Große Ziele, kleine Mittel

ADZ-Gespräch mit der Vorsitzenden des Alumni-Vereins der rumänischen Praktikanten im Deutschen Bundestag, Andreea Olariu-Ionescu, und dem ASPI-Generalsekretär Florin Şari

Florin Şari und Andreea Olariu-Ionescu vom Alumni-Verein ASPI wollen nach dem Vorbild des Internationalen Parlamentsstipendiums des Deutschen Bundestags Praktikanten aus ganz Europa ins rumänische Parlament bringen.

Im Rahmen des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) werden seit 1996 jährlich bis zu fünf Rumänen auserwählt, ein Praktikum im Deutschen Bundestag anzutreten. Die Absolventen treten dem Verein ASPI (Asociaţia Stagii Parlamentare Internaţionale) bei. Dieser unterstützt die Alumni mit Know-how und Kontakten. Über die Herausforderungen und Ziele des Alumni-Vereins sprach ADZ-Praktikantin Elisa Werner mit der Vorsitzenden Andreea Olariu-Ionescu und dem Generalsekretär Florin Şari.

Frau Olariu-Ionescu, Herr Şari – Sie haben beide an dem IPS teilgenommen und ein Praktikum im Deutschen Bundestag absolviert. Wie würden Sie diese Zeit beschreiben?

Olariu-Ionescu: Ich habe im Jahr 1997/98 am IPS, damals noch in Bonn, teilgenommen. Durch das Praktikum im Bundestag hat sich meine Art und Weise zu denken verändert. Für mich war es eine richtige politische Schule. Ich habe gelernt, wie Politik funktionieren müsste. Dann kam ich zurück nach Rumänien und habe gesehen, wie es hier war. Es liegen noch immer Welten dazwischen!
Şari: Auch meine Denkweise hat das Praktikum verändert. Ich war im Jahr 2000/01 in Berlin und es war spürbar eine andere Welt. Wir kamen ja aus dem „finsteren Osten“ und schon an der Kleidung merkte man die Unterschiede zu Ländern wie den USA oder Frankreich.

Jeder der mittlerweile insgesamt 120 Stipendiaten wird einem Bundestagsabgeordneten zugewiesen, für den er die folgenden Monate arbeitet. Was für Aufgaben hatten Sie?

Olariu-Ionescu: Die Aufgaben der Praktikanten sind vielfältig: Sie werden von den Bundestagsabgeordneten zu Ausschüssen oder in den Wahlkreis mitgenommen. Man erledigt auch alle anstehenden Arbeiten im Büro: vom Versenden von Briefen über das Schreiben von Reden bis hin zu Recherchen für den Abgeordneten. Nebenbei sind die Stipendiaten noch an einer Universität eingeschrieben, wo sie Lehrveranstaltungen besuchen. Ich war damals an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn immatrikuliert. Die Arbeit im Büro interessierte mich allerdings mehr als die politikwissenschaftlichen Vorlesungen.
Şari: Die Aufgaben der Praktikanten hingen vor allem von ihnen selbst und den Bundestagsabgeordneten ab. Ich hatte vorwiegend Interesse an den deutsch-rumänischen Beziehungen. Deswegen war es ein Glück, dass ich bei Susanne Kastner, der damaligen Vorsitzenden der Deutsch-Rumänischen Parlamentariergruppe, arbeiten konnte. Es war wirklich spannend, insbesondere weil 2000 in Rumänien Wahlen waren. Interessant war auch, wie man sich in Deutschland auf die zweite Präsidentschaftsrunde vorbereitete.

Im Jahr 2002 wurde ASPI offiziell als ein Verein eingetragen. Wie kam es zu der Gründung des Alumni-Vereins?

Olariu-Ionescu: In jedem der 28 am IPS teilnehmenden Länder gibt es Vereine, in denen sich die Alumni organisieren. Die Ursprungsidee dieses Stipendiums war, dass irgendwann auch junge Deutsche in die Parlamente anderer Nationen gehen können, um die internationalen Beziehungen und den Demokratiegedanken zu festigen. Es ist also unser Anliegen, perspektivisch deutsche Stipendiaten ins rumänische Parlament zu vermitteln, was sich jedoch als sehr schwierig gestaltet. Wir versuchten lange, die Schirmherrschaft des rumänischen Parlaments zu bekommen, leider erfolglos.
Şari: Die Idee ist vor allem, dem Parlament eine Vorstellung vom Aufwand und Umfang eines Stipendiaten-Programms zu vermitteln. Vor den letzten Wahlen, als Roberta Anastase noch Vorsitzende der Abgeordnetenkammer war, war die Umsetzung eines solchen Programms schon vorbereitet – es gab einige Parlamentarier, die bereit waren, Praktikanten aufzunehmen, und der Deutsche Bundestag und die Deutsche Botschaft hatten bereits ihre Unterstützung zugesagt. Dann veränderte sich 2012 die Mehrheit im Parlament und damit war Schluss für das Programm.

Die Zahl der Altstipendiaten liegt bei momentan 88, jährlich kommen bis zu fünf neue Alumni hinzu. Wie organisiert sich der Verein?

Olariu-Ionescu: Mit der Organisation ist es nicht einfach. Einige Alumni leben und arbeiten mittlerweile im Ausland. Zudem leben die meisten unserer ehemaligen Stipendiaten nicht in Bukarest. Daher ist es schwierig, regelmäßige Treffen zu organisieren. Einmal im Jahr lädt die Auswahlkommission zur Präsentation der neuen Stipendiaten, dann kommen all die nach Bukarest, die die Möglichkeit dazu haben. Sonst finden eher regionale Treffen statt, die Ergebnisse dieser Treffen werden allen per E-Mail mitgeteilt. So versuchen wir, den Kontakt mit der Gruppe zu halten.

Was genau bietet der Verein seinen Mitgliedern?

Olariu-Ionescu: Wir sind vor allem ein Pool aus Wissen und Kontakten. Wenn jemand Fragen zum IPS hat oder Kontakte, etwa zu deutschen Abgeordneten oder Kommilitonen aus anderen Ländern, braucht, sind wir zur Stelle. Wir organisieren auch Veranstaltungen oder Seminare. Nach der Krise wurde es mit der Finanzierung leider immer schwieriger. Jetzt sind wir bei diversen Veranstaltungen vertreten, meist jedoch als Privatpersonen. Schade ist, dass sich eher wenige Mitglieder engagieren. Sie kommen zwar mit viel Tatendrang aus Berlin zurück und wollen die politische Situation in Rumänien verändern. Allerdings verlieren die meisten diese Energie sehr schnell wieder.
Şari: Unterstützt werden wir teilweise von der Deutschen Botschaft und den deutschen politischen Stiftungen, besonders von der Konrad Adenauer-Stiftung. Leider machten sich manche Alumni in den letzten Jahren eine falsche Vorstellung von unseren Möglichkeiten. Manche erwarten von uns, dass wir ihnen Jobs vermitteln, wenn sie aus Berlin zurückkehren. Interessant wäre es zu sehen, ob es einen Zusammenhang zwischen dem sich verschlechternden Ansehen des rumänischen Parlaments und einer Minderung des Interesses der Alumni an einem Arbeitsplatz dort gibt.

Sie haben bereits angedeutet, dass die Finanzierung des Alumni-Vereins schwierig ist. Woher bezieht der Verein seine Mittel?

Olariu-Ionescu: Eine richtige Finazierung gibt es nicht. Wir zahlen alles aus eigener Tasche, weswegen wir auch so viel wie möglich in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung machen. Zudem wollen nicht alle Alumni Beiträge zahlen, darum haben wir es aufgegeben, Geld einzusammeln. Sponsoren zu finden, ist ebenfalls nicht einfach. Zwar könnten wir Unterstützung vom Bundestag beantragen, doch dafür muss man mindestens ein Jahr vorausplanen können.

Ein Ziel des IPS ist es, demokratische Werte festigen. Was tut der Verein für die politische Bildung in Rumänien?

Olariu-Ionescu: Unser Verein hat zurzeit leider weder die personellen noch die finanziellen Mittel, eigene Projekte auf die Beine zu stellen. Allerdings gab es dieses Jahr einen Zusammenschluss der Alumni-Vereine aus den Balkan-Staaten, bei dem wir auch dabei sind. Unser gemeinsames Ziel ist es, EU-Projekte an Land zu ziehen, die in mehreren Staaten etwas für die politische Bildung der Kinder und Jugendlichen bewirken.

Bei all den finanziellen Schwierigkeiten und der bisher fehlenden Unterstützung durch das rumänische Parlament: Wie sehen Sie die Zukunft des Vereins?

Olariu-Ionescu: Ich habe noch Hoffnung. Wir werden weiterhin versuchen, in Kontakt mit dem rumänischen Parlament und der Deutschen Botschaft zu bleiben, damit sie sehen, dass wir nicht verschwunden sind. Auch wenn die finanzielle Lage schwierig ist, wollen wir versuchen, zumindest lokale Treffen der Alumni zu organisieren, damit der Kontakt aufrecht erhalten wird.
Şari: Die Zukunft des Vereins liegt allein in unseren Händen. Es ist eine Sache des Programms, der Mittel und der Solidarität der Alumni. Wenn alle ein Interesse daran haben, die Dinge in Rumänien zu verändern, dann wird es auch was. Dazu braucht man nicht zwingend große finanzielle Mittel. Ich bin der Meinung, dass Veränderungen eher in vielen kleinen Schritten gemacht werden können, als in wenigen großen!

Vielen Dank für das Gespräch!