Hermannstadt als Reisestation auf der Handwerks-Wanderschaft

Hans Erich Tischler gratuliert den Wandergesellen für deren aufopferungsvolle Reisebereitschaft. Foto: der Verfasser

Hermannstadt – Am Mittwochabend, dem 25. Juli, wurde unter einem grauen Wolkenhimmel am Huetplatz/Piața Huet in Hermannstadt/Sibiu die Eröffnung des Schauwerkstatt-Festivals „Treffen europäischer Wandergesellen“ zünftig gefeiert und von Vertretern des öffentlichen Lebens, sowie zahlreichen Mitgliedern des Vereins der Gesellenherberge Hermannstadt (Asociația Casa Calfelor Sibiu) öffentlich begrüßt. Seit 16 Jahren bewohnen in Ausbildung stehende Handwerkerinnen und Handwerker aus sämtlichen Ländern Mittel- und Zentraleuropas reihum das in unmittelbarer Nähe der Sagstiege/Pasajul Scarilor eigens für Wandergesellen zur Verfügung stehende Quartier. Die besondere Kleidung und Kluft der Wandergesellen hat sich daher fest in das sommerliche Bild des Hermannstädter Stadtzentrums eingeprägt, auch wird alljährlich während der Sommermonate jene vierwöchige Schauwerkstatt „Treffen europäischer Wandergesellen“ veranstaltet, die den Stadtbewohnern und Touristen seit dem Jahr 2007 Beispiele lebendiger Vergangenheit und Gegenwart europaweiter Handwerksausbildung anschaulich vermittelt. Innerhalb weniger Jahre hat Hermannstadt sich auf diese Art und Weise zu einem wichtigen Fixpunkt auf der Reisekarte zahlreicher Wandergesellen-Vereinigungen deutschen und französischen Ursprungs entwickelt.

Stefan Walter, Präsident des Vereins der Gesellenherberge Hermannstadt, führte in deutscher Sprache und mit einer erfrischenden Dosis Ironie das Wort in der Runde der Grußworte. Stilsicher übersetzte Vereinsintendantin Anda Ghazawi sämtliche Ansprachen ins Rumänische, während Wandergeselle Raphaël Zanutto, angehender Zimmermann aus dem Elsass, wissenswerte Details in die französische Sprache übertrug. Selbstredend wurden sämtliche Gäste und Zuhörende der Eröffnungsveranstaltung auch auf Englisch begrüßt. Eine interessante Kurzrede hielt Dr. Andreas H. Apelt, Vorstandsbevollmächtigter der Deutschen Gesellschaft, die als eingetragener Verein zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa internationale Vermittlungsinteressen der Bundesrepublik Deutschland auch an dem Standort Rumänien vertritt. „Nach wie vor ist es nicht selbstverständlich, dass Wandergesellen den Weg nach Siebenbürgen für sich entdecken und ihn auch beschreiten. Umso mehr ist es erfreulich, dass sie auch nach Hermannstadt reisen, da hierdurch der lokale Verlust an Handwerkern, der in nicht geringem Maße auch auf die Massenauswanderung zu Beginn der 90er Jahre zurückzuführen ist, teilweise wettgemacht werden kann. Nicht zuletzt wäre es zu wünschen, das Wiederaufleben der Handwerkstraditionen auch hierzulande immer deutlicher bemerken zu können. Eine mittel- und langfristig steigende Anzahl an Wan-dergesellen rumänischer Herkunft wäre ausdrücklich willkommen“, so Dr. Andreas Apelt. Ergänzend zu den interessanten Ausführungen des Vorstandsbevollmächtigten der Deutschen Gesellschaft e. V. ergriff der Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, Hans Erich Tischler, das Wort. Einleuchtend erwähnte er, dass vor Ort in Hermannstadt zahlreiche Beispiele jahrhundertealten und sauber ausgeführten Bauhandwerks bewundert werden können, wofür Gebäude wie die Evangelische Stadtpfarrkirche am Huetplatz Beweis stünden. Großes Lob und Anerkennung hatte Hans Erich Tischler auch für die persönliche Opferbereitschaft aller anwesenden Wandergesellen übrig, da das Ritual der Wanderschaft für letztere mit nicht wenigen Entbehrungen einhergeht. So hätten Wandergesellen sich gemäß berufsbedingter Standards auch heute noch strikt an diverse Auflagen wie das Nicht-Übertreten eines geographischen Bannkreises, die Nutzung des Wanderbuches und das Tragen der Gesellenkluft zu halten, auch gilt es für Handwerksgesellen als verboten, während der Wanderschaft einen eigenen PKW zu fahren.

Vonseiten der städtischen Lokalverwaltung war Răzvan Codruț Pop, stellvertretender Bürgemeister Hermannstadts, auf dem Huetplatz zugegen. Anschließend an seine Vorredner betonte auch er die durchwegs kosmopolitische Dimension der ungebrochenen Präsenz des Vereins der Gesellenherberge im Hermannstädter Stadtzentrum.
Die Schauwerkstatt kann bis  Sonntag, den 26. August, besucht werden.