Gute Ergebnisse und viel Arbeit

ADZ-Gespräch mit Ortwin Hellmann, dem wiedergewählten Kurator des Kirchenbezirks Kronstadt

Foto: Hans Butmaloiu

Ortwin Hellmann, 51, verheiratet, drei Kinder, belegt seit mehreren Jahren ehrenamtliche Ämter  sowohl innerhalb der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien als auch der Kronstädter  Gemeinschaft. Vor Kurzem wurde er zum Kurator des Kronstädter Kirchenbezirks wiedergewählt. Über seine Vorstellungen, Absichten und auch Sorgen gewährte er Hans Butmaloiu folgendes Interview.

Fangen wir mit dem Anfang an, und zwar mit den Wahlen vom 5. April.

Es war eine sehr gute Beteiligung der Eingeladenen, keine Frage der Beschlussfähigkeit, was ich als ein klares Zeichen der Stabilität werte. Es hat sich mit der Zeit eine Beteiligung herauskristallisiert von verantwortungsbewussten Mitgliedern, welche mit Herz und Seele bei der Sache sind und überlegte, gut überlegte Entscheidungen treffen. Dabei möchte ich auch darauf hinweisen, dass ein Generationswechsel stattfindet. Laut Kirchenordnung sind auch die Kuratoren Mitglieder der Bezirkskirchenversammlung und in ihren Reihen hat sich schon bei den Wahlen im November 2013 ein Generationswechsel vollzogen. Es sind jüngere Leute gekommen, die einen ausgeprägten Sinn für Tradition mitbringen und die bereit sind, sich den Wandlungen der Zeit, denen wir alle ausgesetzt sind, zu stellen.

Handelt es sich dabei um einen gewollten Generationswechsel?

Ich würde sagen, es ist in erster Linie ein demografisch bedingter Wandel, es sind eben die Jüngeren, die allmählich mehr Verantwortungen übernehmen. Es sind die Mitglieder unserer Gemeinden, die sich mehr in Gremienarbeit, in Projektarbeit engagieren und einbringen, die teilweise voll berufstätig sind und sich dabei voll einsetzen. Aber sie verfügen auch über eine reiche Erfahrung im Beruf oder auch in der Politik, was seine Bedeutung hat und von großem Nutzen für unsere Tätigkeit ist.

Demnach sind nach den Wahlen alle Ämter besetzt und noch mehr, sie sind gut besetzt. Gehen wir ein wenig auf die Schwerpunkte der Wahlen vom 5. April ein…

Dann wird es etwas technisch: Laut Kirchenordnung finden diese Wahlen alle vier Jahre statt, es ist ein komplexes Verfahren mit sechs Durchgängen, was bei 60 Wählern eine logistische Herausforderung ist, alles muss wie am Schnürchen klappen. Wir haben es gut gemeistert, nicht zuletzt auch mit Hilfe moderner Technik. Weil wir aber sehr genau auf die Vorschrift der Kirchenordnung geachtet haben – es war letztendlich der ausdrückliche Wunsch des gesamten Bezirkskonsistorium, alles präzise zu machen –, also hatten wir diesmal auch einen siebenten Durchgang. Gewählt wurden der Dechant, der Bezirkskirchenkurator, die weltlichen Abgeordneten des Bezirkskonsistoriums und die geistlichen und weltlichen Abgeordneten in die Landeskirchenversammlung, das höchste Gremium unserer Landeskirche. Wir in Kronstadt hatten ja nach dem Rücktritt von Stadtpfarrer Christian Plajer als Dechant eine interimistische Besetzung des Amtes durch Bischofsvikar und Stadtpfarrer von Bukarest, Dr. Daniel Zikeli. Das war eine nicht gerade leichte Zeit, denn Bukarest ist nicht eben um die Ecke und die dortige Gemeinde ist auch ziemlich groß, von dort wird ja das gesamte Altreich betreut, bis zur kleinen Gemeinde in Jassy hinauf.

Jetzt haben wir, nach den Wahlen, wieder eine ordentliche reguläre Struktur, mit gewähltem Dechanten, eben in der Person von Stadtpfarrer Dr. Daniel Zikeli. Mit Traurigkeit muss ich dabei bemerken, dass so etwas heutzutage nicht mehr unbedingt eine Selbstverständlichkeit ist, siehe den Fall von Mediasch, auf welchen ich jetzt nicht näher eingehe. Was ich noch hinzufügen möchte: Es ist durchaus möglich, dass wir die letzten Wahlen in dieser Form hatten, denn die nächsten, über vier Jahre, könnten andere Strukturen, welche besser den Gegebenheiten angepasst sind, besetzen. Die jetzigen Strukturen sind eine Fortsetzung aus Zeiten, als die personelle Besetzung wenig problematisch war, doch das hat sich geändert und wahrscheinlich werden wir eine Anpassung der Strukturen haben. Das ist Aufgabe der Landeskirchenversammlung und diese wird darüber bestimmen.
Kehren wir aber zum Kronstädter Bezirk zurück: Kronstadt ist nicht nur flächenmäßig der größte Kirchenbezirk, er besteht ja keineswegs nur aus dem Burzenland. Zum Kronstädter Kirchenbezirk gehört auch das Altreich, also Bukarest und Jassy, Konstanza und Galatz. In diesen, manchen davon entlegenen Kirchengemeinden gibt es kaum noch Kirchenmitglieder, doch es gibt die Verwaltungsprobleme, welche zu- und nicht abnehmen.

Worum handelt es sich dabei konkret?

Es sind einmal die Kirchengebäude und die zu den Kirchen gehörenden Gebäude, aber auch andere Immobilien. Diese wurden zurückgefordert und um diese muss man sich jetzt kümmern, und das ernsthaft. Um diese Angelegenheiten hat sich das Bezirkskonsistorium, unter vielen anderen Aufgaben, auch zu kümmern. Da gibt es viel, sehr viel Arbeit, verbunden mit den Rückerstattungen, wo eine enge Zusammenarbeit mit den Lokalbehörden notwendig ist. Denn diese Immobilien sind nicht unbedingt ein Segen, sie können sich im Handumdrehen zu einer schweren Belastung verwandeln.

Welches ist der durchschnittliche Zustand dieser Immobilien? Waren sie bewohnt, benutzt, standen sie längere Zeit leer?

Im Durchschnitt kann man sagen, dass der Zustand eher prekär ist. Hier in Siebenbürgen sind es hauptsächlich Schulgebäude, größtenteils imposante Bauten, entsprechend der Erbauungszeit und der damaligen Ansprüche. Vergessen wir nicht, unsere Kirche, unsere Evangelische Volkskirche hatte sie in Verwaltung und die eingesetzten Mittel machten die Errichtung dieser Bauten möglich. Auch in sehr entlegenen Gemeinden. Womit haben wir es aber heute zu tun? Mit einer Landflucht, von dem Lande in die Stadt, nicht nur in Rumänien, sonder weltweit. Als eine der Folgen haben wir das Schrumpfen vieler Gemeinden, es gibt wenige Einwohner, wenige Kinder, wenige Schüler. Also braucht es auch weniger Schulen, und wenn welche gebraucht werden, müssen sie modern, wärmeeffizient usw. sein. Zurzeit ist –  allgemein betrachtet – kein Bedarf mehr, diese Gebäude weiterhin als deutsche Schulen zu benutzen.

Mit sehr wenigen Ausnahmen stehen nun diese Gebäude, rechtmäßig rückerstattetes Eigentum, leer. Um diese sind wir sehr besorgt, denn jährlich verfallen sie mehr und mehr. Wir sind bemüht, sie vernünftig zu nutzen, doch die utopischen Vorstellungen des Investors mit gewinnbringender Partnerschaft hat man aufgegeben. Andererseits ist es unsere ausdrückliche Pflicht, diese Gebäude, welche von Generationen mit Herzblut gepflegt wurden und durch deren Klassen große, prägende Persönlichkeiten gegangen sind, zu erhalten. Es ist eine große Herausforderung. Individuelle Lösungen gibt es jedoch, ich nenne hier das Schulgebäude in Tartlau, in welchem nach dem Krieg das Bürgermeisteramt funktioniert hat und welches wir dieser Behörde verkauft haben. Man muss es eben hinnehmen, dass es nun nicht mehr Schule ist und eine andere Funktion hat. Durch den Verkauf konnte die Gemeinde andererseits andere Projekte und Diakonie finanzieren.

Von wie viel Gebäuden sprechen wir eigentlich, in welcher Größenordnung?

Von Hunderten!

Das sind alles zurückerstattete Gebäude?

Keineswegs wurden alle in Frage kommenden Gebäude zurückerstattet! Bei manchen ist die Rechtslage nämlich so verworren, dass man keinen Durchblick hat. Das habe ich selbst, aus eigener Erfahrung lernen müssen!

Wieso denn?

Weil jedes Gebäude, also so gut wie jedes, ein selbstständiger Einzelfall ist und man nichts verallgemeinern kann. Jedes Gebäude hat seinen eigenen Status, seine eigene Form der Enteignung und das geht schon so weit, dass wir in unserem Kirchenbezirk sogar Kirchenburgen haben, wie Katzendorf oder Streitfort, welche im Rahmen der rumänischen Agrarreform in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts enteignet worden sind. Und die fallen natürlich in ein anderes Rückgabeverfahren. Dann kommt hinzu, was der Staat mit dem Gebäude nach der Enteignung gemacht hat. Wir haben solch hochsensible Fälle wie in Kronstadt die Geburtenklinik, wo man für beide Teile – den jetzigen Nutzer und den Eigentümer, also die Kirche – einen vernünftigen Weg finden muss. Das ist auf Ackerboden und Wald übertragbar, wo eine Lösung nur durch gute Zusammenarbeit mit Lokalbehörden gefunden werden kann.

Da haben Sie das Stichwort der nächsten Frage gegeben: die Wälder.

Ja, wir haben Hunderte von Hektar Wald in Kirchenbesitz und laut rumänischen Gesetzen bringen diese nicht nur Nutzen, sonder auch Verpflichtungen. Wir sind laut Gesetz gezwungen, mit einem Forstamt, einem staatlichen oder privaten, einen Vertrag abzuschließen, das den Wald pflegen soll. Das ist ein Bereich, in welchem wir uns zu einer Lösung durchringen müssen.

Inwiefern, denn Wald bedeutet Holz, Holz ist gefragt, also eine gute Einnahmequelle?

Ja, in der Theorie! In meiner Ansprache auf der Bezirkskirchenversammlung, in dem vorgelegten Bericht, da habe ich mehrmals den Ausdruck „Loslösen“ benützt. Damit meine ich, dass man sich irgendwann auch dazu durchringen muss, sich von einigen Dingen loszulösen, sie gegebenenfalls in Verwaltung zu geben oder sie schlicht zu veräußern, sei es auch nur, um eine Schadensbegrenzung zu erreichen. Denken wir bitte ein wenig nach, wie dieses Erbe letztendlich in, sagen wir, zehn Jahren aussehen wird und denken wir daran, dass wir jetzt dafür verantwortlich sind, dann aber, in zehn Jahren schuldig sein werden, wenn der Wald nicht mehr steht. Denken wir aber ein wenig weiter, so haben wir hier ein erhebliches Konfliktpotenzial. Die verbliebenen Gemeindemitglieder pochen auf die Tradition und Vergangenheit ihres Eigentums, welche bis zur Schenkung zurückgeht, was ja auch in Betracht gezogen werden muss. Leider stehen diese Gemeinden ohne funktionierende Strukturen da, viele haben keine Vertretung, kein Presbyterium, demnach muss laut Kirchenordnung die Landeskirche diese Dinge regeln, und da gibt es manchmal kein Verständnis dafür. Mit einem Wort, die Verwaltung dieser Liegenschaften ist ein sehr schwieriger Punkt in unserer Tätigkeit.

Vielen Dank für diese Ausführungen. Auf weitere Projekte des Kronstädter Kirchenbezirks werden wir bei anderer Gelegenheit zurückkommen.