Gräfenburgen und Kirchenruinen

Von Mühlbach ins Brodfeld und in den Unterwald

In Kelling ist der einstige Wohnturm der Gräfenfamilie erhalten geblieben.

Schlicht und schön thront die Ruine der romanischen Basilika über Urwegen.

Von Loch 10 haben die Spieler einen schönen Blick auf Karlsburg.
Fotos: Holger Wermke

Mühlbach/Sebeş im Unterwald ist mehr als eine Ortsdurchfahrt auf der Nationalstraße DN 7. Ein Halt lohnt allein wegen der beeindruckenden Kirche mit ihrem gotischen Hallenchor ("Hirtenromantik und sakrale Kunst"). Doch auch in der Umgebung gibt es einiges zu entdecken.

Seit Herbst 2011 kann man von Mühlbach aus bequem die Karpaten überqueren, spektakuläre Ausblicke inklusive. Die Stadt liegt am Endpunkt der Hochstraße Transalpina, die über 140 Kilometer nach Novaci im Kreis Gorj führt. Von Mühlbach aus bieten sich auch Wanderungen in das Mühlbacher Gebirge/Munţii Şureanu an, wobei der interessanteste Teil des Gebirges mit abwechslungsreichen Karstlandschaften und Höhlen im südwestlichen Bereich bei Haţeg liegt.

Golfspielen im Brodfeld

Nur rund 15 Kilometer westlich von Mühlbach liegt einer der beiden Golfplätze mit einem 18-Loch-Spielfeld. Der Golfclub „Paul Tomiţa“ trägt den Namen seines Gründers, der es in den 1960er und 70er Jahren zu internationaler Berühmtheit gebracht hatte und nach der Revolution in sein Heimatland zurückkehrte. Geboren ist Tomiţa (1914-2004) in Deutschpien/Pianu de Jos, wo er 1996 seinen eigenen Golfplatz eröffnete. Das 70 Hektar große Gelände befindet sich etwa vier Kilometer außerhalb der Gemeinde.

Die Spieler kämen aus dem ganzen Land, erzählt Nicolae Ursu, der Direktor des Golfclubs. Der Club sei der älteste in Rumänien, rühmt sich Ursu. Auf der Anlage finden in diesem Jahr rund zwei Dutzend Wettbewerbe statt. Auch zahlreiche ausländische Gäste nutzten den Club, darunter italienische Investoren aus dem Kreis Alba, Deutsche oder Spanier. Zum Club gehört das Golf Hotel Pianu, das mit Vier-Sterne-Service, Konferenzräumen und Pool einige Annehmlichkeiten für ein privates oder geschäftliches Golfwochenende bietet.

Wo heute Golf auf einer früheren Hutweide gespielt wird, schlugen sich früher siebenbürgische und türkische Heere die Köpfe ein. Deutschpien liegt in einer als Brodfeld bekannten Landschaft, die sich westlich von Mühlbach bis nach Broos/Orăştie erstreckt und ein Teil des Unterwaldes ist. Der Name geht auf die Dörfer Oberbrodsdorf/Vinerea und Unterbrodsdorf/Şibot zurück. Geschichtliche Bedeutung erlangte das Brodfeld durch die Schlacht am 13. Oktober 1479, in der die Türken nach einem verheerenden Zug durch Siebenbürgen ihre erste große Niederlage erlitten.

Weltkulturerbe in Kelling

Auf ihren verschiedentlichen Raubzügen seit Beginn  des 15. Jahrhunderts verwüsteten die Türken weite Teile Südsiebenbürgens, darunter auch den Unterwald. Trotz seiner Wehranlagen wurde auch  Mühlbach mehrfach eingenommen und zerstört, die Bewohner gemetzelt oder in Gefangenschaft geführt. Das gleiche Schicksal erlitten die Dörfer der Umgebung, beispielsweise das nahegelegene Kelling/Câlnic.

Unweit des Dorfes gab es eine vergleichweise einfache Karpatenpassage, über welche die fremden Heerscharen aus der Walachei einfielen. So nutzte beispielsweise 1438 den Bewohnern von  Kelling, der um 1500 größten Gemeinde im Mühlbacher Stuhl, ihre gerade erst vom damaligen Gräfen erworbene Burg wenig.

Die Gräfenburgen sind im Gegensatz zu den zahlreichen „klassischen“ Kirchenburgen ein Relikt aus der Anfangszeit der sächsischen Besiedlung des Landes. Zwei herausragende Beispiele finden sich dicht beieinander im Unterwald: Kelling und Urwegen (auch in Petersdorf/Petreşti steht noch die Ruine der Gräfenburg). Seit 1999 steht die Kellinger Burg zusammen mit dem Dorf auf der Welterbeliste der UNESCO, neben so bekannten Kirchen wie denen in Birthälm/Biertan oder Tartlau/Prejmer.

Die Gräfen etablierten sich in der Frühphase der Kolonisation Siebenbürgens durch die (späteren) Siebenbürger Sachsen. Sie beanspruchten politische und wirtschaftliche Vorrechte für sich und versuchten diese per Erbprinzip auf ihre Familienangehörigen zu übertragen – ganz nach dem Vorbild des ungarischen Adels.

Gräfenburg in Bauernhand

Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts erkämpften sich Bauern auf dem so genannten Königsboden, einem von den sächsischen Siedlern selbstverwalteten Gebiet mit Sonderrechten, ihre Freiheit. In Kelling kauften die Einwohner 1430 die vormalige Gräfenburg - einschließlich des gräflichen Wohnturms - und bauten sie bis zum 16. Jahrhundert zur allgemeinen Schutzburg mit zwei Mauergürteln und Wehrtürmen sowie Basteien um.

Aus der Zeit des Kaufs stammt auch die Kapelle im Hof, die der Anlage das endgültige Aussehen gab, das wir heute erstaunlich gut erhalten besichtigen können. Die Dorfbewohner ließen den schlichten Wohnturm wie er war – in der Mitte der Burg. Der Zugang war einst mühselig, aber leicht zu verteidigen – über eine Außentreppe aus Holz, die hochgezogen werden konnte, gelangte man in den ersten Stock und von dort über eine Steintreppe wieder hinab ins „Wohnzimmer“ – heute gibt es hier ein kleines Museum.

Es gäbe noch viel über die Kellinger Gräfenburg zu erzählen, doch wir wollen weiter ins neun Kilometer entfernte Urwegen. Den Hügel hinabfahrend– das Dorf Rätsch/Reciu haben wir hinter uns gelassen – bleibt der Blick zuerst an der Kirchenruine auf dem gegenüberliegenden Berg hängen. Dies war einst die Dorfkirche der evangelischen Urwegener, gebaut im 13. Jahrhundert als romanische Arkadenbasilika. Später mit Wehrmauer umgeben, wurde sie im 19. Jahrhundert aufgegeben. 1870 brannte der Dachstuhl aus, die Dorfbewohner trugen beizeiten die Seitenschiffe und die Ringmauer ab, nur der Turm trägt noch sein Dach.

Speck im Turm

Blickfang im Dorf ist jedoch zweifelsohne der mächtige, spitz aufragende Turm – allerdings ohne dazugehörige Kirche. Der 60 Meter hohe Glockenturm wurde nachträglich innerhalb des Berings errichtet und 1878 von der Gemeinde zur heutigen Höhe aufgestockt. Da Burghüterin Sofia Sifft (Tel. 0258-748302; kein Schild an der Burg!) an diesem Sonntag verhindert ist, springt nach einigem Telefonieren ihre Quasi-Vertretung Michael Boholţ ein. Bereitwillig zeigt er Gästen die einstige Zuflucht der Gräfen. Im Torturm, der schon als Schule und Pfarrerwohnung diente, wird heute – es gibt diese Tradition tatsächlich noch – Speck gelagert.

In verschiedenen Räumlichkeiten im Inneren der Burg haben die Urwegener ein kleines Heimatmuseum eingerichtet, mit allerlei Gerätschaften und vielen Fotos aus vergangenen Tagen. Gern nimmt Boholţ uns Besucher mit in die schmucke evangelische Kirche, die unscheinbar am nördlichen Ende des Platzes zwischen den Höfen steht. Erbaut wurde das sehr gut erhaltene Gemäuer  Ende des 15. Jahrhunderts. Für uns holt Boholţ sogar die Feiertagsbehänge aus einem Nebenraum und schmückt Kanzel und Altar.

Auf unsere Frage erzählt er, dass es im Dorf zwei Hotels gibt. Am Dorfeingang haben Holländer eine Herberge, in der hauptsächlich Pfingstgemeindler nächtigen. Seit neuestem betreibt ein Italiener etwas außerhalb des Dorfes ein Jagdhotel mit 14 Zimmern. Daneben nehmen sich die drei Gästezimmer der Gemeinde in der ehemaligen Predigerwohnung bescheiden aus.

Mit diesen Eindrücken verabschieden wir uns und treten die Heimreise über Reussmarkt/Miercurea Sibiului an. Hier legen wir noch einen kurzen Halt ein, um das 2011 eingerichtete sächsische Museum anzuschauen, welches das Leben einer sächsischen Familie in Reußmarkt veranschaulicht. Kein Schild weist am Eingang der Kirchenburg darauf hin, doch Burghüter Adolf Hütter besorgt rasch einen Schlüssel und schließt uns das neue Pfarrhaus auf. Im Pfarrhaus sowie im Hof hat ein in Deutschland lebender Herr Roth zahlreiche Exponate aus dem Familienbesitz zusammengetragen. Wer Zeit und Interesse für das frühere sächsische Leben hat, dem sei ein Besuch des Museums empfohlen.


Übernachtungsmöglichkeiten

Günstig und gut übernachten kann man in Mühlbach beispielsweise in einem der zwei Gästezimmer im evangelischen Pfarrhaus. Um sicher zu gehen, dass die Zimmer frei sind, sollte man vorher bei Pfarrer Alfred Dahinten anrufen und seinen Besuch ankündigen (0258-731693). Die Zimmer sind frisch renoviert und verfügen über eine Küchenzeile sowie Internet. Im Pfarrhof ist Platz für das Auto.

In  Kelling, Urwegen und Reussmarkt können Reisende in einfachen Gästezimmern im Pfarrhaus oder Nebengebäuden der Burgen übernachten. In Kelling gibt es Zimmer in der Gräfenburg und im benachbarten Pfarrhaus, Anmeldung über Prof. Marius Porumb (Tel:0745-828872, marpoacd @yahoo.com). Drei Gästezimmer stehen in Urwegen in der Predigerwohnung direkt neben der Gräfenburg zur Verfügung. Anmeldung bei Agnetha Hanciu (Tel: 0258-748300). In Reussmarkt können Gäste im großzügigen Pfarrhaus am Marktplatz schlafen. Anmeldung bei Kurator Michael Fleischer (Tel: 0269-533353).