Geschichte einer Minderheit noch nicht zu Ende geschrieben

Jugendliche auf den Spuren der Rumäniendeutschen in Suceava

Interviews führen, O-Töne schneiden und Beiträge erstellen: Sieben Jugendliche nahmen in der letzten Ferienwoche an einer Medienwerkstatt teil.

1945 in Viehwaggons zurück nach Rumänien: Der 82-jährige Gerhard Ast erzählte von der Geschichte seiner Familie.
Fotos: Robert Tari

Bis in die Bukowina an der heutigen ukrainisch-rumänischen Grenze sind die Deutschen und Österreicher gekommen. In der Stadt Suceava lebten vor der Wende mehrere Tausend Rumäniendeutsche. Anfang der 1990er Jahre ging die Zahl laut Statistiken auf 2000 zurück. Die jüngste Volkszählung spricht sogar von weniger als 1000: Im ganzen Kreis Suceava gebe es heute nur noch rund 700 Rumäniendeutsche. Die einst von Österreichern geprägte Architektur der Stadt ging verloren – zur Zeit des Sozialismus wurde der Großteil der Altbauten zerstört, die Stadtmitte mit Plattenbauten wieder aufgebaut. Was heute bleibt, sind deutsche Partnerschaften, ein Regionalforum und die deutsche Sprache, die unter anderem an der Pasch- und DSD-Schule „Petru Rareş“ intensiv unterrichtet wird.

Ins kalte Wasser geworfen

Andrea Rüthel, ehemalige ifa-Kulturmanagerin, die für das Regionalforum aus Suceava im Bereich Jugendarbeit ein Jahr lang tätig war, arbeitete viel mit Schülern vom „Petru Rareş“ zusammen, um sie für die aussterbende Kultur der Bukowiner Deutschen zu begeistern. Ihr letztes Projekt, eine sechstägige Radiowerkstatt, wurde von ihrer Nachfolgerin Ina Gohn-Kreuz übernommen und vergangene Woche in Suceava durchgeführt. Die junge Germanistin wurde sprichwörtlich ins kalte Wasser geworfen.

„Ja, man muss halt schwimmen“, so Gohn-Kreuz. „So ein Projekt durchzuführen, ist mit viel Arbeit verbunden, gerade wenn man die Abläufe noch nicht so gut kennt. Was das Programm angeht, habe ich einfach alles auf mich zukommen lassen, die organisatorischen Dinge haben mich aber ein bisschen nervös gemacht.“

Sieben Jugendliche lernten während der Werkstattwoche, was einen Journalisten ausmacht und was seine Aufgaben sind. Die Journalisten Robert Tari aus Temeswar/Timişoara und Alois Kommer aus Neumarkt/Tg. Mureş brachten den Schülern bei, wie sie richtig Interviews führen sollen, was ein gut strukturierter Beitrag ist, wie man fürs Radio schreibt und im Radio spricht. Alois Kommer arbeitete über zehn Jahre bei Radio Neumarkt als Redakteur der deutschen Sendung. Inzwischen unterrichtet Kommer an der Hochschule und plant in Zukunft Medientrainings anzubieten. „Die jungen Leute sind sehr motiviert an die Sache herangegangen“, meint der Journalist. „Es ist immerhin die letzte Ferienwoche und darum ist es eine kleine Überraschung für mich, dass sie so mitmachen und wirklich von morgens bis abends aktiv teilnehmen.“

Durch Medien das Deutschtum erkunden

Nach sechs intensiven Tagen wurden drei Radio-Beiträge produziert. Diese behandeln das Thema „deutsch-österreichische Spuren in Suceava“. Die Jugendlichen besichtigten das Historische Museum und befragten den Leiter Constantin Emil Ursu. Im alten Wasserwerk der Stadt, das 2011 in ein Zentrum für Architektur und Stadtkultur umgewandelt wurde, erhielten sie wichtige Informationen zum Stadtbild Suceavas vom Architekten Constantin Gorcea. Mit dem Aufnahmegerät in der Hand, sammelten die Schüler O-Töne, die später mit professionellen Schnittprogrammen bearbeitet wurden. Die Beiträge entstanden in Gruppenarbeit. Innerhalb der drei Gruppen teilten sich die Jugendlichen je nach Interessen auf. „Manche der Schüler fanden die technische Seite spannender, manche hatten bei den Interviews viel Spaß und es gibt welche, die auf die Aufnahme gespannt sind und die Texte gerne sprechen möchten“, so Kommer. „Daher glaube ich, dass jede und jeder das gefunden hat, was ihm persönlich Spaß macht.“

Im Deutschen Forum aus Suceava interviewten die Jugendlichen die langjährige Vorsitzende, Antonia Gheorghiu. Die Rumäniendeutsche sollte den Schülern zur Geschichte der Bukowiner Deutschen, deren Traditionen sowie über die aktuelle Situation der Minderheit erzählen. „Zurzeit leben in Suceava allein noch 1200 Deutsche. Das ergaben unsere Statistiken“, meint die Forumsleiterin. „Nach der Volkszählung sollen angeblich nur noch 700 im ganzen Kreis sein, aber das stimmt nicht.“

In den sozialistischen Jahren waren die Rumäniendeutschen aus der Bukowina von den anderen abgeschottet. Die Ausreise vieler Deutschstämmiger gegen Bares fand in der Bukowina nicht statt. Dafür wurden viele Rumäniendeutsche schon 1940 nach Deutschland umgesiedelt. Während des Dritten Reiches erhielten viele die deutsche Staatsbürgerschaft. Gerhard Ast war neun Jahre alt, als er und seine Familie nach Deutschland zogen. Der inzwischen über 80-Jährige ist heute Geschäftsführer des Forums. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, 1945, mussten er und seine Familie Deutschland verlassen. Im Interview erzählte Ast, unter welchen Bedingungen er nach Suceava zurückkehrte: „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden meine Familie und ich in Pilsen in der damaligen Tschechoslowakei von den Russen aufgefangen und in Viehwagons zurück nach Rumänien geschickt.“

Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben

Ina Gohn-Kreuz erhielt bei der Durchführung des Projekts Unterstützung von Annik Trauzettel. Die ifa-Kulturmanagerin hat ebenfalls vor zwei Wochen in Temeswar/Timişoara ihre Arbeit bei Radio Temeswar aufgenommen. Im Auftrag des FunkForums soll Annik Trauzettel das Jugendprojekt PausenRadio wiederbeleben. In Suceava arbeitete sie aktiv in den Gruppen mit den Jugendlichen und half diesen bei der Erstellung der Beiträge. Die drei fertigen Beiträge stehen bereits online auf der Musik-Platform SoundCloud. Welche Traditionen die Rumäniendeutschen aus der Bukowina pflegen, was von den Deutschen bleibt und was aus den Altbauten und der Stadtarchitektur des österreich-ungarischen Suceava geworden ist, davon handeln die ins Netz gestellten Beiträge.

Sie gewähren einen Einblick in die deutsche Minderheit zwischen gestern und heute. Gleichzeitig wurden sieben Jugendliche an das Medium Radio herangeführt. Dessen Erkundung stellte für viele der Schüler einen Höhepunkt dar.
Die deutsche Minderheit in Rumänien möchte nicht aussterben. Darum wird versucht, auch Nichtdeutsche und besonders Jugendliche für ihre Geschichte, ihre Traditionen und ihre Sprache zu begeistern. „Ich bin eher optimistisch. Pessimistisch bin ich nicht“, so Forumsleiterin Gheorghiu. „Die Geschichte der Deutschen in Rumänien wurde noch nicht zu Ende geschrieben und wahrscheinlich unsere auch nicht.“

Unterstützt von deutschen Stiftungen, wie die Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg und das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), sowie vom Bundesministerium des Inneren, möchte die Minderheit den Jugendlichen das anbieten, was sie persönlich interessiert und ihnen dabei auch eine Welt eröffnen, die stets da war, aber vielleicht irgendwann nicht mehr sein wird.