wurde in Berlin anerkannt und sie konnte danach die 12. Klasse besuchen. Nach Schäßburg zurück kam sie nach dem Abitur. Eigentlich wollte sie an der Humboldt-Universität Kunstgeschichte und Romanistik studieren und war „fast eingeschrieben“, ehe sie es jedoch tat, überlegte sie „was fang ich nachher mit diesem Studium an“? Eine schlüssige Antwort fand sie auf die Frage nicht, meinte aber, es sei spannender in Siebenbürgen, zu sehen, wie sich da der Tourismus entwickelt. Weil sie gern mit Menschen arbeitet, schrieb sie sich in das Tourismus-Kolleg ein, das es in Hermannstadt/Sibiu in den 1990er Jahren gab. „Ich bin nicht mit dem Vorsatz gekommen, zu bleiben“, sagte sie. Aber sie blieb. Zunächst pendelte sie noch zwischen Berlin und Schäßburg, wo sie bei den (zwischenzeitlich verstorbenen) Großeltern wohnte, seit 2003 aber ist Andrea Rost quasi Schäßburgerin.

Schwierige Einbürgerung

Von der Mutter, die auf die rumänische Staatsbürgerschaft nach der Übersiedlung in die DDR nicht verzichtet hatte, erhielt sie (aufgrund eines damaligen DDR-Gesetzes) zwar automatisch die rumänische Staatsbürgerschaft bei der Geburt mit, dennoch war es recht schwierig, rumänische Papiere zu erhalten. Weil sie es leid hatte, mal hier mal dort anzufragen, anzustehen und keine schlüssige Antwort, geschweige denn die notwendigen Ausweise zu erhalten, durchlief sie schließlich das Einbürgerungsverfahren. Sie stellte sich – zu Zeiten, als die Einbürgerungswelle der Moldauer lief – in Bukarest in dieselbe Schlange und so hat es schließlich geklappt. Ihrer Erfahrung nach ist es, selbst wenn man den „heiligen“ CNP (das Personenkennzeichen) besitzt, recht kompliziert, aus Deutschland nach Rumänien und hier zu gültigen Papieren zu kommen.

An den mangelnden Papieren bzw. der abstrusen rumänischen Bürokratie scheiterte auch ihre Weiterbildung. Nach dem Kolleg wollte sie sich an die Uni einschreiben, doch wurden ihre Abschlüsse aus Deutschland beim rumänischen Bildungsministerium nicht anerkannt. Während der Kollegzeit hatte sie begonnen, als Reiseleiterin zu arbeiten und machte mit Touristen Bustouren durch das Land. Dessen Landschaft und Gepflogenheiten lernte sie dabei kennen – und gab die Idee eines Studiums schließlich auf. Irgendwann hatte sie das Herumreisen mit Gruppen leid, erhielt von Jessica Douglas-Home, der Vorsitzenden des Mihai-Eminescu-Trusts (MET), das Angebot, den Tourismus-Bereich von MET mit der Betreuung von Gästehäusern und Gästen zu übernehmen und dieser Tätigkeit geht sie nun seit 2005 „hauptberuflich“ nach.

MET-Mitarbeiterin

Gästehäuser unterhält MET in Felsendorf/Floreşti, Deutschweißkirch/Viscri, Deutschkreuz/Criţ, Malmkrog/Mălâncrav, Birthälm/Biertan und Almen/Alma Vii. Beim MET ist Andrea Rost nicht angestellt, sondern sie hat eine Ich-AG gegründet, über die der Vertrag läuft – dank dessen sie aber auch andere Dienstleistungen sichern kann. „Bei MET wird zusammengearbeitet, da hilft jeder und jede überall mit“, erklärt sie. Wann immer eine neue Idee aufkommt oder sich eine Aufgabe ergibt, wird darüber diskutiert und diese dann dem- oder derjenigen übertragen, der oder die sie am besten übernehmen und durchführen kann. So sichert Andrea Rost zum Beispiel auch die Reise- oder Wanderbegleitung in der Region für jene Touristen, die in den Gästehäusern übernachten und das Angebot an Wanderungen, Fahrradfahrten oder den Besuch von Kirchenburgen oder anderen Ortschaften annehmen.

Im Sommer 2012 aber war sie zum Beispiel auch Projektmanagerin bei einem Bildungsvorhaben, bei dem Kinder aus mehreren Ortschaften, in denen MET aktiv ist, ein Theaterstück aus Informationen zusammengebastelt haben, welche sie vorher von den Leuten in den Ortschaften gesammelt hatten. Ein weiteres, ihr zugedachtes Projekt war das Buch von Johann Schaas. Zahlreiche Leute, die in Reichesdorf Führungen von Kurator Johann Schaas miterlebt hatten und von dessen enormem Wissen überrascht waren, hatten sich wiederholt dahingehend geäußert, das vom mittlerweile 80-Jährigen Erzählte dürfe nicht verloren gehen. Darüber sprach man auch beim MET. Inzwischen war das Buch von Sara Dootz erschienen, die aus Deutschweißkirch erzählt und also beschloss man, ein Ähnliches auch von Johann Schaas herauszugeben. Andrea Rost nahm sich der Sache an, das Buch liegt nun vor. 

Leiterin der Tanzgruppe

Köstlich anzuhören war noch vor wenigen Jahren Andrea Rost bei den Proben mit der sächsischen Volkstanzgruppe, wenn sie in Rumänisch mit Berliner Akzent Anleitungen gab. Inzwischen hat sich der „fremde“ Klang geglättet. Das Siebenbürgisch-Sächsische konnte sie nicht und gesprochen wurde es auch nicht bei den Großeltern – aber das beherrschen auch die Tanzgruppenmitglieder nicht und erklären gelingt einfach besser auf Rumänisch. Wie die gebürtige Berlinerin Leiterin der sächsischen Volkstanzgruppe wurde? 

Gefragt worden war sie, ob sie als Kandidatin für den Vorstand des Deutschen Forums Schäßburg auf die Liste gesetzt werden darf, um den Wählern die Möglichkeit einer Entscheidung unter mehreren Kandidaten zu bieten. Sie ließ es zu, mit dem Gedanken, „die alten Schäßburger wählen mich sowieso nicht, weil sie mich nicht kennen“. Darin aber hat sie sich getäuscht. Weil sie das jüngste Mitglied im neugewählten Vorstand war, erhielt sie als erste Aufgabe, einen Leiter für die verwaiste Jugendtanzgruppe zu finden. Da sie eh bei den Proben dabei war – als Aufsichtsperson vonseiten des Vorstandes, solange es keine Leitung gab – und sie niemanden fand, gab sie die Suche irgendwann auf und übernahm die Leitung selbst. Sie lernte von den damaligen Mitgliedern die Tänze, nahm an verschiedenen Tanzgruppentreffen teil, erhielt von Anneliese Gross, die die Tanzgruppe Anfang der 1990er angelernt hatte, ein Buch mit verschiedenen Tanzschritten und vervollkommnete nach und nach ihre Kenntnisse. Und wenn mal ein weibliches, mal ein männliches Mitglied der Tanzgruppe fehlt, d.h. keine Paare gebildet werden können, tanzt sie als Andrea oder Andreas mit, je nach Bedarf also mal in Mädchen- , mal in Jungentracht. 

Im Vorstand des Schäßburger Forums war und ist Andrea Rost für das Jugendforum insgesamt zuständig. Diesem gehören etwa 20 aktive Mitglieder, vorrangig Bergschüler, an. Die gehen nach dem Abitur meist an Hochschulen und weg aus der Stadt, bewahren den Kontakt aber zumindest eine Zeit lang zu der Gruppe und nehmen an Veranstaltungen am Wochenende teil. Bis zu den Vorstandswahlen im vergangenen Jahr war Andrea Rost auch Kulturbeauftragte und als solche bei dem Organisieren und Austragen der Deutschen Kulturtage engagiert, seit 2012 ist sie Jugend- und Pressebeauftragte.

Kulturarbeit

Für das Bewahren der siebenbürgisch-sächsischen Kultur und Gemeinschaft setzt Andrea Rost sich auch in Malmkrog immer wieder ein. Im Dorf gibt es Verwandte, „zu denen sich, obwohl entfernt verwandt, über Generationen ein enger Kontakt erhalten hat“, und die wurden besucht. 2004 sprach  Pfarrer Joachim Lorenz sie an, ob sie beim Organisieren des für 2005 geplanten Festes aus Anlass der 700 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung von Malmkrog mithelfen könne. Es handelte sich vor allem um das Antragstellen in Hermannstadt, wo sie aus der Zeit des Kollegbesuches Bekannte hatte. Damals kam auch die Idee auf, das Kronenfest wieder zu feiern, da es im Dorf ja noch viele Sachsen gab. Auch wurde eine Heimatstube in der alten Burghüterwohnung eingerichtet, mit den Kindern Bäume gepflanzt und andere kulturelle oder erzieherische Aktivitäten organisiert. Dabei „entdeckten“ die Leute vom Mihai-Eminescu-Trust sie übrigens. Sie sei das „Mädchen für alles“, sagt Andrea Rost über sich. Ein wenig ist sie auch schon „richtige“ Sächsin.