„Gott führt keine Liste über die Verfehlungen, man kann immer wieder neu starten“

Gespräch mit Frank Gründler, Jugendreferent der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt

Jeden Freitag begrüßt Frank Gründler 15 bis 20 Jugendliche zum Jugendkreis.
Foto: privat

Frank Gründler ist Diakon, staatlich anerkannter Erzieher, macht im Fernstudium seinen Bachelor in Sozialpädagogik und ist seit einem Jahr der Jugendreferent der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt. Über sein erstes Jahr in neuer Umgebung und seine Pläne für das zweite sprach Frank Gründler mit ADZ-Redakteur Michael Mundt.

Herr Gründler, Sie waren zehn Jahre in Frankfurt/Oder tätig. Wie hat es Sie nach Rumänien verschlagen?

In erster Linie durch meine Frau. Sie hat schon seit vielen Jahren Kontakte nach Rumänien, war nach ihrem Studium ein Dreivierteljahr in Fogarasch. Dort haben wir gemeinsame Freunde und auch unsere Urlaube haben wir häufig in Rumänien verbracht. Ich selbst habe zehneinhalb Jahre für den Christlichen Verein junger Menschen gearbeitet, doch irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem meine Familie und ich nach einer Veränderung gesucht haben. Eher zufällig bin ich auf die Stelle in Hermannstadt aufmerksam geworden und habe dann mit den Leuten vor Ort Kontakt aufgenommen.

Was gehört zu Ihren Aufgaben als Jugendreferent?

Ich besetze zwei halbe Stellen, die für mich geschaffen wurden. Zum einen leite ich hier in Hermannstadt die Jugendarbeit, das bedeutet Jugendkreis und Jungschar, Gemeindefeste organisieren, Kindergottesdienste halten und Kinderbibeltage durchführen. Der zweite Teil der Stelle ist bei der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. Dort geht es darum, andere Jugendkreise zu besuchen, Kontakte aufzubauen und überregionale Veranstaltungen wie die Ferienlager, den Landesjugendmitarbeiterkreis oder wie in diesem Jahr den Jugendtag mitzuorganisieren.

Erzählen Sie uns doch etwas von den Ferienlagern!

Es gibt da zum einen das Jungscharlager für Kinder zwischen 8 und 12 Jahren. Dieses hat stets ein anderes Thema. In diesem Jahr haben wir uns des Mittelalters angenommen. Es ging also für acht Tage um Ritter und Zünfte. Stattgefunden hat es in Rosenau, bei der befreundeten Organisation „Purtătorii de Făclie“. Diese verfügt über ein großes Gelände und die notwendige Infrastruktur. Am Vormittag machen wir Bibelarbeit und am Nachmittag Geländespiele und Sport, auch mal eine Nachtwanderung. Vier Wochen nach dem Jungscharlager fand dort auch unser Teenielager statt, welches jetzt Sommercamp heißt. Vom Aufbau her ist es ähnlich, richtet sich aber an Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren.

Und wer nimmt an diesen Lagern teil?

Wir machen natürlich Werbung in der evangelischen Gemeinde und den deutschen Schulen. Von dort kommen auch unsere Teilnehmer – Sachsen, Deutsche, aber vornehmlich Rumänen. Viele bringen, wenn sie wiederkommen, im nächsten Jahr ihre Klassenkameraden und Freunde mit. Der Großteil sind eher orthodox-geprägte Schüler mit Rumänisch als Muttersprache von den deutschen Schulen. Wichtig ist, dass sie Deutsch sprechen, wobei das Sprachniveau sehr verschieden ist und die Kinder untereinander auch häufig Rumänisch sprechen.

Wie nehmen es denn die orthodoxen Eltern auf, dass ihre Kinder an einem evangelischen Jugendlager teilnehmen möchten?

Das ist kein Thema. Viele Kinder kommen schon über Jahre und die Eltern entscheiden eher danach, was ein gutes Lager ist und wo sich ihre Kinder wohlfühlen. Und wir haben ein gutes Lager mit tollen Mitarbeitern und einem interessanten Angebot. Das ist für die Eltern wichtig, die Konfession spielt da eine untergeordnete Rolle. Ich bin in der DDR groß geworden, bei den evangelischen Jugendlagern, an denen ich teilgenommen habe, waren größtenteils Atheisten. Auch dort war den Eltern ein gutes Angebot wichtiger als der religiöse Charakter der Freizeit.

Sie haben davon gesprochen, dass Sie in diesem Jahr auch den Jugendtag organisiert haben?

Genau, dieser findet nur alle zwei Jahre statt. 2016 war er in Holzmengen. Gefühlt haben wir dort mehr Energie investiert als in die Sommercamps, aber es ist auch der Höhepunkt schlechthin. Über zwei Tage haben wir zwischen 70 und 80 Jugendliche sowie 40 ehrenamtliche Mitarbeiter zusammengebracht. Für alle war es so kurz vor Beginn des neuen Schuljahres nochmal etwas Besonderes. Wir hatten viele Freizeitaktivitäten wie Bierkastenklettern, vom Kirchturm abseilen, Volleyball und Fußball, aber auch verschiedene Seminare. Highlight war das Jugendwerkscafé, für welches wir die alte Schule umdekoriert haben. Dort konnte man Kaffee trinken, Kuchen essen, erzählen und ganz einfach entspannen. Am Vormittag und am Abend gab es Referate zum Thema des Jugendtages, welches in diesem Jahr „Reset“ lautete, also Neustart. Verschiedene Referenten haben dazu Bibelarbeit geleistet. Am Freitag hatten wir auch eine Konzertnacht mit drei Bands, die ebenfalls coole Statements zum Thema abgegeben haben, was für sie „Reset“ bedeutet.

Und was bedeutet „Reset“ für Sie persönlich?

Ich finde es toll, wenn man immer wieder von vorne anfangen kann, wenn Menschen nicht nachtragend sind. Das habe ich selbst oft erlebt. Ich habe zum Beispiel als Jugendlicher eine Ausbildung zum Klempner gemacht und meine Vorgesetzten waren schon streng, und hat etwas nicht geklappt, dann gab es auch mal Ärger. Sie haben mir allerdings nie etwas nachgetragen, wenn etwas falsch lief. Man kann immer wieder von vorne anfangen. Auch als ich später Christ geworden bin, habe ich das so erlebt. Gott führt keine Liste über die Verfehlungen, man kann immer wieder neu starten.

Was heißt, Sie sind Christ geworden?

Als Kind aus einem christlich geprägten Elternhaus geht man in die Jungschar, in die Christenlehre und macht die Konfirmation. Später als Jugendlicher interessiert man sich dafür dann mehr oder weniger, wächst vielleicht hinein, so wie ich eben. Am Anfang glauben die Eltern für einen. Später muss man sich dann entscheiden, ist das mein Weg oder nicht.

Sie haben von den verschiedenen Freizeitaktivitäten während des Jugendtages gesprochen, aber wie wurde die Bibelarbeit in diesen integriert?

Es gab sie am Donnerstagabend und Freitagmorgen sowie am Samstag den Gottesdienst, zu welchem auch die Gemeinde eingeladen war. Das waren feste Punkte des Jugendtages. Wir haben versucht und versuchen das stets, relevante Themen der Jugendlichen aufzugreifen, damit es für sie spannend ist und wir nicht von Kuh und Katze reden. Es sollte um ihr Leben und um passende biblische Geschichten zum Thema „Reset“ gehen.

Und wie unterscheidet sich die Arbeit von Ihrer vorhergehenden Stelle?

Von den Jugendlichen her gar nicht. Überall ist Kommunikation, Whats App und Facebook wichtig. Die Probleme sind die gleichen: Eltern sind anstrengend, Geld reicht nicht, Schule ist schwer. Das ist überall der Fall. Hier und dort haben sie Hoffnungen und Träume, eine Zukunftserwartung. Die Jugendlichen die ich betreue, wollen mitmachen, mitarbeiten, ein Lager planen und durchführen. Auf der Arbeitsebene brauche ich allerdings hier für viele Dinge länger. Das liegt vornehm-lich an der Sprache und auch an den Strukturen. Manchmal muss man etwas mehr abklären als in einem Verein. Auch an den Predigten sitze ich länger als früher, muss Sachverhalte vereinfachen. Drauflosreden und drei Sprichwörter bringen, die in Deutschland jeder versteht, geht nicht. Die Predigten und die Bibelarbeit muss ich ausformulieren, gucken ob das von den Kindern und Jugendlichen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, verstanden werden kann. Die ganze Vorbereitung dauert länger.

Abschließend. Wie ist Ihr Fazit nach einem Jahr und wie gehen Sie in das zweite?

Ich freue mich, meine Arbeit zu machen, stehe morgens gerne auf, um loszulegen. Nach dem ereignisreichen Sommer freue ich mich auch wieder auf den Alltag. Jeden Freitag Jugendkreis, die Jungschar und die Kindergottesdienste. Es macht mir Spaß, den Alltag mit den Jugendlichen zu erleben. Ich bin gerne hier und überlege mir auch neue Projekte. Ab diesem Schuljahr gebe ich auch Religionsunterricht an zwei Grundschulen. Langweilig wird mir hier nicht.