Graf Dracula lässt (wieder einmal) grüßen

Eine fragwürdige Ausstellung vor dem Kronstädter Katharinentor

Die Tafel mit der Geschichte über die Geburt von Vlad III., so wie sie etwa eine Woche lang in Kronstadt öffentlich zu lesen war.

Die haarsträubende Geschichte über die Ermordung von Vlad III.

Dass sich die Schwarze Kirche wegen der von Ruß geprägten Mauern „schwarz“ nennt, sollte man schnellstens vergessen: Namengeberin war die angebliche spanische Maurenarmee von Matthias Corvinus!
Fotos: der Verfasser

Der erste Arbeitstag dieses Jahres überraschte die Fußgänger auf der Allee vor dem Katharinentor/Poarta Ecaterinei in Kronstadt/Braşov mit einer ausgefallenen Ausstellung: Auf den Metallrahmen, welche gewöhnlich die Schautafeln mit Vergrößerungen alter Fotos tragen, waren mit Klebeband Kartontafeln im A3-Format befestigt. Und deren Inhalt hatte es in sich: Im Vorbeigehen konnten die Passanten eine höchst eigenartige Version der Geschichten über den bekanntesten Vampir der Welt erfahren. Über den Veranstalter der Ausstellung gaben die Tafeln allerdings nur die karge Auskunft, dass es sich um Diana Bertha Krausser, Geschichtsforscherin, handelt. Keine offizielle Eröffnung, keine Presse, niemand, der öffentlich ein Einführungswort an etwaige Gäste gerichtet hätte. Etwa eine Woche später waren die Kartons verschwunden, genauso sang- und klanglos wie ein Geist, der aus dem Nichts auftaucht und verschwindet. Die erwarteten Kommentare oder Anmerkungen stehen noch aus.

Wagen wir uns also vorsichtig an einige der Inhalte heran, und zwar an jene, welche ohne irgendeine Quellenangabe den Betrachter vom Gegenteil nachgewiesener Fakten überzeugen wollen. Laut Geschichtsforscherin Bertha Krausser fand die Gründung des Drachenordens (Societas Draconistarum) im Jahre 1410 in Verbindung mit Corona/Kronstadt und der Bogenform der Karpaten statt. Fachstudien, welche auf den nur teilweise erhaltenen Urkunden des Ordens fußen, setzen die Gründung des Ordens zwischen 1387 und dem 12. Dezember 1408 fest. Von Verbindungen zu den Karpaten hat bis Jahresanfang niemand etwas gehört. Vlad III. erbte von seinem Vater, Vlad II., den Beinamen Draculea. Dieser hatte ihn vermutlich durch das sichtbare Tragen des Ordenszeichens – ein Drachen, der seinen Schwanz um den eigenen Hals geschlungen hat (Ouroboros) – erhalten. Die Geburt von Vlad III. wird allgemein in Schäßburg im Jahr 1431 angegeben, obwohl es dafür keinen direkten Beleg gibt. Das vermutete Geburtsjahr wurde anhand von datierten Schreiben seines Vaters ermittelt. Sein Vater, Vlad II., erwähnte Vlad III. erstmals in einem 1437 datierten Brief lediglich als seinen „zweitgeborenen Sohn“. Von einer der Schautafeln erfahren wir jedoch ganz andere Informationen: Vlad III. erblickte schon 1410 das Licht der Welt, und zwar genau am 23. November in Kronstadt. Warum gerade Kronstadt/Corona? Ganz einfach, weil hier, auf dem Felsen Cotun, das Dragulia-Schloss stand und sich in der Stadt selbst die Niederlassung der Florentiner Bank, samt Königlicher Münzpresse, beides Eigentum der Dracula-Familie, befand! Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich!

An dieser Stelle fand es die Verfasserin für angemessen, gleich noch eine Entdeckung mitzuteilen: Vlad III. war keineswegs der Sohn von Vlad II., der ihn in oben genanntem Brief erwähnt, sondern der uneheliche Sohn von Sigismund von Luxemburg (1368 – 1437), über den wir noch erfahren, dass er Kronstadt zu seiner zweiten Hauptstadt gemacht hatte. Da erfahren auch Kronstädter Historiker noch Neuigkeiten. Hochinteressant ist auch das Ableben von Vlad III. in der Auffassung von Bertha Krausser: Er starb nicht um die Jahreswende 1476/1477 irgendwo in der Nähe von Bukarest, sondern am 1. Mai 1513 in der Oberen Vorstadt von Kronstadt. Und zwar während eines Volksfestes, für welches er eine Orgel zusammenbaute, die er von Kaiser Maximilian erhalten hatte. Dessen Gattin, Eleonore, eine weit entfernte Verwandte, verfügte die Beisetzung des Vampirs in einem Sarg aus purem Gold in Neapel.

Dieser Sarg wurde in der Schwarzen Kirche aufbewahrt, später in eine Zinnengrotte verlegt und wurde nach 1550 nach Neapel gebracht. Die Neapolitaner haben bloß niemals von solchem Goldsegen gehört. Die Liste der haltlosen Behauptungen auf diesen immerhin öffentlich ausgestellten Tafeln ist endlos, doch die oben beschriebenen Beispiele sollten genügen. Zur Frage des Urhebers bringt uns eine Archivsuche in Kronstädter Zeitungen auch schnell Ergebnisse: Am 13. Juni 2006 veröffentlichte die lokale Tageszeitung „Bună ziua Braşov“ (http://www.bzb.ro/stire/codul-lui-dracula-a57209) einen Beitrag über ähnliche Behauptungen der Geschichtsforscherin, mit ebenso überwältigenden Erkenntnissen: Damals behauptete sie, selbst die Schwarze Kirche sei von Vlad III. gebaut worden. Allerdings stellte sie sich damals einem Gespräch und es konnte auch eine Gegendarstellung seitens Dr. Stelian Coşuleţ, damals Leiter der Forschungsabteilung des Kreismuseums für Geschichte, eingeholt werden. Die damaligen Entdeckungen der Geschichtsforscherin waren, dass Vlad III. in der bekannten Darstellung aus den Geschichtsbüchern auf der Kopfbedeckung das Symbol eines UFOs trug, sich unter verschiedenen Namen versteckte, Schriften verfasste, 1840 (kein Tippfehler!) den ersten Allgemeinen Weltatlas verfasste und das erste astronomische Werk gleich dazu. Auch das am 21. August 1898 geschaffene Denkmal von Johannes Honterus (1498 - 1549) des Berliner Bildhauers Harro Magnussen soll keineswegs Honterus, sondern den verkleideten Vlad III. darstellen.
Die Stellungnahme von Dr. Stelian Coşuleţ im Jahr 2006 war trocken: „Diese Behauptungen können durch nichts nachgewiesen werden und entbehren jeglicher wissenschaftlichen Grundlage. Von den Behauptungen der Frau Krausser haben auch wir, die Historiker, gehört, und, hätten diese auch nur einen Hauch von Glaubwürdigkeit gehabt, so hätten wir sie aufgesucht“.
Für den Kronstädter bleibt da nur eine Frage offen, da ja alle anderen Mysterien der Geschichte und Zukunft gelüftet wurden: Wie ist es möglich, ganz einfach eine öffentliche Ausstellung zu verwirklichen und nicht alsbald zur Rechenschaft gezogen zu werden?