Gassondierungen in Südsiebenbürgen

Grundbesitzer wehren sich

Die Sondierungsfirma rückt mit einem großen Arsenal an. Foto: Christian Harfmann

Willy Schuster mit den auf seinem Grundstück geernteten Kabeln Foto: Initiative Străjerul Hârtibaciului

Von den Sondierungen nach Gas sind mehrere siebenbürgisch-sächsische Gemeinden betroffen. Foto: Monica Popovici

Seit Wochen sorgt die Firma Prospecţiuni SA des umstrittenen Geschäftsmanns Ovidiu Tender für Aufregung im Norden des Kreises Hermannstadt. Landbesitzer berichten von Hausfriedensbrüchen, Bestechungsversuchen und Prügel. Sie fürchten um Natur und Kulturerbe in der Region.  Prospecţiuni führt im Auftrag von Romgaz Sondierungen zu Gasvorkommen im Sachsenland durch. Die Firma hat bislang vor allem in Orten nördlich und südlich der Nationalstraße DN 14 von Schäßburg nach Mediasch sondiert: Meschen/Moşna, in Scharosch an der Kokel/Saroş pe Târnave, Waldhütten/Valchid, Elisabethstadt/Dumbrăveni, Birthälm/Biertan, Großkopisch/Copşa Mare, Reußdorf/Cund und Malmkrog/Mălâmcrav.

Bei ihren Arbeiten muss die Firma viele Meter Kabel verlegen. Biobauer Willy Schuster hat Hunderte Meter davon auf seinen Feldern wiedergefunden, sie entfernt und konfisziert. Als Schuster Ende April gerade auf Reisen ist, entdeckt sein Schwiegervater zum ersten Mal die orangenen Kabel. Seine Frau Lavinia macht sich auf die Suche nach den Verantwortlichen. Nach zwei Tagen bekommt sie die Telefonnummer von Gheorghe Dăianu, dem mit den Sondierungsarbeiten beauftragten Projektmanager der Firma. Dăianu beschwichtigt, gibt sich diplomatisch und verspricht, die Kabel einsammeln zu lassen. Schließlich wolle seine Firma den Bauer nicht an seiner Arbeit hindern. Das Gegenteil passiert.

Die Kabelfunde auf seinem Land häufen sich. Als Schusters Tochter mit ihrer Stute ausreitet, stolpert das Pferd über die Kabel, wird rasend und wirft die junge Frau fast aus dem Sattel. Da reicht es dem Landwirt: „Auf 350 Meter haben sie mir Kabel verlegt“, berichtet der Sohn eines sächsischen Vaters. „Überall wo sie Kabel verlegt haben, waren die Kulturen zertrampelt. Dann habe ich die Kabel alle schön rausgezogen und gesammelt. Ich war noch nicht ganz unten im Hof, schon fuhren wieder Jeeps hoch auf mein Feld. Ohne zu fragen, durch meinen Eingang, sozusagen in meinen Garten.“
Wieder findet Schuster Kabel, wieder konfisziert er sie. Ähnliches berichtet auch Christian Harfmann, der bei Reußdorf 14 Hektar Obstgarten besitzt.

Nachdem der Österreicher ein Dutzend Prospecţiuni-Mitarbeiter von seinem Land schicken muss und ihnen verbietet, es zu betreten, stellt Harfmann ein Schild auf: „Betreten des Landes verboten. Privatbesitz.“ Als er am nächsten Tag auf sein Land kommt, sieht er zu seiner Überraschung, ,„dass man das alles ignoriert hatte – sowohl mein Verbot als auch meine Schilder – und dass orangefarbene Kabel in mein Land gehen.“ Harfmann zieht die Stecker. Wenig später kommt ein Pickup mit drei Männern auf sein Land. Er habe Angst gehabt, schildert der Tourismusunternehmer, weil „die so überfallsmäßig auf mein Land gekommen sind“. „Im Mut der Verzweiflung“ droht Harfmann den Männern mit der Polizei. Die drei steigen aus, gehen auf ihn zu. Harfmann muss die Mahnung wiederholen, ehe die Prospecţiuni-Mitarbeiter tatsächlich sein Land verlassen.

Darauf treten ihm die Verantwortlichen von Prospecţiuni stets höflich gegenüber, schildert Harfmann. Am Ende jedes Gespräches fordern sie den Österreicher auf, einen Preis, zu nennen. Doch den gibt es nicht. Denn Harfmann will die Arbeiten auf seinem Grundstück nicht zulassen, solange er nicht weiß, was die Firma vorhat. Jetzt wird Projektmanager Dăianu gerufen. Nach kurzen Gesprächen schickt dieser Harfmann eine formlose E-Mail, ohne Briefkopf oder Firmendaten: Ihm stünden 300 Lei Entschädigung zu, außerdem würde der vor Ort verantwortliche Mitarbeiter bestraft werden. Eine ähnliche Zusicherung erhielt auch Schuster.

Harfmann und Schuster sind nicht die einzigen Betroffenen. Was sich in Reußdorf und Meschen ereignete, trug sich so ähnlich auch in Großkopisch zu. Elias Jordan wurde nach eigenen Angaben sogar geschlagen. Von Arbeiten in Waldhütten hat Monica Popovici Fotos gemacht. Ein Geländewagen der Firma parkt direkt vor der Kirchenburg. Auf einem anderen ihrer Bildern ist direkt unter der Mauer der Birthälmer Kirchenburg eine Markierung der Sondierungsarbeiten zu sehen – auf einem mit Filzstift nummerierten Holzpflock flattert ein blaues Plastikbändchen. Die Bändchen hatte Willy Schuster bereits im März auf seinem Land entdeckt. „Und ich fing an, sie einzusammeln. Ich hatte schon damals ein schlechtes Gefühl: Es kann nicht sein, dass sie so unverschämt sind und auf allen Feldern herumlaufen.“ Der Bürgermeister von Birthälm sagte, er wisse nichts von den Arbeiten der Firma, niemand habe ihn gefragt, berichtet Willy Schuster.  

Vielerorts trifft die Firma nun auf Widerstand. Mittlerweile haben sich Betroffene über einen Blog und eine Facebook-Seite organisiert, wo sie sich austauschen und informieren. Auf diesem Blog ist auch zu lesen, dass in Malmkrog eine Gruppe aufmüpfiger Bürger gemeinsam täglich die illegal auf ihrem Land angebrachten Markierungen und Kabel der Firma entfernt.

Die Menschen fürchten um ihre Lebensgrundlage: die Landwirtschaft. Denn wie Schuster und Harfmann vermuten auch sie, dass Prospecţiuni nach Schiefergas sucht. Ein Direktor des Unternehmens, Marius Milea, gibt Entwarnung: „Schon in geologischer Hinsicht ist es nicht möglich, Schiefergase in Siebenbürgen zu finden.“ Dem widerspricht eine Aussage von Romgaz-Direktor Radu Gheorghe. Auf dem regionalen Energieforum für Mittel- und Osteuropa sagte Gheorghe im vergangenen Sommer: „Romgaz hat im Raum Siebenbürgen unkonventionelle Gase, einschließlich Schiefergas, entdeckt, das wir zu kommerziellen Zwecken fördern werden, wozu wir in der kommenden Zeit neue Techniken zur Erforschung und Förderung nutzen werden“. Auch ist auf der Homepage von Prospecţiuni in einem englischsprachigen Informationsblatt zu lesen: „Der Mergel und Schiefer aus der Miozän- (Badenium) bis Pliozän-Zeit bilden in Siebenbürgen ein anerkanntes Felsreservoir an Kohlenwasserstoffen (alle Gas, kein Öl)“.

Kurz: Es befinden sich Gase im Gestein. Um dieses Gas zu fördern, muss man das Gestein aufbrechen. Dazu setzen Bohrfirmen weltweit die umstrittene Technik des Hydraulic Frackturing ein, auch Fracking genannt. Dabei wird eine Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien unter Hochdruck bis zu mehrere Tausend Meter Tiefe gepumpt. Diese Mischung soll die Schieferspalten weiten, sodass das Gas entweichen kann. Zu den eingesetzten Stoffen gehören auch krebserregende Benzole. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie ins Grundwasser gelangen. Davon zeugt auch der Dokumentarfilm „Gasland“, der 2008 in den USA gedreht wurde. In einem der Haushalte, den der Dokumentarfilmer Josh Fox besucht, war das Trinkwasser derart verseucht, dass er es direkt am Wasserhahn anzünden konnte. In Frankreich, im amerikanischen Bundesstaat New York und in Südafrika ist die Technik verboten.

Problematisch sind offenbar aber auch die Techniken zur Sondierung, die Prospecţiuni einsetzt. Sie misst die Gasvorkommen auf zweierlei Art: Eine Reihe von Spezial-LKWs löst mittels Vibrationsgeneratoren kontrolliert kleinere Erdbeben aus. Aus den seismografischen Messungen lässt sich dann schließen, wo sich unter der Erde Gase befinden. Bei der anderen Methode benutzt Prospecţiuni statt der LKWs Sprengstoff. Nach Angaben des Aktivisten Hans Hedrich zeigen die ihm von Prospecţiuni vorliegenden Dokumente, dass die Firma zwar Genehmigungen vom Forst-, Wasser- und Umweltamt des Kreises für Arbeiten mit den Vibratoren hat, nicht aber für eine Sondierung mittels Sprengstoff. Dem widerspricht Firmendirektor Milea: „Prospecţiuni verfügt über alle notwendigen Genehmigungen.“ Auch sei der Firma bescheinigt worden, Sprengungen würden die Natur nicht beeinträchtigen. Ob durch Sprengstoff oder Vibrationsgeneratoren ausgelöst, Erdbeben schaden den historischen Gemäuern siebenbürgisch-sächsischer Höfe und Kirchenburgen. Soviel ist sicher.