Geldfabrik Grenzkontrolle

Präfekt des Kreises Karasch-Severin, Octavian Ţunea, im Frontalangriff gegen Grenzpolizei

Das Zentrum des Schmuggels an der Grenze zu Serbien hat sich an den idyllischen Unterlauf der Nera verlagert.
Foto: Werner Kremm

In der vergangenen Woche wurde in der Präfektur Karasch-Severin in Reschitza ungewöhnlicher Klartext geredet. Präfekt Octavian Ţunea hatte zu einer Pressekonferenz eingeladen und als Gäste die Kommandanten der Grenzpolizei und des Polizeiinspektorats Karasch-Severin hinzugebeten. Erschienen waren die beiden Stellvertreter der Kommandanten, Chefkommissar Petru Şandru  und Chefkommissar Florin Bulgariu.

Und die zwei waren ziemlich sprachlos angesichts der Beschuldigungen, mit denen Präfekt }unea ihre Institutionen überhäufte. Zwar bezog er sich vorwiegend auf bereits Vergangenes, aber die Anschuldigungen sind so schwerwiegend, dass man sich wundern muss, dass die Staatsanwaltschaft nicht sofort zugeschlagen hat.

Am meisten ärgert Präfekt Ţunea, und das hat er auch offen zugegeben, dass sein unaufhörliches Zurückkommen auf die Probleme mit der Staatsgrenze zu Serbien als sein persönliches Hobby belächelt wird, als eine „Besessenheit des Präfekten“, als eine Marotte. Deshalb habe er sich entschieden, mal Tacheles zu reden und vor den Medienvertretern etwas aus seinen persönlichen Erfahrungen mit der Grenze, dem Grenzübergang Naidăş und dem Verhalten von Kommandanten der Grenzpolizei und deren Vorgesetzten zu erzählen, wie er sie vor Zeugen persönlich erlebt hat.

Eine Stelle 5000 Euro

„Ich bin als Präfekt aus Orawitza nach Reschitza bestellt worden, wo ich vorher fünf Jahre lang gelebt habe. Dort konnte ich die Aktivitäten der Grenzpolizei sehr gut kennenlernen und auch den damaligen Chefinspektor der Grenzpolizei, Manuel Georgian  Gârlea. Ich weiß, wie der die Mehrheit des Personals der Grenzpolizei des Verwaltungskreises Karasch-Severin angestellt hat: für Geld. Ich kannte die Höhe des Schmiergeldes für eine Stelle: 5000 Euro.

Da gab es Leute, die sind zu mir gekommen, weil sie bei mir in meiner Eigenschaft als Direktor der Käserei Orawitza gearbeitet haben, und die mich baten, sie bei Gârlea zu vermitteln, weil sie das Geld beisammen hätten. Das habe ich nicht getan, das hat mich nicht interessiert. So lange ich dort lebte, habe ich kein einziges Mal erlebt, dass die Grenzpolizei irgendetwas unternommen hat an der Grenze, nicht einmal irgendeine Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit der intensiven Schmuggeltätigkeit. Das war die Zeit, als der Duty-Free-Shop Naidăş funktionierte.“

Zigaretten wurden in diesem Shop an der Grenze per Fernlaster angeliefert. „Ich war einmal anwesend – mit mehreren anderen Zeugen – als der Herr Chefinspektor uns brüsk stehenließ und sagte: `Meine Herren, ich geh mal die Fabrik anfahren!` Sie verstehen: Für ihn war der Grenzübergang Naidăş eine Geldfabrik. Der hat jede Stange Zigaretten, die aus dem Duty-Free ins Land hereinkam, mit einer persönlichen Gebühr belegt.

Die Armen, die dort Schlange standen, vor allem Frauen – herumgestoßen, mit Ellenbogen traktiert, geschubst – kamen zu je einer Stange Zigaretten, die sofort von den Schwarzhändlern übernommen wurde. Und dann kamen diejenigen mit den Jeeps, unter der Kontrolle der Zöllner und der Grenzpolizisten. Die Jeeps wurden vollgepackt mit Zigarettenstangen und fuhren los: Keiner schaute hinein, was sie transportierten!“

Die Pinke für  die Staatssekretäre

Octavian Ţunea kam auch auf den Beginn seiner Präfektenkarriere zu sprechen: „Das erste, was ich als Präfekt startete, war etwas im Zusammenhang mit dieser Grenzpolizei. Die Staatsgrenze zu Serbien war auch vor 1989 schon sehr problematisch. Sie ist es aber auch heute noch. Ich verfügte über Informationen auch über andere Schmuggeltätigkeiten, mit Alkohol, über Schleuser von Frauen für die balkanischen und italienischen Bordelle, mit Nutzvieh oder Kunstdünger ..., mit allem, was man so schmuggeln konnte, sowohl auf dem Wasser (Donau und Nera) als auch auf dem Land. Ich führte mit Gârlea Gespräche. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass ich von ihm ein Programm erwarte zum Stoppen dieser Situation. Nichts wurde getan.“

Als der PSD-Abgeordnete Ion Mocioalcă die Frage nach dem Zigarettenschmuggel im Banater Bergland stellte, holte Ţunea weiter aus: „Damals war Dan Nica von der PSD Innenminister. Alle Staatssekretäre, die Chefs der Waffengattungen, alle waren von der PSD. Einmal hatten wir Präfekten eine Begegnung im Marmorsaal des Innenministeriums.

Ich warf die Frage der Grenze zu Serbien im Bereich des Banater Montangebiets auf. Man antwortete mir, darüber würden wir nach der Versammlung reden, ich und der zuständige Staatssekretär. Auf dem Korridor holte dieser mich ein und sagte ehrlich: „Lass das sein, mein Herr, schau in deine eigenen Töpfe!“

Da gab es zwei Staatssekretäre des Innenministeriums – laut Betriebsbestimmungen der staatlichen Institutionen sind Staatssekretäre verpflichtet, sich beim Besuch in einem Verwaltungskreis beim Präfekten vorher anzumelden! – die periodisch in eine Schutzhütte im Grenzbereich nach Basiasch reisten, wo sie mit dem Chef der Grenzpolizei diskutierten. Ich erfuhr immer nachträglich davon. Dort übernahmen sie die Pinke, den Obulus, das „ihnen Zustehende“.

Ein Journalist hat es mir gesteckt und ich habe mal den Jeep von Gârlea durchsuchen lassen: Der war voller Propagandamaterial der PSD. Der Mensch hat mich einfach ignoriert, so stark wähnte er sich auf dem hohen Ross. Wenn ich ihn zu mir in die Präfektur bestellte, kam er einfach nicht.“

Rückgang  des Zigarettenschmuggels

Als die lange Zeit der Interimschefs bei der Grenzpolizei folgte – nach der Verhaftungswelle beim Zoll und der Grenzpolizei an der Westgrenze Rumäniens im vergangenen Winter –, wurde der Dienstwagen des Präfekten jedesmal bei Auslandsreisen gründlich gefilzt, erzählte Ţunea, während Dutzende anderer Fahrzeuge am Grenzübergang (aus der EU in den Nicht-Mitgliedsraum) einfach durchfuhren und die Fahrer devot von den Grenzern und Zöllnern gegrüßt wurden.

„Inzwischen dränge ich darauf, dass sich die Situation systematisch und Schritt für Schritt normalisiert, angefangen mit der technischen Überwachung der Grünen Grenze – in deren Modernisierung viel Geld gesteckt wurde – bis zu regelmäßigen monatlichen Sitzungen des Präfekten mit der Grenzpolizei.

Jetzt werden ständig Schmuggler hoppgenommen, Hausdurchsuchungen durchgeführt. Aber immer noch erfahre ich von manchen Ereignissen an der Grenze erst aus den Medien – und damit muss Schluss gemacht werden!
Inzwischen hat sich der Schmuggel auf das Mündungsgebiet der Nera an dem Donaustausee Eisernes Tor I verlegt“, berichtete Chefkommissar Florin Bulgariu von der Grenzpolizei.

„Die wichtigsten Schmugglerortschaften sind heute Pârneaura, Socol/Sokolatac und Zlatiţa, alle am Unterlauf der Nera. Alle Indikatoren, welche die Tätigkeit der Grenzpolizei charakterisieren, sind gestiegen – außer dem Zigarettenschmuggel. Bis zum 8. November haben wir 161.534 Zigarettenpäckchen beschlagnahmt. Im gesamten Jahr 2010 waren es immerhin 350.518 Päckchen.“

Der Schwarzmarkt reagierte typisch marktwirtschaftlich auf die Verringerung des Angebots: Einerseits kommen mehr Zigaretten aus Ost- und Nordostrumänien – aus der Republik Moldau und der Ukraine – auf den westrumänischen Schwarzmarkt, und das mit den unausweichlichen Folgen eines größeren Transportrisikos quer durch das Land und der auch daraus folgenden Verteuerung. Andrerseits ist der Preis von Zigaretten ohne Steuermarken um durchschnittlich 35 Prozent pro Päckchen gestiegen. Tendenz: nach oben.