Gemüse im Rampenlicht

Wenn eine gute Fotografie den Heißhunger weckt

Persönliches Projekt: „Don’t play with your food. Let me do it for you“
Foto: Horia Petrașcu

Ein weiteres Foto aus dem persönlichen Projekt „Don’t play with your food. Let me do it for you“
Foto: Horia Petrașcu

Oben: Weichseln; Mitte: Ein saftiger Burger – mal nicht auf dem Plastikteller; Unten: Unwiderstehlich köstlich
Fotos: Aura Petrașcu

Aura Petrașcu lenkt die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit von Lebensmittelfotografie und -darstellung im gastronomischen Bereich auf eine außergewöhnliche Weise. Sie setzt sich Rhabarberblätter, Bohnen oder Melonenhälften auf den Kopf, hängt sich Ketten aus knallroten Paprika um den Hals und sieht die Welt durch eine Brille aus Tomaten oder Pilzen. Ihre Fotos sind lebhaft, kreativ und bieten einen erfreulichen Anblick. Seit einigen Jahren fotografiert die gebürtige Bukaresterin Essen für Bistros, Restaurants, Bars, aber auch bei Privatereignissen und genießt das Leben in Kronstadt/Brașov.

Es ist kurz vor neun Uhr am Morgen und Aura Petrașcu schaut sich am Kronstädter Dacia-Markt jedes Bündel Radieschen, jede Tomate, jede Möhre genau an. So genau, als würde sie eine Kontrolle vornehmen. Sie dreht und wendet das Gemüse und die Früchte auf alle Seiten, „studiert“ die Blätter, die Frische, die Größe, die Form und die Farben. Manche Verkäufer sehen sie komisch an, andere kennen sie schon. Die junge Frau „tourt“ durch zwei-drei Märkte in der Stadt nacheinander, studiert die Ware und kehrt dann zurück, um die perfekten Requisiten für eine Fotosession einzukaufen. Dabei muss sie immer wieder darauf bestehen, dass die Händler die Blätter des Gemüses nicht abreißen, denn die sind sehr wichtig für ihre bildlichen Aussagen. Das Gekaufte wird innerhalb kurzer Zeit nach dem Erwerb im Studio zum Schmuck für Kopf, Hals oder Oberkörper, dann stilisiert, ins richtige Licht gerückt und verewigt.

Seit 2012 fotografiert die Feinschmeckerin Lebensmittel. Erst aus Liebe zum Essen und Fotografieren, dann beruflich. Und immer wieder ist sie auf die Unwissenheit und das fehlende Interesse der Besitzer von gastronomischen Einrichtungen gestoßen, die vielleicht köstliche Gerichte und leckere Cocktails anbieten, diese aber selbst fotografieren, manchmal sogar mit dem Handy, um sie im Menü abzudrucken. Dabei braucht man kein trainiertes Auge, um zu merken, dass auf den Speisekarten vieler Restaurants die Hühnerbrust gelb erscheint, die Kuchen eher verschwitzt aussehen und die Präsentation der Menüs willkürlich ist. Oder dass, falls der Restaurantbetreiber ein reales Bild der Produkte darstellen möchte, dieses nicht professionell geschieht. Anderer-seits stimmen die präsentierten Fotos in manchen Speisekarten überhaupt nicht mit dem überein, was der Kunde dann auf dem Teller vorfindet.

Auf derartige Fehler will Aura Petrașcu aufmerksam machen. Auf Workshops über Lebensmittelfotografie und -darstellung hat sie gelernt, Speisen und Getränke in Szene zu setzen, um dem Kunden ein realistisches Bild von dem, was er bestellen könnte, zu bieten. Durch ihre Fotoreihe „Don’t play with your food. Let me do it for you“ (Spiel nicht mit deinem Essen. Lass mich das für dich tun) macht sie auf die Notwendigkeit eines professionellen Fotografen aufmerksam, der weiß, wie man die Gerichte ins beste Licht rückt.

Spiel nicht mit deinem Essen. Lass mich das für dich tun

In zwei Jahren sind rund zwanzig Fotografien für dieses Projekt entstanden: Es sind Selbstportraits, in denen Aura in unterschiedlichen Aufmachungen posiert. Sie trägt Möhrenblätter auf dem Haupt, so vornehm wie ein Model einen schicken Designerhut, eine Bärlauch- Krone wie eine stolze Preisträgerin, eine Melone wie eine Schwimmerin eine Badehaube. Kleine, rote und rotgrüne Paprika werden zur kostbaren Edelsteinkette, ein Kürbis zum Lippenstift, Zwiebeln zur Alternative zum Büstenhalter. Es scheint, als würde diese Bilderserie kein Ende finden, denn immer wieder kommen neue Ideen auf, und zwar beim Einkaufen auf dem Markt.
Ihre Fotoreihe ist schon bekannt unter Kronstädtern, besonders auch im gastronomischen Bereich, sodass die Künstlerin zur begehrten Lebensmittelfotografin wird.

Lebensmittelfotografie und -gestaltung

Am schwersten fällt ihr, mit Kunden zu arbeiten, die nicht wissen, was sie eigentlich wollen – außer, dass die Fotos gut aussehen sollen. Andererseits freut sich Aura Petrașcu sehr, wenn Kunden ihr vertrauen und sie sich frei entfalten und kreativ „austoben“ kann. Meist verwendet sie Objekte vor Ort, etwa Teller, Besteck oder Möbel, fügt eventuell das passende Tuch hinzu, oder ein Löffelchen – Details die das Bild bereichern, jedoch nicht überladen. Sie will die Wahrheit darstellen, das Produkt, genau so wie es ist, doch von seiner besten Seite.

Dass man beim Ansehen der Fotos den knackigen Salat mit feinem Öl, zart gerösteten Kürbiskernen und Apfelscheiben regelrecht schmeckt und sich am liebsten mit der Gabel direkt aus dem Bildschirm bedienen würde, ist kein Wunder. Viele Bilder gelangen auf die Facebook-Seite der jeweiligen Kunden der Fotografin, die zwar auch ein gedrucktes Menü anbieten, aber damit täglich mit etwas Neuem locken.

Liebe, Freiheit und Nikon

Die ehemalige Polytechnikum-Absolventin hat für die Liebe ihre Stelle bei einem großen Unternehmen in Bukarest aufgegeben und ist vor knapp neun Jahren nach Kronstadt gezogen, um mit ihrem künftigen Mann, dem Kronstädter Fotografen Horia Petrașcu, das Leben zu genießen. Hier haben die beiden Hobbys der 31-Jährigen – Essen und Fotografie – zueinander gefunden und sind seitdem unzertrennlich. Durch die Arbeit ihres Mannes, der eher an künstlerischer Fotografie interessiert ist, hat sie einen breiten Überblick über die Kunst am Bild und eine Offenheit für Neues gewonnen. Die Autodidaktin bildet sich ständig weiter, sieht die Welt in Bildern, denkt an Einstellungen, Lichteinfall, Farbtöne. Fotografie beschäftigt sie immer. In einem Büro stundenlang am Computer zu sitzen, kann sie sich kaum noch vorstellen. Die Freiheit, das zu tun, was sie liebt und dazu noch genügend Zeit zu haben, mit ihren beiden kleinen Töchtern zu spielen, ist ihr sehr wichtig. Dass die Kleinen im Gemüse herumkrabbeln, während Aura es in Szene setzen will, findet die Fotografin eher lustig und erfreulich.

Zur Zeit arbeitet Aura Petra{cu an der Illustration für ein Kochbuch eines Kronstädter Bistros, das in naher Zukunft erscheinen soll. Ihre Fotos in einem Buch zu sehen – darauf wartet sie schon ungeduldig. Sie träumt davon, ihre Bilder auf dem Umschlag einer ausländischen Zeitschrift im Bereich Lebensmittelfotografie zu sehen und es sich leisten zu können, irgendwann nur noch Essen zu fotografieren. Hochzeitsfotos und ähnliches, was sie jahrelang gemacht hat, bis sie ihre wahre Berufung gefunden hat, sollen dann der Vergangenheit angehören. Mit Lebensmitteln scheint es sich am besten zu spielen.