Gewitterfantasie und Sonne

Orgelkonzert in der Hermannstädter Stadtpfarrkirche

Hermannstadt  -Das nächste Orgelkonzert in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt/Sibiu findet Mittwoch, den 1.Juli, 18 Uhr statt. Musikwart Jürg Leutert wird drei Werke vorstellen, die himmlische Phänomene musikalisch umsetzen: Das letzte und vielleicht spektakulärste, ist eine romantische Gewitterfantasie, wie sie im 19. Jahrhundert in Schweizer Kathedralen für Touristen dargeboten wurde. Es ist eine der sinfonischen Darstellungen einer ländlichen Szene in den Alpen, die von einem furchterregenden Unwetter unterbrochen wird. Von Luzern, einer der touristischen Metropolen in den Alpen, wird erzählt, dass englische Damen ihren Regenschirm aufspannten wegen der wirklichkeitsnahen Darstellung dieser Unwetter.Wir denken uns, dass in den Karpaten die Unwetter mindestens ebenso imposant sind. Auch hier begannen ja im 19. Jh. die Touristen, die spektakuläre und romantische Landschaft zu erkunden und hautnah zu erleben.

Wir stellen uns vor, dass auch hier die Kirchenmusiker vergleichbare Musikspektakel für die Vorbeireisenden hätten musikalisch umsetzen können. Olivier Messiaen hat im zweiten Satz seiner Messe de la Pentecôte (der Pfingstmesse, die am ersten Orgelkonzert der Saison bereits fast ganz vorgestellt wurde) ein metaphysisches Gewitter vertont: Das Sichtbare und das Unsichtbare, für uns Musiker und Hörer eher das Hörbare und Unhörbare ist das Thema des Satzes. Er verwendet dazu Vogelstimmen, Wassergeräusche, himmlische Eindrücke und fernes, sich langsam näherndes Dröhnen tiefer Orgelpfeifen, das ohne weiteres als sich näherndes, später wieder, nach dem Höhepunkt entladenes Unwetter aufgefasst werden kann.Das Werk zwischen den beiden (Un)Wettern wird die Sonne ins Zentrum rücken, die alles Leben auf dieser Erde überhaupt ermöglicht. Der Choral „Sonne der Gerechtigket“, der in einer Partita der Stadtpfarrkirchenkantorin Brita Falch Leutert sieben Mal variiert wird, ist die Bitte an unseren Schöpfer, dass er seine Schöpfung bewahre, sich unser erbarme; sind wir nicht so innerlich darauf angewiesen?  

Jürg Leutert