Geschichte der Banater Schwaben hautnah

Heimatstube bietet Streifzug durch das alte Billed

Der Forumsvorsitzende Adam Csonti erzählt die Geschichte des alten Billed anhand der Plakate, die in der Heimatstube zu finden sind.

Im Dachgeschoss können Besucher alte Gegenstände entdecken, die sich einst in den Häusern der Banater Schwaben befanden. Fotos: Zoltán Pázmány

Mahlzeit: So sah es in vielen banatschwäbischen Küchen aus. Das „Zappebrett“, an dem die Kleider hingen und wo oben das Geschirr stand, gehörte dazu.

In Billed kennt ihn wohl jeder: Adam Csonti (60), Forumsvorsitzender, Kommunalrat und seit einigen Jahren geschickter Erzähler der Geschichte der Deutschen im Banat. Das Deutsche Forum in Billed beherbergt seit 2015 eine Heimatstube, die ihre Besucher in die Geschichte der Billeder Deutschen einführt. Es geht praktisch um die Geschichte aller Banater Deutschen, erklärt der Vorsitzende des Deutschen Ortsforums, Adam Csonti. Ausgewanderte Deutsche, die ihren Urlaub in der alten Heimat verbringen, deutschsprachige Schülergruppen, aber auch Politiker aus dem In- und Ausland hat Adam Csonti bisher im Forumshaus empfangen und durch die Heimatstube begleitet. Seine Führungen durch die Ausstellung wurden stets positiv bewertet, Worte wie „spannend“, „lebendig“ oder „sehr interessant“ sprachen die Teilnehmer im Nachhinein aus oder schrieben diese ins Ehrenbuch, das sich am Eingang befindet.

 

„Anlässlich der 250-Jahr-Feier der Gemeinde Billed wurde die Idee geäußert, eine Heimatstube einzurichten“, erzählt Adam Csonti. Die Ausstellung kam durch die Zusammenarbeit des Deutschen Ortsforums mit der Heimatortsgemeinschaft (HOG) Billed zustande. Für das Gesamtkonzept zeichnet Hans Rothgerber verantwortlich, die Übersetzung und die geschichtlichen Daten stellte Hans Martini zur Verfügung, Elisabeth Martini war für das Lektorat zuständig, wobei sich an der Aufstellung der Plakate mehrere Personen beteiligten: Adam und Roswitha Csonti, Werner Gilde, Peter Krier und Josef Herbst.

Die deutsche Ansiedlungsgeschichte des Banats

„Kaiser, Feldherrn und Kolonisten“ titelt das erste Plakat. Die Geschichte der ehemals deutschen Gemeinde Billed beginnt – wie die deutsche Geschichte des Banats überhaupt - mit der Befreiung der Region von den Türken durch Prinz Eugen von Savoyen und dem Beginn der Kolonisationen deutscher Siedler in diesem Gebiet des Habsburgerreichs. „Das Land war eine verödete Sumpflandschaft. Mit Ulmer Schachteln sind die Siedler donauabwärts ins Banat gefahren“, erzählt Adam Csonti. „Das ist der erste Plan der Gemeinde Billed. 252 Hausplätze, eine Schule und eine Kirche waren für das schachbrettförmig angelegte Dorf vorgesehen“, erklärt er und zeigt auf den vom Militäringenieur Hauptmann Anton von Triebswetter gezeichneten Dorfplan, der nach der Bodenvermessung von 1769 angelegt wurde. „Die Siedler hatten es am Anfang nicht leicht. In den ersten fünf Jahren sind 838 von ihnen verstorben“, betont Adam Csonti. Er spricht Hochdeutsch, doch darin fließen auch einige Wörter aus dem Schwäbischen hinein, was seinen Diskurs umso authentischer wirken lässt.

Adam Csonti vertritt seit Jahren das Demokratische Forum der Deutschen im Gemeinderat Billed. Der gelernte Schneider arbeitet nicht nur in seiner Schneiderwerkstatt, sondern ist auch - gemeinsam mit seiner Frau Roswitha - für die Sozialstation der Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung zuständig, die 35 Menschen von Montag bis Freitag Essen auf Rädern zur Verfügung stellt. Diesen Menschen fährt Adam Csonti die Mahlzeiten nach Hause – bei gutem Wetter mit dem Fahrrad, bei schlechtem Wetter mit dem Auto. Dass Adam Csonti in seiner Jugend sportlich aktiv gewesen ist, sieht man ihm sofort an. Der 1,90 Meter hohe Mann hat 35 Jahre lang Handball gespielt und sorgt auch heute noch dafür, dass in Billed jährlich ein Handballturnier veranstaltet wird. Handball war früher die traditionelle Sportart der Banater Schwaben gewesen. Bedauerlich, dass es im Dorf keine Sporthalle gibt, in der die Ortsmannschaft richtig trainieren kann.

In längst vergangene Zeiten eintauchen

Doch zurück zur Geschichte der Banater Deutschen, die in der Billeder Heimatstube zum Greifen nah ist. Von rund 30 Plakaten können Besucher diese Geschichte ablesen. Von der Ansiedlung der Deutschen im Banat über die Entwicklung von Handwerk und Landwirtschaft bis hin zu den für die Banater Schwaben schwierigen Zeiten der Deportation in die ehemalige Sowjetunion und in den Bărăgan ist alles dabei. Bilder der banatschwäbischen Maler Franz Ferch und Stefan Jäger ergänzen die Ausstellung, die zahlreiche Daten für an Geschichte Interessierte zu bieten hat. Auch der Exodus der Schwaben in den 80er und 90er Jahren kommt darin vor.

Die Ausstellung ist besonders für Deutsche, die die Geschichte ihrer Vorfahren kennenlernen möchten, interessant. Alte Schwarz-Weiß-Fotografien, Grafiken, Karten, aber auch Farbbilder aus jüngeren Zeiten sind auf den Plakaten abgebildet. Längst vergangene Epochen werden plötzlich lebendig und bringen Episoden ans Licht, an die sich manche Billeder tatsächlich noch erinnern können, auch wenn in vielen Fällen überhaupt keine sichtbaren Spuren aus diesen Zeiten mehr vorhanden sind. Die 1924 gegründete Hanffabrik, die Ziegelei von 1905, das Sägewerk aus dem Jahr 1922 boten den Billedern und nicht nur ihnen zahlreiche Arbeitsplätze. Auch die Billeder Kirchweih, Volkstrachten und Aspekte aus dem Gemeinschaftsleben können Besucher der Ausstellung entdecken.

Gegenstände, die Geschichten erzählen

Steigt man die Treppen ins Dachgeschoss empor, so scheint man plötzlich in die Zeiten, die mit Hilfe der Ausstellungsplakate dargestellt werden, einzutauchen. Die Informationen werden durch Objekte ergänzt, die sich in den Häusern der Billeder Deutschen und praktisch in allen deutschen Dorfhäusern wiedergefunden haben. Mit der Restauration der Objekte waren Silke Csonti, Heidi Müller, Norbert Müller, Josef Freer und Barbara Wagner betraut. Für die jüngeren Besucher mit banatschwäbischen Wurzeln fühlt sich das Betreten des Raums im Obergeschoss wie eine Rückkehr in Omas Stube an.

In diesem Raum ist auch das „Schlafzimmer“ untergebracht – die Betten und der Hausaltar mit dem Kreuz und den Heiligenbildern, die in den Häusern der Banater Schwaben zu finden waren, stehen unangetastet da. Auch die Billeder deutschen Volkstrachten, die einst im Alltag und bei den Kirchweihfesten getragen wurden, kann man hier bewundern. Heute leben in der 3200-Seelen-Gemeinde nur noch an die 70 Deutsche – doch die Trachten werden trotzdem angezogen, wenn auch nicht immer von den Deutschen im Ort. Die banatschwäbischen Trachten können z.B. beim alljährlichen Traubenball bewundert werden – getragen werden sie von den Jugendlichen der Tanzgruppe „Billeder Heiderose“ unter der Koordination von Tanzlehrer Hansi Müller.

„Sich regen, bringt Segen“: Der auf ein Tuch gestickte Bauernspruch könnte als eine Art Leitspruch für die Banater Schwaben gelten, die stets den Ruf sehr fleißiger Mitbürger genossen. Hat die alte Nähmaschine diesen Spruch gerade auf den Stoff genäht? Die Schneiderin scheint lediglich eine kurze Pause eingelegt und den Raum verlassen zu haben. Doch der Schein trügt, denn in Wirklichkeit hat die Schneiderin vor mehr als 30 Jahren ihr Arbeitszimmer im rumänischen Banat verlassen.

Auch andere Haushaltsgegenstände, wie z.B. eine alte Holzwaschmaschine, können Besucher der Ausstellung bewundern. Adam Csonti hat diese im Laufe der Jahre selbst gesammelt, von Freunden und Bekannten erhalten und aufbewahrt. Wer sich die Ausstellung vor Ort anschauen möchte, der kann dafür einen Termin vereinbaren. Die Plakate sind digitalisiert und im Internet unter www.heimathaus-billed.de zu finden, allerdings sollte man sich eine Führung durch die Heimatstube (Hausnummer 421) nicht entgehen lassen. Interessant wird es auf jeden Fall.